H. Mäkeler: Reichsmünzwesen im späten Mittelalter

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Titel
Reichsmünzwesen im späten Mittelalter. Teil 1: Das 14. Jahrhundert


Autor(en)
Mäkeler, Hendrik
Reihe
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 209
Erschienen
Stuttgart 2010: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
II, 328 S.
Preis
€ 62,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Czerner, Historisches Seminar, Leibniz-Universität Hannover

Die Geschichte des römisch-deutschen Reiches seit Mitte des 13. Jahrhunderts ist durch das Fehlen eines politischen Zentrums, stetigen Wechsel der Dynastien und insgesamt gesehen machtpolitische Diskontinuität gekennzeichnet. Ohne etablierte Institutionen, auf die die Könige oder Kaiser zurückgreifen konnten, waren diese bei Machtantritt immer wieder aufs Neue gefordert, eigene Strukturen aufzubauen, geeignetes Personal für die Verwaltung zu rekrutieren und ihre Herrschaft im Mit-, Gegen- und Nebeneinander mit regionalen Autoritäten zu konstituieren. Die Folge war eine Gemengelage sich überschneidender Ansprüche und Herrschaftssphären, die ein kaum zu überschauendes Bild spätmittelalterlicher Reichspolitik boten. Diese Schwierigkeiten mögen ein Grund dafür sein, dass bislang eine ausführlichere Gesamtdarstellung des Reichsmünzwesens im Spätmittelalter als Desiderat in der Forschung zu beklagen ist.1

Diese Lücke füllen zu helfen, hat sich Hendrik Mäkeler in seiner nun erschienenen Dissertation zur Aufgabe gemacht. Anhand numismatisch-archäologischer Befunde, sowie der schriftlichen Überlieferung untersucht er die Entwicklung des Münzwesens im Reich von der Zeit Ludwigs des Bayern (1314–1347) und Friedrichs des Schönen (1314–1330) bis zum Ende der Regierungszeit König Wenzels (1376–1400). Als wesentliche Aufgabe seiner Arbeit bezeichnet Mäkeler dabei die Etablierung der numismatischen Faktengrundlage (S. 19), die er mit bemerkenswert breiter Kenntnis der Quellen und der oft weit verstreuten Literatur jeweils am Ende der chronologisch geordneten Hauptkapitel zusammenfasst.

Weiterhin widmet er sich den Fragen, inwieweit es überhaupt eine königliche Münzpolitik gegeben habe, welche Wirkung sie im Reich entfalten konnte und welche Rahmenbedingen für eine solche Politik galten. Hierzu stellt der Verfasser im Kapitel II die geldtheoretischen Grundlagen und das Geldverständnis im 14. Jahrhundert dar, indem er ausgehend von der aristotelischen Geldtheorie deren Rezeption und Fortführung im Hochmittelalter, etwa bei Tholomeus von Lucca und Nicolas Oresme, beschreibt. In den folgenden Hauptkapiteln wird die Münz- und Geldpolitik der jeweiligen Herrscher dargestellt. Diese Kapitel sind wiederum in zahlreiche Unterkapitel gegliedert, die nicht ausschließlich numismatische Fragestellungen thematisieren, wie etwa die Prägung ‚Goldener Schilde‘ zur Zeit Ludwigs des Bayern (Kapitel III.2), sondern auch allgemein- und wirtschaftspolitische, wie die Auswirkungen der englischen Subsidienzahlungen und die Zusammenhänge mit der Einführung von Goldmünzen und kaiserlichen Prägungen (Kapitel III).

Hier offenbart sich eine besondere Stärke der Arbeit. Durch diese Verbindung von Erkenntnissen aus der Numismatik mit der Wirtschaftsgeschichte und vice versa bieten sich neue Ansätze für das Verständnis der Münz- und Geldgeschichte im spätmittelalterlichen Reich. Mäkeler gelingt es überzeugend, die unterschiedlichen Quellengattungen, Münzen und Münzfunde auf der einen und die schriftliche Überlieferung auf der anderen Seite, miteinander zu verbinden und damit zu teils neuen Beurteilungen oder zumindest zu einem besseren Verständnis in beiden Teildisziplinen beizutragen. Deutlich wird dies zum Beispiel, wenn er durch Gegenüberstellung zweier Privilegien Ludwigs des Bayern aufzeigen kann, dass diese in weiten Teilen wortwörtlich übereinstimmen, womit anzunehmen ist, dass das zweite eine Neuausfertigung des ersten Privilegs ist (S. 81). Es handelt sich hierbei um das Recht zur Prägung von Gold- und Hellermünzen in Frankfurt am Main, die Ludwig am 4. November 1339 und erneut am 4. September 1340 den beiden Frankfurter Stadtadligen Konrad Groß und Jakob Knoblauch für ihre Unterstützung der kaiserlichen Politik durch die Vergabe von Krediten an den Herrscher verliehen hatte. Verwirrung war in der Forschung dadurch entstanden, dass bei der ersten Fassung noch von Hellermünzen die Rede war, in der zweiten Urkunde von 1340 hingegen ganz allgemein von Pfennigen, was zu der Annahme führte, es habe zu jener Zeit zwei Münzstätten in Frankfurt gegeben. Durch Vergleich der beiden Privilegien und Analyse der zeitgenössischen Begriffe – Pfennig kann hierbei sowohl die Münzsorte als auch ganz allgemein die Münze bezeichnen – verdeutlicht Mäkeler, dass es entgegen bisheriger Vermutungen in Frankfurt am Main zu jener Zeit keine zwei Münzstätten, sondern nur eine gab, auf die sich die Privilegien beziehen.

In einem anderen Fall verdeutlicht Mäkeler, welch große Bedeutung der Reichsmünzstätte Hall in Schwaben und anderen Münzstätten für die Finanzpolitik des Reichsoberhauptes zukam. Die Kontrolle über sie bedeutete zugleich die Verfügung über beträchtliche Mengen an gemünzten und ungemünzten Edelmetall, das dazu herangezogen werden konnte, die durch die Wahl entstandenen Kosten zu begleichen und die Herrschaft zu finanzieren (Kapitel III.5c). Dem Abschnitt über Karl IV. (1346–1378) ist hierzu ein ganzes Unterkapitel über die „Geldgeschichtliche[n] Umstände und Folgen der Königswahl“ gewidmet (Kapitel IV.4). Überhaupt nimmt die Regierungszeit dieses Herrschers den größten Raum ein, was aber angesichts seiner vielfältigen Maßnahmen zur Münzpolitik nicht verwundert. Neben den hinreichend bekannten Abschnitten in der Goldenen Bulle von 1356 behandelt Mäkeler allerdings hier auch die bisher wenig beachtete Überlieferung bei Johann von Gelnhausen zu den kaiserlichen Reichsmünzplänen (Kapitel IV.7). Trotz dieser ambitionierten Reichsmünzpolitik Karls IV. konnten keine dauerhaften Erfolge erzielt werden, und unter seinem Nachfolger Wenzel (1376–1400) setzte sich die Tendenz zur Verlagerung der überregionalen Münzpolitik aus der Verantwortung des Reichsoberhauptes auf die Kurfürsten und Städtebünde fort, so dass fortan von diesen getragene Münzvereine das Geldwesen des Reiches prägten. Die allseits bekannte Währungszersplitterung im Reich war eine Folge dieser Entwicklungen (S. 277).

Die von Mäkeler vorgelegte Untersuchung bietet insgesamt eine gut lesbare Darstellung der Reichsmünzpolitik im 14. Jahrhundert, die sowohl für Numismatiker, als auch Wirtschaftshistoriker und Historiker allgemein eine bereichernde Lektüre darstellt. Durch die Verknüpfung von Schrift- und Sachquellen in Verbindung mit einer umfassenden Kenntnis der Fachliteratur gelingt es dem Verfasser eindrucksvoll, neue Interpretationen anzubieten und neue Blickwinkel auf einen wesentlichen Aspekt königlich-kaiserlicher Herrschaft zu eröffnen. Die leicht nachvollziehbare Gliederung des umfangreichen Stoffes, die guten Zusammenfassungen am Ende der jeweiligen Kapitel, Diagramme und insgesamt 13 Karten erleichtern auch mit dieser Materie bislang wenig Vertrauten das Studium des Buches. Es ist zu wünschen, dass dieser Band zahlreiche Historiker für die Numismatik und die aus ihr gewonnen Erkenntnisse begeistern kann und dem Autor eine ebenso gelungene Fortsetzung für das 15. Jahrhundert gelingt.

Anmerkung:
1 Während für das Früh- und Hochmittelalter etwa mit den Arbeiten von Bernd Kluge, Deutsche Münzgeschichte von der späten Karolingerzeit bis zum Ende der Salier, Sigmaringen 1991, oder Norbert Kamp, Moneta regis. Königliche Münzstätten und königliche Münzpolitik in der Stauferzeit, Hannover 2006, entsprechende Studien vorliegen, müssen für die an das Interregnum anschließende Zeit überwiegend sich zumeist auf regionale Aspekte beschränkende Arbeiten herangezogen werden.