Titel
Frauen im kirchlichen Leben. Vom 19. Jahrhundert bis heute


Autor(en)
Sohn-Kronthaler, Michaela; Sohn, Andreas
Erschienen
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
€ 8,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Rajah Scheepers, Institut für Soziologie, Leibniz Universität Hannover

Nach 1945 begann sich die Rolle der Frauen in Deutschland in einem bisher ungeahnten Maße zu verändern. Dies bezog sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche: auf die Partizipation am Bildungssystem, an der Politik, der Berufstätigkeit, einer selbst bestimmten Sexualität usw. Die Reihung ließe sich leicht fortsetzen.

Auch die Römisch-Katholische Kirche war davon betroffen. Bis auf das Priesteramt drangen Frauen hier nahezu in alle Bereiche und Positionen ein – in die Katechese, die Seelsorge, die Liturgie und nicht zuletzt in die theologische Wissenschaft. Dies ist umso beachtenswerter, als es Frauen bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein versagt geblieben war, ein reguläres Studium der katholischen Theologie aufzunehmen.

Die Grazer Kirchenhistorikerin Michaela Sohn-Kronthaler und ihr Ehemann, der in Paris lehrende Historiker Andreas Sohn, stellen diese Entwicklungen in der anzuzeigenden Monographie eindrücklich dar. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Gesamtdarstellung der Frauen im kirchlichen Leben, wie Titel und Untertitel vermuten lassen könnten, jedoch um eine lesenswerte Darstellung der Entwicklungslinien innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, bezogen auf die Länder Deutschland, Schweiz, Österreich und Luxemburg – allerdings mit einem deutlichen Schwergewicht auf die Entwicklungen in Deutschland. Die Gliederung ist weitgehend inhaltlich und nicht chronologisch orientiert. Dies irritiert etwas, da sich zwar Überschriften zum 19., nicht aber zum 20. Jahrhundert finden lassen. So muss auch ein dreiseitiges Kapitel unter der Überschrift „Frauen in Kirche und Gesellschaft des 19. Jahrhunderts“ zu kurz ausfallen, ganz zu schweigen von einer sechsseitigen Skizze, die bei sogenannten Matriarchaten und Patriarchaten beginnt und bis zur Frühen Neuzeit reichen soll: Der Erkenntnisgewinn von Ausführungen zu weiblichen Gestalten im Judentum über Jesus als „neuen“ Mann bis hin zu Hexenverfolgungen bleibt in dieser Kürze für das vorgenommene Thema eher fragwürdig.

Bisher stellt die Geschichte der Katholikinnen weitestgehend ein Desiderat der Katholizismusforschung dar, weswegen eine Veröffentlichung in diesem Bereich besonders zu begrüßen ist. 1

Vorgestellt werden das weibliche Vereins- und Verbandswesen, die Rolle von Katholikinnen im öffentlichen und politischen Leben, in Orden und Kongregationen, als Pfarrhaushälterinnen, in Seelsorge und Katechese und in der theologischen Wissenschaft. Deutlich werden dabei zwei Zeiträume, in denen Frauen innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche in besonderer Weise Raum beansprucht haben: zum einen um die Mitte des 19. Jahrhunderts im sogenannten „Frauenkongregationsfrühling“ (Meiwes) 2, zum anderen seit der Mitte des letzten Jahrhunderts mit einer deutlichen Akzentverschiebung von der Rolle der Gehilfin an der Seite des Priesters, etwa als Pfarrhaushälterin, hin zu einem eigenständigen Betätigungsfeld, z.B. als Gemeindehelferin, Gemeindereferentin oder Pastoralreferentin.

Von kaum zu unterschätzender Bedeutung für die Akzentverschiebung im Binnenraum der Römisch-Katholischen Kirche war das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), das einen deutlichen Wandel der Geschlechterrollen zur Folge hatte, und zwar bei Laiinnen und Ordensfrauen. So war z.B. eine Folge des Zweiten Vatikanums die neu eingeräumte Möglichkeit, religiöse Kleidung abzulegen und zivile Kleidung zu tragen, mithin also auch den Schleier der Ordensfrauen, der als Zeichen der Unterdrückung gesehen werden konnte.

Im Folgenden sollen exemplarisch drei Kapitel skizziert werden, die Handlungsfelder von römisch-katholischen Frauen behandeln: Orden und Kongregationen, Seelsorge und Katechese sowie theologische Wissenschaft.

Zu Beginn des Abschnittes über Orden und Kongregationen (Kapitel 3) wird auf die jahrhundertealte Tradition dieses Wirkungsbereichs von Frauen verwiesen, angefangen von den mittelalterlichen Orden, den Benediktinerinnen und den Zisterzienserinnen, den Bettelorden (Dominikanerinnen und Franziskanerinnen) bis zu neuzeitlichen Gründungen, wie z.B. die in der Mädchenbildung tätigen Ursulinen und die in der Krankenpflege engagierten Elisabethinen. Für das 19. Jahrhundert wird zu Recht die These von Relinde Meiwes gestützt, es habe sich nicht geschlechtsneutral um einen Ordensfrühling, sondern um einen „Frauenkongregationsfrühling“ gehandelt. Dargestellt wird dies anhand des „Gründungsbooms“ (S. 95) in den deutschsprachigen Ländern mit einer Vielzahl von eigenständigen, neuartigen Gründungen – auch durch religiös außerordentlich inspirierte Frauen. Eine zeitweilige Abschwächung erlebte diese Entwicklung durch den in Preußen ab 1873 einsetzenden Kulturkampf, in Folge dessen sich Orden und Kongregationen gezwungen sahen, in benachbarte Staaten abzuwandern (etwa in die Niederlande). Ein Teil der Gemeinschaften stellte seine Arbeitsfelder von der – nun untersagten – Erziehungsarbeit auf die – nach wie vor erlaubte – Krankenpflege um. Nachhaltiger wirkten sich die antiklerikale NS-Politik, gipfelnd im sogenannten „Ordenssturm“ 1941, und die mit ihr verbundenen Säkularisierungsschübe aus, so dass spätestens seit Beginn der 1960er-Jahre auch für den Bereich der katholischen Orden und Kongregationen von einer durch eklatanten Nachwuchsmangel ausgelösten Krise gesprochen werden muss.

Demgegenüber stellen die Bereiche der Seelsorge und Katechese (Kapitel 8) einen nach wie vor wachsenden Tätigkeitsraum für Frauen dar. 1918 wurden die ersten Frauen als Gemeindehelferinnen und Seelsorgehelferinnen angestellt, die ihre Ausbildung an „Sozialen Frauenschulen“ des Caritasverbandes absolviert hatten. Sie waren mithin die Pionierinnen einer hauptberuflich ausgeübten Seelsorge im Sinne einer Erwerbsarbeit. Ein Seitenblick auf die protestantischen Gemeindehelferinnen wäre an dieser Stelle hilfreich gewesen, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlich zu machen. Seit Ende der 1920er-Jahre wurde dieser Beruf zunehmend professionalisiert, das heißt, der Rahmen seiner Aus- und Fortbildung wurde sukzessive erweitert und spezialisiert. Mit der Anerkennung der Seelsorge als Aufgabe aller Getauften durch das Zweite Vatikanum erfuhr dieser Beruf eine Aufwertung, der sich auch in der Verlagerung der Ausbildung an Fachhochschulen niederschlug. Im Jahr 1969 wurden erstmalig auch Männer zu diesem Beruf zugelassen, 1974 erfolgte die Umbenennung von Gemeindehelferin in Gemeindereferentin. Gegenwärtig wirken ca. 3.500 Personen als Gemeindereferentinnen und -referenten in nahezu allen Bereichen des gemeindlichen Lebens mit. Davon zu unterscheiden ist der Beruf der Pastoralreferentin, der zu einem Drittel von Frauen ausgeübt wird und ein theologisches Hochschulstudium voraussetzt. Das Aufgabenspektrum ist ähnlich weit gefächert wie bei den Gemeindereferentinnen und reicht von der Verkündigung über die Seelsorge hin zu Aufgaben in Bildung und Medien. Infolge des Priestermangels erfährt dieser Beruf eine zunehmende Ausdehnung der Aufgaben und Verantwortungsbereiche.

Frauen erhielten erst um die Mitte des 20. Jahrhunderts allmählich Zugang zum Theologiestudium, z.B. seit 1959 an der Universität Fribourg, voll zum Durchbruch kamen diese Bestrebungen allerdings erst durch das Zweite Vatikanische Konzil, das sich entschieden für die theologische Ausbildung auch von Laien aussprach. Die Konsequenz dieser Öffnung war das Eindringen der Frauen in die theologische Wissenschaft (Kapitel 9). Waren die Universitäten seit ihrer Gründung im Mittelalter bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein den Männern allein vorbehalten, eroberten sich die Frauen allmählich den Zugang zur universitären Theologie – diese stand gemäß kirchlichem Gesetz von 1917 ausschließlich männlichen Ordensangehörigen und Priesteramtskandidaten offen. Namen wie Mary Daly (Promotion 1963, Fribourg), Elisabeth Gössmann und Uta Ranke-Heinemann (Promotionen 1954, München), Helen Schüngel-Straumann (Promotion 1969, Bonn) stehen für die ersten in römisch-katholischer Theologie promovierten Frauen, Silvia Schroer (Habilitation 1989, Fribourg) und Irmtraud Fischer (Habilitation 1993, Graz) waren die ersten habilitierten Frauen und Herlinde Pissarek-Hudelist 1984 Österreichs erste Theologieprofessorin und weltweit erste Dekanin einer katholisch-theologischen Fakultät. Seit den 1960er-Jahren war die Frage, ob Laien in Theologie habilitiert werden können, kontrovers diskutiert worden: Noch 1962/63 war Elisabeth Gössmann an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität München mit dem Verweis auf dieses ungelöste Problem abgewiesen worden. Erst 1972 ließ die Deutsche Bischofskonferenz die Habilitation und Berufung von Laien – und damit auch von Laiinnen – auf Professuren beziehungsweise Lehrstühle von katholisch-theologischen Fakultäten zu. Um die Interessen der in der theologischen Wissenschaft tätigen Frauen zu vertreten, gründete sich 1986 die ESWTR (European Society of Women in Theological Research), die inzwischen über 600 Mitglieder in 28 Ländern umfasst 3.

Die Monographie ermöglicht einen guten Einstieg und einen schnellen Überblick hinsichtlich der Rolle(n) römisch-katholischer Frauen im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte. Allerdings bleibt die Darstellung oft skizzenhaft. Eine analytische Auswertung der dargestellten Tätigkeitsbereiche, etwa unter Hinzuziehung der Gender-Kategorie, wäre hilfreich gewesen, um die Phänomene angemessen würdigen zu können, das heißt, danach zu fragen, welches Frauenbild sich z.B. mit dem Beruf der Pfarrhaushälterin verbindet oder, grundlegender, ob sich die Römisch-Katholische Kirche durch die zunehmende Beteiligung von Frauen auf einem Weg der Veränderung befindet. Aus protestantischer Sicht irritiert auch die nicht erwähnte Frage der Zulassung von Frauen zum Priesteramt – lässt sich ex silentio schließen, dass dies für die Römisch-Katholische Kirche und Katholikinnen kein Thema ist? Ein komparativer Blick auf andere Konfessionen, z.B. für den protestantischen Bereich auf die Diakonissen oder in alt-katholischer Hinsicht auf die Durchsetzung des Priesterinnenamtes, wäre an einigen Stellen mehr als erhellend gewesen, um die Eigenwege der katholischen Frauen und ihre spezifischen Möglichkeiten und Herausforderungen besser würdigen zu können. Denn gerade die Verschiebungen und Ungleichzeitigkeiten machen ihre Geschichte besonders lesenswert.

Anmerkungen:
1 Alfred Kall, Katholische Frauenbewegung in Deutschland. Eine Untersuchung zur Gründung katholischer Frauenvereine im 19. Jahrhundert, Paderborn 1983; Irmtraud Götz von Olenhusen (Hrsg.), Wunderbare Erscheinungen. Frauen und katholische Frömmigkeit im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 1995; dies. u.a. (Hrsg.), Frauen unter dem Patriarchat der Kirchen. Katholikinnen und Protestantinnen im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart u.a. 1995; Gisela Muschiol (Hrsg.), Katholikinnen und Moderne. Katholische Frauenbewegung zwischen Tradition und Emanzipation, Münster 2003.
2 Relinde Meiwes, ,Arbeiterinnen des Herrn‘. Katholische Frauenkongregationen im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 2000.
3 Vgl. <http://www.eswtr.org>.

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