: Československo a subsaharská Afrika v letech 1948-1989. [Die Tschechoslowakei und das subsaharische Afrika in den Jahren 1948-1989]. Prag 2007 : Ústav mezinárodních vztahů, ISBN 978-80-86506-58-6 322 S. € 18,00

: Československo a Blízký východ v letech 1948-1989 [Die Tschechoslowakei und der Nahe Osten in den Jahren 1948-1989]. . Prag 2009 : Ústav mezinárodních vztahů, ISBN 978-80-86506-76-0 394 S. € 24,50

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Pavlík, München

Die Prager Historiker Petr Zídek und Karel Sieber haben sich mit ihren in den letzten Jahren publizierten Monographien einem Feld zugewandt, das von der Forschung bisher nicht einmal in Ansätzen bearbeitet wurde: Der Außenpolitik der kommunistischen Tschechoslowakei gegenüber den Entwicklungsländern. Am Beispiel Afrikas und des arabischen Raumes geben die Autoren interessante Einblicke in die Außenbeziehungen der Č(S)SR für den Zeitraum 1948 bis 1989. Als Quellenbasis ziehen sie hauptsächlich Material aus dem Archiv des Tschechischen Außenministeriums sowie aus dem Archiv der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KSČ) heran. Beide Werke folgen demselben Aufbau und sind alphabetisch nach Staaten geordnet, so dass sie sich auch als Nachschlagewerke für jene Leser eignen, die sich nur über die Beziehungen zu speziellen Ländern informieren wollen. Es empfiehlt sich allerdings nachdrücklich, das Buch über den Nahen Osten „quer“ zu lesen und sich nicht an der alphabetischen Vorgabe zu orientieren. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, die Kapitel über Israel und Palästina getrennt voneinander zu lesen. Ebenso trifft dies auf die Textpassagen bezüglich Irak und Iran sowie für den gesamten Maghreb-Raum zu.

Im Theorieteil bieten die Autoren jeweils eine zeitliche und länderspezifische Kategorisierung, wobei schnell klar wird, dass es vor allem marxistisch orientierte Drittweltländer waren, die im Kalten Krieg große Aufmerksamkeit der Prager Diplomaten auf sich zogen. Dies betrifft nicht nur die „Bruderländer“ Angola, Moçambique, Äthiopien oder Südjemen – obwohl das Engagement in diesen Staaten finanziell keinerlei Erträge einbrachte –, sondern auch „kapitalistische“ Länder wie etwa Nigeria unter Yakubu Gowon. Auch feudalistisch verfasste und mit den USA kooperierende Monarchien wie beispielsweise Marokko fehlten nicht im Koordinatensystem der tschechoslowakischen Diplomatie. Dort allerdings überwogen zumeist wirtschaftliche Interessen, besonders wenn jene Länder über wichtige Rohstoffe oder eine interessante geopolitische Lage verfügten.

Das 2009 vorgelegte Buch über den Nahen Osten stützt die im ersten Werk über Afrika konstatierte These, dass die Č(S)SR als Waffenlieferant eine feste Rolle innerhalb des Ostblocks ausfüllte. So waren tschechoslowakische Waffen praktisch in allen afrikanischen Ländern und im gesamten arabischen Raum in Gebrauch. Billig, einfach zu bedienen und problemlos zu erwerben - dies waren die Schlüsselkennzeichen, weshalb „rote Diktatoren“ wie Mengistu Haile Mariam aus Äthiopien oder die im Bürgerkrieg agierende marxistisch orientierte angolanische Regierung unter José Eduardo dos Santos Empfänger tschechoslowakischer Militärtechnik waren. Auch der ideologisch oftmals fragwürdige libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi oder Hafiz al-Assad in Syrien gehörten zu den treuen Kunden der tschechoslowakischen Waffenfabriken, wobei sie (anders als etwa die südjemenitische Führung) in westlichen Devisen und selbst bis in die 1980er-Jahre hinein stets pünktlich zahlen konnten. Gerade bei der Lektüre des Kapitels über Libyen stockt einem hinsichtlich der Menge an Waffen aller Art stellenweise der Atem. Gaddafi zögerte außerdem nicht, die im Zuge des Lockerbie-Anschlages 1988 entführte Boeing 747 mit tschechoslowakischem Semtex-Sprengstoff in die Luft zu sprengen (2009, S. 215), welchen er zusammen mit einem Waffenpaket erhalten hatte. Prag nahm bei diesen Waffengeschäften oftmals eine Stellvertreterfunktion in jenen Ländern wahr, in denen sich die Sowjetunion aus verschiedensten Gründen nicht direkt engagierten konnte oder wollte. Dies betraf etwa Ägypten unter Gamal Abdel Nasser: Sowjetische Waffen gelangten nur mit Hilfe eines tschechoslowakisch-ägyptischen Abkommens von 1955 ins Land. Die Sowjets bleiben formal außen vor, wenngleich die von Prag gelieferten Waffen zu 60% aus der UdSSR stammten (2009, S. 56f.).

Beide Bücher führen eindrucksvoll vor, wie die Prager Außenpolitik gegenüber den bipolaren „Nebenkriegsschauplätzen“ in Afrika und im Nahen Osten durch und durch ideologisiert war. Nur so lässt sich erklären, dass etwa Südjemen – das „unikate [sozialistische] Experiment in den Reihen der arabischen Länder“ (2009, S. 170) – über Jahre hinweg kostenlos ziviles und militärisches Material aller Art erhielt. Doch nicht gegenüber allen Staaten hatte die KSČ-Führung eine ideologisch stringente Haltung. Beispielsweise bestanden zum offiziell als „reaktionär“ gebrandmarkten Iran unter Schah Reza Pahlavi fruchtbare Wirtschaftsbeziehungen. Bei der Ausrichtung der Jubelfeiern für den absolutistischen Herrscher war das tschechoslowakische Künstlerkollektiv „Art Centrum Praha“ bis zum Sturz Pahlavis im Jahre 1979 federführend beteiligt. Der Schah – seit 1977 Doktor honoris causa der Karls-Universität – entlohnte die Prager Kunstschaffenden mit harten Devisen (2009, S. 120ff.). Kleine Anekdoten wie die Tatsache, dass die Familie des irakischen Diktators Saddam Hussein Ende der 1970er-Jahre öfter in der ČSSR Urlaub machte (2009, S. 105) oder dass die Leibgarde des PLO-Führers Jassir Arafat in Brno/Brünn an der Hochschule der tschechoslowakischen Volkspolizei ausgebildet wurde (2009, S. 245) zeigen, dass Prag diversen Organisationen und Ländern in vielerlei Hinsicht auch ideelle und logistische Hilfe gewährte. Im Falle der Unterstützung für Arafat, Ägypten und auch Syrien wird schnell klar, wer für die tschechoslowakische Außenpolitik die Rolle des ideologischen Gegners im Nahen Osten einnahm: Israel. Bisher kaum bekannt war jedoch die Tatsache, dass die Tschechoslowakei in den Jahren 1948-49 Waffen nach Israel geliefert hatte, nachdem Prag auf UNO-Ebene im Jahr 1947 für die Gründung des Staates Israel eingetreten war. Doch mit den politischen Säuberungsaktionen innerhalb der KSČ, die wie im Falle des Slánský-Prozesses (1952) mit antisemitischem Unterton geführt wurden, kühlten sich die bilateralen Beziehungen schrittweise ab. Im Zuge des Sechstagekrieges (1967) wurden sie komplett abgebrochen, Israel bei jeder Gelegenheit ideologisch bekämpft und die PLO über die tschechoslowakische Botschaft in Beirut (Libanon) gezielt unterstützt.

Auch für das subsaharische Afrika zeigen die beiden Autoren anschaulich auf, wer die Position des „Klassenfeindes“ innehatte: Südafrika unter dem rassistischen Apartheid-Regime. 1956 verließen polnische und sowjetische Diplomaten das Land, während die Tschechoslowakei als einziges Ostblockland weiter ein Generalkonsulat in Johannesburg unterhielt (2007, S. 99). Damit beschädigte Prag nicht nur sein internationales Ansehen, sondern zog sich auch den Unmut der im Untergrund operierenden südafrikanischen Kommunisten (SACP) zu, die die totale politische, wirtschaftliche und diplomatische Ächtung des Apartheid-Staates einforderten. Nach dem Abzug der letzten tschechoslowakischen Diplomaten im Jahr 1961 fehlten notwendige Transportkanäle, um die SACP zu unterstützen. Den Vorschlag einiger SACP-Funktionäre, Sprengstoff getarnt als Spielzeug zu importieren (2007, S. 106), lehnte Prag freilich ab, was zeigt, dass es auch für die Prager Außenpolitiker trotz ideologischer Sichtweisen klare Grenzen gab. Je stärker sich die Apartheid festigte, desto großzügiger unterstützte die ČSSR die antikolonialen und gegen Südafrika kämpfenden Unabhängigkeitsbewegungen in der Region, konkret in den so genannten „Frontstaaten“ wie etwa Angola, Simbabwe, Moçambique oder Sambia. So erhielten die linksgerichtete angolanische MPLA, die moçambiquanische FRELIMO, die namibische SWAPO oder die sambische UNIP materielle und politische Hilfe der Tschechoslowakei. Im Falle Angolas griff der Ostblock Mitte der 1970er-Jahre direkt in den dortigen Bürgerkrieg ein, der als Musterbeispiel eines Stellvertreterkrieges im Ost-West-Konflikt bezeichnet werden kann. Freilich waren auch dort tschechoslowakische Waffen mit im Spiel.

Die Tschechoslowakei nahm oftmals ihre oben beschriebene Stellvertreterfunktion wahr. So weigerte sich etwa der sambische Präsident Kenneth Kaunda, intensive Beziehungen zu den Großmächten zu unterhalten und profilierte sich als führender Politiker der Blockfreien-Bewegung. Er ging allerdings völlig naiv von einer autonomen tschechoslowakischen Außenpolitik aus, weshalb ihn der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR im August 1968 wie ein Schock traf und er seine Beziehungen zum Ostblock kurzzeitig frostig werden ließ (2007, S. 229f.). Doch Sambia war enorm wichtig für die UdSSR und ihre Satelliten, denn in der Hauptstadt Lusaka unterhielten nahezu alle antikolonialen Organisationen noch nicht unabhängiger Länder ihre Kontaktbüros. Die tschechoslowakische Botschaft in Lusaka hatte daher ähnlich wie die Auslandsvertretungen in Kairo (Ägypten), Conakry (Guinea) und Addis Abeba (Äthiopien) eine gewisse überregionale Bedeutung.

Während die ČSSR also im südlichen subsaharischen Afrika mit Angola, Moçambique und in begrenztem Maße auch Sambia einige wichtige Verbündete hatte, gelang es der Prager Diplomatie nie richtig, im westlichen französischsprachigen Afrika diplomatisch Fuß zu fassen.1 Zu stark war dort der Einfluss der ehemaligen französischen Kolonialmacht. Auch die örtlichen Eliten blieben zum Teil eng mit Frankreich verbunden und im Kalten Krieg daher meist klar auf den Westen orientiert. So stellte etwa der Staatschef von Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) Félix Houphouët-Boigny seinen Antikommunismus offen zur Schau (2007, S. 186). Andere Länder wie beispielsweise Gabun unter dem Diktator Omar Bongo behaupteten, aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen keine entsprechende Auslandsvertretung in Prag einrichten zu können (2007, S. 68). Einzige Ausnahme bezüglich der westafrikanischen ehemaligen französischen Kolonien bildete die bereits 1958 unabhängig gewordene Republik Guinea unter dem diktatorisch regierenden Präsidenten Ahmed Sékou Touré, der den „panafrikanischen Sozialismus“ propagierte. Selbstverständlich erhielt er sofort nach der Ausrufung der Republik materielle und militärische Hilfe aus Prag, auch die neuen guineischen Banknoten wurden in der Tschechoslowakei gedruckt (2007, S. 78).

Neben den beschriebenen Instrumenten der Prager Außenpolitik schneiden die Autoren in beiden Büchern auch das Themenfeld der Hochschul- und Doktorandenstipendien für afrikanische und arabische Studenten an. Insbesondere für die sozialistischen „Bruderländer“ wird deutlich, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der örtlichen Elite im Ostblock militärisch oder zivil geschult wurde. So hat etwa der seit über 30 Jahren regierende angolanische Staatschef dos Santos in Baku studiert und auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas absolvierte sein Studium in der UdSSR. Der amtierende und seit 1981 regierende ägyptische Staatspräsident Hosni Mubarak sammelte in seiner Zeit als Luftwaffenoffizier Erfahrungen mit dem tschechoslowakischen Flugzeugtyp L-29, auf dem er seine Pilotenausbildung absolviert hatte (2009, S. 90). Aus Afrika waren vor allem angolanische, äthiopische, sambische und simbabwische Studenten an tschechoslowakischen Universitäten und Hochschulen registriert. Zu Beginn dieser Maßnahmen in den 1960er-Jahren hatten diese mit rassistischen Anfeindungen zu kämpfen, wie Zídek und Sieber am Beispiel des sambischen Stipendiaten Frank Chibeza aufzeigen. Der Student war aus dem fahrenden Schnellzug Praha-Poděbrady geworfen worden, was er nur schwer verletzt überlebte. Sein Fall belastete die tschechoslowakisch-sambischen Beziehungen über Jahre hinweg (2007, S. 226). Trotz solcher Einzelfälle darf aber angenommen werden, dass die Mehrheit der Stipendiaten eine positive Bindung mit den jeweiligen Studienländern aufgebaut haben. Für angolanische Schüler und Studierende war ein solcher Aufenthalt eine günstige Gelegenheit, dem blutigen Bürgerkrieg für einige Jahre zu entkommen. Allein aus Angola studierten im Jahr 1984 rund 200 Studenten in der ČSSR (2007, S.48). Noch heute trifft man etwa im Studentenwohnheim „Družba“ in Bratislava häufig auf angolanische, palästinensische oder beninische Stipendiaten, was zeigt, dass die Regierungsstipendien – wenn auch in limitierter und entideologisierter Form – nach wie vor weiterbestehen.

Zídek und Sieber haben zwei anschauliche und quellennahe Bücher vorgelegt. Die präsentierten Fakten sind nachvollziehbar verarbeitet worden, gleichwohl geben vereinzelte Formulierungen Anlass zum Kopfschütteln, wenn beispielsweise beim Zitieren einer Quelle aus dem Jahre 1986 von einem „Brief des Botschafters der Tschechischen (sic!) Republik in Algerien“ (2009, S. 307) die Rede ist. Da es in beiden Büchern kein Kartenmaterial gibt, scheint es dringend empfehlenswert, beim Lesen einen Atlas zur Hand zu haben. Insbesondere in Fragen von Grenzkonflikten, wie etwa dem Libysch-Ägyptischen Grenzkrieg 1977, der auf beiden Seiten mit Waffen aus der ČSSR und der Sowjetunion ausgetragen wurde, ist ein geographischer Überblick unerlässlich, um die geschichtlichen Sachverhalte richtig zu erfassen.

Wenngleich eine finanzielle Bilanz und eine kritische Gesamtwürdigung der Prager Außenpolitik gegenüber den Entwicklungsländern fehlen, können beide Arbeiten als Meilensteine auf dem Weg zur Aufarbeitung der tschechoslowakischen Beziehungen zur so genannten Dritten Welt gelten. Des Tschechischen nicht mächtige Leser können sich am Ende der Werke mit je einem kurzen „Summary“ grob orientieren. Ihnen entgeht jedoch der Vorteil einer durchgehend mit Zitaten aus Archivdokumenten angereicherten Darstellung, in der die geschilderten Ereignisse bisweilen auch in einen weltpolitischen Zusammenhang gestellt werden. Nicht nur Experten für Afrika und den arabischen Raum seien diese Werke daher empfohlen. Auch jene, die sich für das Funktionieren des realsozialistischen tschechoslowakischen Außenpolitikapparates interessieren, werden eine reiche Fundgrube vorfinden. Man wird in Bezug auf die Positionierung der Tschechoslowakei gegenüber der außereuropäischen Welt zu Zeiten des Kalten Krieges an beiden Büchern nicht vorbeikommen können. Bleibt zu hoffen, dass Petr Zídek und Karel Sieber auch zu Lateinamerika (Kuba, Chile, Nicaragua) und Asien (China, Vietnam, Nordkorea) weitere Studien vorlegen werden.

Anmerkung:
1 Viele Erkenntnisse aus der früheren Monografie von Petr Zídek, Československo a francouzská Afrika [Die Tschechoslowakei und das französische Afrika] 1948-1968, Praha 2006, sind in den hier besprochenen Afrika-Band eingeflossen.

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