SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 10 (2010), 2

Titel der Ausgabe 
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft 10 (2010), 2
Weiterer Titel 
Kritische Theorie und Sport; Hochschulreform und Hochschulsport; Sportgeschichtesforschung in Österreich

Erschienen
Göttingen 2010: Verlag Die Werkstatt
Erscheint 
dreimal jährlich
ISBN
16177606
Anzahl Seiten
93 S.
Preis
9,70 €

 

Kontakt

Institution
SportZeiten. Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Land
Deutschland
c/o
Prof. Dr. Lorenz Peiffer Institut für Sportwissenschaft Leibniz Universität Hannover Am Moritzwinkel 6 30167 Hannover
Von
Peiffer, Lorenz

Im Mittelpunkt des zweiten Heftes des zehnten Jahrganges von ‚SportZeiten‘ stehen drei Beiträge mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Schwerpunkten.

Bero Rigauer (Oldenburg) geht in seinem Beitrag ‚Die Kritische Theorie und der Sport. Von der Dialektik der Aufklärung zur Theorie des kommunikativen Handelns‘ der Frage nach, warum diese gesellschaftswissenschaftliche Theorie mit ihrem universalem Anspruch das Phänomen Sport nicht zum Gegenstand ihrer Untersuchung gemacht hat. Rigauer wendet sich zunächst Texten von Horkheimer und Adorno zu und befragt sie unter den Aspekten ‚Sport und Gewalt‘ und ‚Arbeit, Freizeit und Sport‘ nach ihren gesellschaftlichen Verständnis von Sport, um sich im weiteren sportsoziologischen Untersuchungen im Rahmen der Kritischen Theorie zu widmen. Dabei kommt Rigauer zu dem ernüchterndem Ergebnis, dass von den Autoren der Kritischen Theorie zwar einige Anstöße für eine gesellschaftskritische Analyse des Sports gegeben worden sind, das Thema Sport aber weitgehend marginalisiert wurde. In seiner ‚Theorie des Kommunikativen Handels‘ geht Habermas darauf ein, dass eine Körperbewegung zwar als „Element einer Handlung“ zu verstehen ist, „aber keine Handlung“ ist. Vor diesem Hintergrund und auf der Grundlage des Aktormodells von Habermans fragt Rigauer, wie die körperliche bzw. sportliche Bewegung – als ‚unselbständige Handlung‘ von Habermas definiert -, eine „aufklärerische Funktion im Sinne verständigungsorientierter Kommunikation generieren und/oder übernehmen kann“, um im Anschluss daran Perspektiven einer Kritischen Theorie des Sports zu entwickeln.

Erscheinungsbild, Angebote und Arbeitsweisen des Hochschulsports als einer zentralen Einrichtung der deutschen Universitäten haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. In seinem Beitrag „Der Hochschulsport und der Abschied von Humboldt. Über die Transformation des Hochschulwesens und deren Folgen für den Sport“ geht Arne Göring (Göttingen) diesem Wandlungsprozess nach. Nach dem Humboldt’schen Verständnis sollte die Universität ein Ort sein, an dem „höchste und proportionierte Bildung der menschlichen Kräfte“ initiiert wird. Im Mittelpunkt sollte dabei das Subjekt und dessen Selbst-Bildung stehen, nicht die unmittelbare Verwertbarkeit des Wissens. In diesem Selbst-Bildung-Prozess hatte auch die Leibeserziehung ihren Platz, wie Göring herausstellt. Nicht zuletzt die Bologna-Reformen haben jedoch zu einer radikalen Veränderung des Hochschulwesens geführt, die auch nicht vor dem Hochschulsport halt gemacht haben. Vor allem die Ökonomisierung der Universität hat die Position des Hochschulsports im Rahmen der Universitätslandschaft stark verändert. Der Hochschulsport muss sich nicht nur der Konkurrenz anderer Organisationen wie Vereine und Fitnessstudios stellen, sondern gleichzeitig den Effizienzkriterien der eigenen Universität und den Rankingsystemen des Centrums für Hochschulentwicklung. Göring formuliert abschließend „Ansprüche und Herausforderungen“ an den Hochschulsport in diesem gesellschaftspolitischen Wandlungsprozess.

Die Anfänge der Sportgeschichtsforschung in Österreich reichen zurück bis ans Ende des 18. Jahrhunderts und stehen im Zusammenhang mit ersten Diskussionen um eine alle Stände umfassende Leibeserziehung und ihrer theoretische Begründung. In seinem Überblicksbeitrag „Die Entwicklung der Sportgeschichtsforschung in Österreich“ zeichnet Matthias Marschik (Wien) die einzelnen Stationen dieser Entwicklung bis in die Gegenwart nach. Mit der Verwissenschaftlichung der Sportlehrerausbildung in den 1920er Jahren wurde die Geschichte der Leibesübungen zum Pflichtfach. Die sporthistorische Forschung in diesen Jahren wurde wesentlich geprägt durch den „deutschnationalen“ Erwin Mehl. Obwohl die sportgeschichtliche Lehre und Forschung auch in Österreich in der Nachkriegszeit einen wesentlichen Anteil an der Etablierung der Sportwissenschaft hatte, ist zur Zeit keine akademische Stelle an den österreichischen Sportinstituten mehr mit einem Sporthistoriker/einer Sporthistorikerin besetzt. Den Schwerpunkt seines Überblicks legt Marschik auf die Analyse der sportgeschichtlichen Forschung in den letzten 15 Jahren, die er sehr detailliert vorstellt, um ab-schließend auf die neuere Entwicklung einer Kulturgeschichte des österreichischen Sports und auf Desiderate und Zukunftsperspektiven der sporthistorischen Forschung einzugehen. Eine umfangreiche Literaturübersicht rundet den Beitrag ab.

In den letzten Monaten haben zahlreiche nationale und internationale sporthistorische Tagungen stattgefunden, über die Arnd Krüger (Göttingen) und Robin Streppelhoff (Köln) berichten. Insa Schlumbohm stellt die Ausstellung anlässlich des 100jährigen Jubiläums vom SC Arminia Bielefeld vor.

Der Besprechungsteil wird dominiert von Wolf-Dietrich Junghanns (Berlin) ausführlicher und kritischer Vorstellung des englischsprachigen Werkes von K. Boddy: Boxing. A Cultural History. Junghanns entwickelt zunächst seine Kriterien für eine Kulturgeschichte des Boxens, um auf dieser Grundlage die umfangreiche Publikation zu analysieren. Da das Buch von Boddy bislang ‚nur‘ in englischer Sprache vorliegt, eine deutsche Übersetzung kaum zu erwarten ist, gibt die Besprechung Junghanns dem interessierten Leser einen detaillierten, aber auch kritischen Überblick über den aktuellen Stand der boxhistorischen Forschung. Fabian Brändle (Zürich) stellt darüber hinaus die von Bouvet und anderen herausgegebenen ‚Klassiker des Radsports. Die Eintagesrennen‘ vor.

Unter ‚Mitteilungen‘ weisen wir auf die Jahrestagung des Geisteswissenschaftliches Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig am 21./22. Oktober 2010 in Leipzig hin, die sich dem Thema „Zwischen Konfrontation und Integration. Ostmitteleuropäische Facetten des Massenphänomens Fußball“ widmet sowie auf einige sporthistorische Ausstellungen.

Es ist sicherlich eine mehr als zweifelhafte Ehre, dass mit Carl Diem, Ferdinand Hueppe, Guido von Mengden und Edmund Neuendorff vier deutsche Sportfunktionäre des 19. und 20. Jahrhunderts Aufnahme gefunden haben in das von dem renommierten Antisemitismusforschers Wolfgang Benz herausgegebene ‚Handbuch des Antisemitismus‘. Diese und andere sporthistorische Beiträge aus Periodica und Sammelbänden werden unter ‚Für Sie gelesen‘ vorgestellt. Die Zusammenstellung von ‚Neuerscheinungen’ sowie die Übersicht über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieses Heftes beschließen diese Ausgabe von ‚SportZeiten’.

Lorenz Peiffer

Inhaltsverzeichnis

Beiträge

Rigauer, B.
Die Kritische Theorie und der Sport. Von der Dialektik der Aufklärung zur Theorie des kommunikativen Handelns
7

Göring, A.
Der Hochschulsport und der Abschied von Humboldt. Über die Transformation des Hoch¬schulwesens und deren Folgen für den Sport
29

Marschik, M.
Die Entwicklung der Sportgeschichtsfor-schung in Österreich. Ein Überblick
47

Berichte

Krüger, A.
Geschichte(n) des Hochleistungssports
61

Krüger, A.
„Sportgeschichte: Ausstellen und Vermitteln - Attraktive Konzepte – Moderne Gestaltung - Vielfalt der Vermittlungsformen“. 4. DAGS-Symposium 25.-27. März 2010 Berlin
63

Streppelhoff, R.
Sportgeschichte bewahren – Geschichte(n) erzählen. Sportarchiv-Tagung von DFB und DAGS am 23. April 2010
66

Schlumbohm, I.
SC Arminia Bielefeld. Das 100jährige Jubiläum und eine Sonderausstellung
68

Besprechungen

Junghanns, W,-D.
BODDY, K.: Boxing. A Cultural History. London 2008.
73

Brändle, F.
BOUVET, P./BRUNEL, P./CALLEWAERT, P. u.a.: Klassiker des Radsports. Die großen Eintagesrennen. Delius Klasing Verlag: Bielefeld 2009.
82

Für Sie gelesen
84

Mitteilungen
89

Neuerscheinungen
91

Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
93

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