Ein Gang durch die aktuellen Veröffentlichungen zur Weimarer Republik verdeutlicht, dass sich die Geschichte der ersten deutschen Demokratie anscheinend immer noch recht gut ohne Überlegungen zum Frauenwahlrecht und den erhofften oder tatsächlichen gesellschaftlichen Veränderungen in Sachen politischer und gesellschaftlicher Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts schreiben lässt. Dies zum Ausgangspunkt genommen, widmet sich die aktuelle Ausgabe der »Ariadne. Forum für Frauen und Geschlechtergeschichte« der facettenreichen Geschichte von Frauen, Geschlechterrollen und -bildern, Politik, Wahlrecht, Bildung und Frauenbewegung in der Weimarer Republik. Was wurde aus dem politischen Auftrag und der Chance von Frauen, das erste Mal passives und aktives Wahlrecht auszuüben? Mit welchem Selbstverständnis agierten ›die‹ Frauen? Wie ließ sich Demokratie lernen, welche Plätze nahmen sich Frauen, welche wurden ihnen geboten? Wie gestaltete sich Frauenleben in den Spannungsverhältnissen der Weimarer Republik, die von Konservatismus, Sozialismus und Liberalismus geprägt waren? So steht nicht nur die Frage im Mittelpunkt, wie die Frauenbewegung bereits im deutschen Kaiserreich für das politische Wahlrecht stritt, sondern auch welche Erwartungen die bürgerliche, proletarische und konfessionelle Frauenbewegung mit dem erworbenen Frauenwahlrecht verband, wie sie ihre Handlungsspielräume nutzte und wie sie im politischen System der ersten deutschen Demokratie ankam. Aber auch ablehnende, antirepublikanische weibliche Stimmen werden hörbar. Dazu werden von den Autor_innen Positionen, Aktionen, Strategien, Lebensläufe und mediale Rollenbilder analysiert.
Inhaltsverzeichnis
Sylvia SchrautAngekommen im demokratisierten »Männerstaat«? Weibliche Geschichte(n) in der Weimarer Republik
Kerstin WolffWir wollen die Wahl haben! Wie die Frauen im deutschen Kaiserreich für das politische Wahlrecht stritten
Ingrid Sharp / Matthew Stibbe»In diesen Tagen kamen wir nicht von der Straße …« Frauen in der deutschen Revolution von 1918/19
Axel Weipert»Frauen für die Räte, die Frauen in die Räte«? Konzepte und Praxen von Frauen in der Rätebewegung 1918–1920
Antonia SchillingFrauenwahlrechtsdebatten und Politikerinnen in der katholischen Frauenbewegung 1916–1933
Michaela BräuningerFrauen in der Kirche. Das Kirchenwahlrecht in der Landeskirche Schleswig-Holstein
Birte FörsterMit Königin Luise gegen die Demokratie. Partizipatives Handeln rechtskonservativer Frauen in der Weimarer Republik
Vera BianchiDer Syndikalistische Frauenbund zu Beginn der Weimarer Republik
Mirjam Höfner›Weltoffene‹ Interventionen. Dorothee von Velsen (1883–1970) und die Internationalisierung der deutschen Frauenbewegung in der Weimarer Republik
Marion RöwekampDer graue Alltag des Stimmrechts? Die Zulassung von Frauen zu den juristischen Berufen als ein Schritt zu Citizenship-Rechten in der Weimarer Republik
Patrick Rössler»Mädchen wollen etwas lernen«. Das Bauhaus als Möglichkeitsraum für junge Frauen in der Weimarer Republik
Simone Ruoffner / Florian J. SchreinerVom »Corps Schlamponia« zur »Frau Kommilitonin«. Emanzipation und Assimilierung von Studentinnen in der Frühphase der Weimarer Republik
Lilja-Ruben Çaharnas Vowe1924: Wählerin und Konsumentin. Die ambivalente Doppelrolle der Frau in der Weimarer Republik