C. Kleinjung: Frauenklöster als Kommunikationszentren

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Titel
Frauenklöster als Kommunikationszentren und soziale Räume. Das Beispiel Worms vom 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts


Autor(en)
Kleinjung, Christine
Reihe
Studien und Texte zur Sozial- und Geistesgeschichte des Mittelalters 1
Erschienen
Anzahl Seiten
368 S. mit 1 Karte
Preis
€ 59,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefanie Rüther, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Einige der klassischen Themenfelder der Mediävistik scheinen gegenwärtig eine Art Renaissance zu erleben. Hierzu gehört unter anderem die mittelalterliche Ordensforschung, die bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren mit ihren Zentren in Berlin, Freiburg und Münster einen ungemein produktiven Forschungszweig bildete. Seither sind die überwiegend sozial- und frömmigkeitsgeschichtlich ausgerichteten Forschungen vielerorts weitergeführt und um andere Fragestellungen, wie etwa einen modernen institutionengeschichtlichen Zugang erweitert worden, so dass wir über eine Vielzahl von Studien sowohl zur inneren Organisation der verschiedenen Orden als auch zu einzelnen Klöstern und Konventen verfügen. Wenn die klösterlichen Lebensformen des Mittelalters jedoch derzeit wieder verstärkte Aufmerksamkeit genießen, verdankt sich diese vor allem einer kulturgeschichtlichen Perspektive. Allgemeine Fragen nach Geschlechterrollen, Erfahrungs- und Handlungsräumen oder Kommunikationsformen haben insbesondere die Frauenklöster in den letzten Jahren zu einem bevorzugten Untersuchungsgegenstand werden lassen.

Christine Kleinjung hat nun die vielfältigen Kommunikationsbeziehungen der drei mittelalterlichen Frauenkonvente in Worms eingehend untersucht, die sie mit ihrer Mainzer Dissertation als "Kommunikationszentren" beschreibt. Ihre vergleichend angelegte Studie gliedert sich in zwei große Teile, in denen sie zunächst Entstehungsgeschichte, Verfassung und Sozialstruktur der Frauenklöster erarbeitet, um daran anschließend die verschiedenen Kommunikationsformen der Nonnenkonvente ausführlich vorzustellen. Mit der Einleitung verortet Kleinjung ihre Arbeit in den drei großen Forschungsfeldern der vergleichenden Ordensgeschichte, der Frauen- und Geschlechtergeschichte und der Geschichte von Stadt und Kirche, doch sind die einzelnen Abschnitte verhältnismäßig knapp geraten, so dass eine tiefer gehende inhaltliche Auseinandersetzung mit den in diesen Bereichen diskutierten Fragen und Ergebnissen kaum stattfindet.

Mit dem bereits 1016 erstmalig erwähnten Kloster Nonnenmünster mit ursprünglich stiftischer Verfassung, dem um 1226 gegründeten Zisterzienserinnenkonvent Kirschgarten und der seit 1243 fest institutionalisierten Gemeinschaft der Reuerinnen auf dem Andreasberg bietet sich in Worms ein breites Spektrum geistlicher Frauengemeinschaften, deren Geschichte bisher jedoch nicht eingehender untersucht worden ist. Kleinjung leistet daher mit ihrer ausführlichen Darstellung der Gründung, der inneren Organisation und der materiellen Ausstattung der drei Konvente, die sie auf der Grundlage von zu großen Teilen noch ungedrucktem Quellen- und Urkundenmaterial erarbeitet hat, einen grundlegenden Beitrag zur Geschichte der geistlichen Institutionen in Worms sowie ganz allgemein zur Ordensgeschichte. Entlang eines klar strukturierten Rasters präsentiert sie die von ihr akribisch zusammengetragenen Informationen zur Frühphase der Klöster, den Beziehungen zum Orden, den Besitz- und Wirtschaftsformen, der sozialen Struktur der Klosterinsassen sowie den Schenkungen und Stiftungen.

Indem sie sich in ihrer Gliederung eng an die klassischen Themenfelder und Fragestellungen der bisherigen Ordensgeschichte anlehnt, ermöglicht ihre Untersuchung nicht nur den konkreten Vergleich der Wormser Frauenkonvente untereinander, sondern es werden auch Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu anderen mittelalterlichen Frauenklöstern deutlich. So stellt sich das reich ausgestattete Nonnenmünster in seiner Frühphase als bischöfliches Eigenkloster dar, das mit seiner Umwandlung zum Zisterzienserinnenkloster ab 1236 einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte und mit seinen engen Beziehungen zur Wormser Führungsschicht während des gesamten Mittelalters als das führende Nonnenkloster der Stadt gelten kann. Eher ungewöhnlich erscheint dagegen die Entwicklung des Klosters Kirschgarten, das ebenfalls in den 1230er-Jahren dem Zisterzienserorden angegliedert wurde, doch trotz einer intensiven Förderung durch den Hochadel des Wormser Umlandes bereits im 14. Jahrhundert mit großen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte, so dass der Konvent 1430 quasi verlassen worden war. Anders dagegen das Wormser Reuerinnenkloster, das wohl nicht zuletzt aufgrund seiner engen Verflechtung mit der Pfarrei St. Andreas fest in die städtische Gemeinschaft integriert war und von den Bürgern der Stadt regelmäßig bedacht wurde. Bei der Zuordnung der Vielzahl der Details zur Urkundenüberlieferung, Besitzübertragung und inneren Verwaltung der einzelnen Konvente erweist sich die klare Zusammenfassung am Ende dieses ersten Teils als sehr hilfreich, auch wenn Kleinjung auf eine weitergehende Einbettung ihrer Ergebnisse in allgemeine Forschungsdiskussionen an dieser Stelle verzichtet.

Erst im zweiten Abschnitt werden dann die drei Frauenkonvente als "Kommunikationszentren und soziale Räume" vorgestellt, indem Kleinjung zum einen ausführlich die Kommunikation der Wormser Frauenklöster mit ihren Orden und zum anderen die Kommunikationsformen der Nonnen über Stiftungen und Legate in den Blick nimmt. Um den unterschiedlichen methodischen Zugang zwischen den beiden Teilen ihrer Arbeit zu verdeutlichen, hat sie ein theoretisch orientiertes Zwischenkapitel eingefügt, in dem die einschlägigen Konzeptionen und Begriffe kurz vorgestellt werden, wie etwa Medien, Öffentlichkeit und Raum. Daran anschließend kennzeichnet sie ihren eigenen Ansatz als handlungstheoretischen (S. 166), dem zufolge "Kommunikation als eine konkrete Praxis der Interaktion" verstanden werden soll, die sich "in schriftlichen Dokumenten als Endpunkten niedergeschlagen hat" (S. 170). Die Eingliederung der verschiedenen Konvente in ihren Ordensverband über Privilegierungen, Visitationen oder auch die Teilnahme an den Generalkapiteln untersucht Kleinjung als verschiedene Kommunikationsprozesse, die sich je nach Ordenszugehörigkeit stark von einander unterschieden. Während der Orden der Reuerinnen keine "ordensinterne institutionalisierte Schriftlichkeit" ausbildete und die Nonnen in Worms durchgängig enge persönliche Kontakte zur männlichen Ordensleitung pflegten, waren die Zisterzienserinnen in Nonnenmünster stark daran interessiert, eine Vielzahl von Abschriften der allgemeinen Ordensprivilegien für ihr Kloster zu erhalten. Der Besitz dieser Schriftstücke galt den Nonnen offenbar als wichtiger Bestandteil ihres "Zisterziensertums" (S. 211).

Anhand von 14 besonders gut dokumentierten Einzelbeispielen führt Kleinjung abschließend die vielfältigen Kommunikationsformen zwischen den Klosterfrauen und ihrer sozialen Umwelt vor, wie sie in Stiftungen und Legaten nachzuweisen sind. Oftmals bestanden enge verwandtschaftliche Bindungen zwischen den Konventualinnen und ihren Wohltätern. Doch solche besonderen Verbindungen zum Konvent waren für eine herausgehobene Stiftung ebenso wenig eine notwendige Voraussetzung, wie die Verwandtschaft als eine Art Garantie für eine intensive persönliche Beziehung gelten kann. Bemerkenswert ist die von Kleinjung mehrfach nachgewiesene Bedeutung der Möglichkeit, auch männliche Angehörige in den Frauenklöstern unterzubringen, etwa durch die Stiftung einer Priesterpfründe, was die Attraktivität der Frauenklöster für einzelne Stifterfamilien durchaus gesteigert haben könnte (S. 247f.). Einmal mehr wird in der Analyse der einzelnen Fallbeispiele deutlich, wie groß die Bandbreite der verschiedenen Stiftungen und ihrer jeweiligen Motivationen sein konnte. Wurden die Nonnenklöster vor allem von den führenden Familien Worms’ offenbar als integraler Bestandteil ihres Stadtraums wahrgenommen und als solcher auch in ihren Testamenten gleichmäßig bedacht, so konnte die Verbindung zu einzelnen Konventen auch durch die räumliche Nähe geprägt sein, wie es vor allem bei den Reuerinnen auf dem Andreasberg zu beobachten ist.

Christine Kleinjungs Arbeit bildet damit eine gelungene Fortführung der bisherigen Forschungen zu einzelnen Klöstern und Konventen im Reich, deren Ergebnisse sie zum Teil bestätigen, zum Teil auch um einige interessante Aspekte erweitern konnte. Daher ist es etwas irritierend, wenn sie im Ausblick konstatiert, dass Vergleiche mit anderen Städten "aufgrund der großen Forschungslücken" schwer fallen (S. 287).1 Ein grundlegendes Problem der Studie spiegelt sich aber bereits in deren zweigeteiltem Aufbau wider. Denn bei einer konsequenten Umsetzung des von Kleinjung proklamierten kommunikationsgeschichtlichen Ansatzes bedeutet die Trennung eines "geschichtlichen Teils", der die innere und äußere Verfassung, den Besitz und die Sozialstruktur beleuchtet, von einem zweiten Abschnitt, der sich explizit den verschiedenen Kommunikationsformen der drei Klöster zuwendet, einen methodischen Bruch. Zwar werden auf diese Weise "Strukturen und Handlungen berücksichtigt" (S. 287), doch stehen diese seltsam unverbunden nebeneinander. Gründung und Verwaltung der Klöster, ihre materielle Ausstattung sowie ihr Verhältnis zur Stadt realisierten sich aber ebenso in kommunikativen Prozessen wie die Beziehungen der Nonnen zur Ordensleitung oder ihren Familien. Dementsprechend werden in beiden Abschnitten mehrfach dieselben Urkunden thematisiert, was zu einigen Redundanzen führt. So offenbart sich letztlich ein relativ oberflächlicher Umgang mit den theoretischen Prämissen, deren Anwendung zu der allgemeinen Erkenntnis führt, dass die "weiblichen geistlichen Gemeinschaften Schnittpunkte von Kommunikationskreisen waren" und in "vielfältigen Beziehungen zu ihrer Umwelt standen" (S. 283). Christine Kleinjung hat mit ihrer Studie zweifellos zum Verständnis weiblicher Klostergemeinschaften und ihrer Stellung in den mittelalterlichen Gesellschaften beigetragen, doch inwieweit ein so verstandener "kommunikationsgeschichtlicher Ansatz" der mittelalterlichen Ordensforschung neue Impulse bringen kann, werden weitere Arbeiten zeigen müssen.

Anmerkung:
1 Vgl. als Überblick zum gegenwärtigen Forschungsstand Schlotheuber, Eva ; Flachenecker, Helmut; Gardill, Ingrid (Hrsg.), Nonnen, Kanonissen und Mystikerinnen. Religiöse Frauengemeinschaften in Süddeutschland, Göttingen 2008, mit weiterer Literatur.

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