D. Königs: Zisterzienserinnen in Olsberg

Titel
Zisterzienserinnen in Olsberg. Die Geschichte des Klosters Hortus Dei


Autor(en)
Königs, Diemuth
Erschienen
Basel 2010: Schwabe Verlag
Anzahl Seiten
257 S.
Preis
€ 27,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christine Kleinjung, Abteilung II, Mittelalter und historische Hilfswissenschaften, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Forschungen zu religiösen Frauen und zu Frauenklöstern haben in den letzten Jahren zumindest in der Mediävistik Hochkonjunktur. Die meisten der aktuellen Ansätze beinhalten dabei eine systematische und vergleichende Perspektive – auf Frauenklöster verschiedener Ordenszugehörigkeit, auf Kanonissen und andere Lebensformen; sie betrachten die Klöster an einem Ort oder in einer Region oder streben regionale Vergleiche an. Es finden sich unter den neuesten Arbeiten sozialgeschichtlich, bildungsgeschichtlich oder kulturwissenschaftlich ausgerichtete Studien. Dennoch behält die traditionelle Klostermonographie weiterhin ihre Berechtigung, werden doch hier nicht zuletzt wichtige Grundlagen für den Vergleich geschaffen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass systematisch gearbeitet und zeitlich differenziert wird, auch bei einer Darstellung der gesamten Geschichte eines Konvents von der Gründungszeit bis zur Aufhebung.

Bei der vorliegenden Klostermonographie handelt es sich um eine populärwissenschaftliche Darstellung aus dem renommierten Basler Schwabe-Verlag. Die Journalistin und freie Historikerin Diemuth Königs möchte die annähernd 600jährige Geschichte des Zisterzienserinnenklosters in der heutigen Schweiz von der Gründung 1236 bis zur Umwandlung in ein weltliches Damenstift 1790 erstmals umfassend darstellen.

Ihr Ziel ist es, das Leben der Klosterfrauen in den Mittelpunkt zu stellen; gemäß der Quellenlage geht es vor allem um die Äbtissinnen, da sie die meisten Spuren in den schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen haben. Zugleich will Königs einen Beitrag zur Frauengeschichte leisten.

Das Buch ist in drei Teile geteilt. Im ersten Teil untersucht Diemuth Königs die Geschichte bis zur Reformation, vor allem unter dem Aspekt der Besitzgeschichte (Gründungsausstattung, Schenkungen, Besitzstreitigkeiten, Aufbau und Organisation der Grundherrschaft). Anschließend widmet sie sich dem „Leben im Kloster“, worunter sie neben der inneren Organisation und dem Klosteralltag auch die Ordensbeziehungen, das Verhältnis zur Vaterabtei Lützel sowie die Beziehungen zu Dörfern und Städten fasst. Abschließend wird die Entwicklung von der Reformation bis zur Auflösung des Klosters behandelt, wobei sich der Aufbau des letzten Teils an den Amtszeiten der jeweiligen Äbtissin orientiert. Das Buch schließt unvermittelt ohne Zusammenfassung.

Die Arbeit ist von mehreren Schweizer Institutionen finanziell gefördert worden – das zeigt, dass ein lebendiges Interesse an Klostergeschichte besteht. Die Bedienung dieses Interesses sowie die Verankerung des Themas im öffentlichen Bewusstsein sind die großen Verdienste der Monographie, die überwiegend aus archivalischem Material gearbeitet ist.

Die Darstellungsform und die Publikumsorientierung bringen ohne Zweifel eine bestimmte, von Umgangssprache geprägte Form sowie inhaltliche Verkürzungen und Pauschalisierungen mit sich; doch auch unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse fallen aus (mediävistischer) wissenschaftlicher Sicht einige Probleme auf: Obwohl die Darstellung im ersten Teil systematisch die mittelalterliche Epoche in den Blick nehmen soll, bringt Diemuth Königs immer wieder Beispiele aus der Zeit nach 1558, zum größten Teil aus Gerichtsakten und -protokollen; das Jahr stellt ihrer Aussage nach aber nach dem faktischen Ende des Klosterlebens Mitte des 16. Jahrhunderts einen tiefen Einschnitt und Neubeginn dar. Die Begründung für ihr Vorgehen gibt sie in der Einleitung: „da aus der Frühzeit des Klosters fast ausschliesslich nur trockene Geschäftsdokumente erhalten sind, lockerte ich mit einigen Episoden aus späterer Zeit, die thematisch zu diesen Ausführungen passen, die Geschichte mit Geschichten auf“ (S. 9). Die methodischen Zweifel, die bei einer solchen Vorgehensweise geweckt werden, bestätigen sich bei Formulierungen, die zeigen, dass die allgemeine mediävistische Forschung der letzten 30 Jahre annähernd unbekannt ist. So wird etwa der mehrmalige Hinweis auf Raubritter, die dem Kloster nach Vermutungen Diemuth Königs zunächst bei der Verlegung in der Frühphase und dann im Interregnum zusetzten, mit einem Verweis auf die Propyläen Weltgeschichte von 1963 versehen (S. 30).

Auch der Forschungsstand zu religiösen Frauen und zu Zisterzienserinnen im Speziellen wird kaum zur Kenntnis genommen, was sich im Text an vielen Stellen niederschlägt, etwa bei Bemerkungen über Eigenbesitz oder die Leitungsfunktion von Äbtissinnen, über die zisterziensischen Ordensstrukturen und die Betreuung von Frauenklöstern. In dem knappen, anderthalbseitigen Literaturverzeichnis fehlt zentrale Literatur zu einer Vielzahl von Aspekten (Zisterziensern und Zisterzienserinnen, Klosterreformen, Handlungsspielräumen von Frauen, Geschlechtergeschichte). Zudem findet sich nur ein Titel, der nach 2000 erschienen ist – es handelt sich um einen Zeitungsartikel der Autorin. Der Referenzrahmen bei vermeintlichen ‚Korrekturen‘ (etwa in Bezug auf den Klostereintritt) ist daher auch nie die Forschung, sondern ein nicht näher spezifiziertes ‚Bild‘. Vor allem irritiert die häufige Gegenüberstellung von einem ‚vordergründigen Bild‘ des Klosterlebens, geprägt von Frömmigkeit, Barmherzigkeit und Kontemplation und einem ‚wirklichen Bild‘, das von Machtkämpfen, Machterhalt, Besitz und Selbstverwirklichung dominiert gewesen sei.

Der Umgang mit Fachbegriffen wirkt insgesamt etwas unausgewogen, da manche Begriffe wie ‚Inkorporation in den Zisterzienserorden‘ ohne Erläuterung verwendet werden, andere wie ‚Stiftung‘ aber vermieden werden, stattdessen spricht Diemuth Königs von „Geschenken mit Bedingungen“.

Am schwerwiegendsten wiegt aber, dass im Kernstück der Arbeit zum ‚Leben im Kloster‘ nicht deutlich wird, für welche Zeit die jeweiligen Aussagen gelten (besonders auffällig in den Kapiteln zu Vateräbten, Beichtvätern und zum Konvent). Das Material stammt fast ausschließlich aus der Zeit ab dem 17. Jahrhundert. Widersprüche zu vorhergehenden Epochen werden zwar an mehreren Stellen erwähnt, aber nicht weiter verfolgt; Wandel und veränderte Rahmenbedingungen durch das Konzil von Trient etc. werden nicht thematisiert.

Die Stärken der Arbeit liegen in der Aufbereitung des archivalischen Materials. Die Geschichte des Zisterzienserinnenklosters wird wie angestrebt unter verschiedenen Aspekten dargestellt. Die Aussagen zu cura monialium und Konventsleben beziehen sich aber überwiegend auf die Zeit nach dem Tridentinum. Die Abschnitte, die sich mit den Handlungsspielräumen und den Strategien der Äbtissinnen im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigen, sind mit Abstand die stärksten Teile der Arbeit. Hier vermisst man wieder eine Zusammenfassung, in der die Ergebnisse eingeordnet und zeitlich differenziert werden könnten.

Es handelt sich um ein Buch, das jeder, der sich für die Geschichte des Klosters Hortus Dei interessiert, gerne zur Hand nehmen wird; Information auf dem aktuellen Stand der Forschung darf man aber nicht erwarten. So liefert Diemuth Königs zwar in gewisser Weise einen Beitrag zur ‚Frauengeschichte‘ und zum Leben von religiösen weiblichen „Führungskräften“ in der Frühen Neuzeit, aber die oben genannten Kritikpunkte und die stark pauschalisierenden Aussagen trüben den Eindruck.