Titel
Re-Enacting the Past. Essays on the Evolution of Modern English Historiography


Autor(en)
Levine, Joseph M.
Reihe
Variorum Collected Studies 788)
Erschienen
Aldershot 2004: Ashgate
Anzahl Seiten
318 S.
Preis
£57,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Benedikt Stuchtey, Deutsches Historisches Institut London

Erneut ein Buch, das für einen prohibitiven Preis zum Teil bereits in den 1970er-Jahren erschienene Aufsätze lediglich wiederabdruckt! Das geschieht, ohne dass sich der Verlag die Mühe gemacht hätte, die Texte wenigstens drucktechnisch einander anzugleichen. Vielmehr bleiben sie einfach in ihrer ursprünglichen Form, wie sie in den Zeitschriften und Sammelbänden erschienen sind, bestehen – und zwar ohne klaren Bezug zueinander. Joseph Levine schreibt folgerichtig in seiner sehr knappen Einleitung: "I shall not claim too much consistency for them." Nun mag man sich über den Nutzen oder Nachteil eines solchen Unternehmens wundern, das auch dadurch nicht gewinnt, dass die Einleitung im Wesentlichen zu wiederholen scheint, was Levine in einem autobiografischen Essay schon vor Jahren an anderer Stelle geschrieben hat. Ärgerlich ist, dass er dabei lediglich um seine eigenen Veröffentlichungen kreist und die immense Literatur zu seinem Thema überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt. Eine substantielle Einleitung hätte aber dazu beitragen können, seine Ergebnisse im aktuellen Stand der Forschung zu verorten. So verlangt es viel Geduld, einen roten Faden zwischen den drei Kapiteln "History and the Classics", "History, Religion and Science" und "Collingwood and the Modern Idea of History" zu entdecken.

Den Schwerpunkt legt der Autor auf das 17. und 18. Jahrhundert und stellt in seinen biografisch angelegten Studien unter anderem Jonathan Swift und Sir Walter Ralegh, Gibbon und Vico, More und Machiavelli vor. Von den Ideenhistorikern und Theoretikern des 20. Jahrhunderts interessieren ihn vor allem Robin George Collingwood, Peter Novick und Quentin Skinner. Das alles diene, wie Levine schreibt, der Beantwortung seiner ihn leitenden Frage, wie und warum die moderne englische Historiografie ihre gegenwärtige Verfassung erlangt habe. Zu wenig, behauptet er, hätten sich praktizierende Historiker wie Philosophen mit geschichtstheoretischen Problemen auseinandergesetzt. Nur Collingwood bilde eine Ausnahme. Der in Oxford lehrende Gelehrte für "Metaphysical Philosophy" war in der Tat wahrscheinlich einer der anregendsten britischen Geschichtstheoretiker des vergangenen Jahrhunderts, über den noch in den späteren 1980er-Jahren eine neue Diskussion entbrannt war. Diese und die Bewertung Collingwoods sind freilich abgeschlossen, und so mutet es doch seltsam an, dass Levine noch einmal zu der Debatte seine Aufsätze aus jener Zeit herausgibt: und zwar unter dem programmatischen Titel „Re-enacting the Past“, der Collingwoods Lehrüberzeugung geschuldet ist. "Re-enactment" nannte dieser seine Idee vom denkerischen Nachvollzug der historischen Erfahrung, mit der er eine systematische Theorie historischer Erkenntnis begründen wollte. Stark beeinflusst von Vico, Croce und Dilthey und seinerseits auf Gadamer wirkend, hat Collingwood damit deutlicher als englische Geschichtstheoretiker vor ihm wie zum Beispiel Lord Acton darauf wirken wollen, in welche Richtung zwischen Positivismus, Whig-Historiografie, Materialismus und anderen Modellen die englische Geschichtswissenschaft sich bewege. In den 1930er-Jahren geschrieben, aber erst posthum 1946 veröffentlicht, kann Collingwoods bekanntester Titel „The Idea of History“ insofern zu Recht als der Versuch betrachtet werden, die Geschichte als Wissenschaft zu etablieren.

Dass Levine einen Aufsatz mit dem gleichen Titel in diesem Band wiederabdruckt, muss vermutlich als persönliche Notiz interpretiert werden. Der Verehrer Collingwoods will da angekommen sein, wo sein großes Vorbild wegen seines unerwartet frühen Todes endete - in der versöhnlichen, gleichwohl der Wissenschaft Priorität gebenden Geste, der Geschichte gleichermaßen literarische und wissenschaftliche Qualitäten beizumessen. Levine hat dafür bei den Großen des 18. Jahrhunderts nachgeblättert. Denn Swift hatte den Streit zwischen Ancients und Moderns in „The Battle of the Books“ ebenso thematisiert wie Gibbons „Decline and Fall of the Roman Empire“ methodisch davon beeinflusst wurde, indem es einen Kompromiss zwischen klassischer Rhetorik und moderner Gelehrsamkeit einschlug. Doch nicht zuletzt weil der amerikanische Historiker Levine in seiner Betrachtung der Entwicklung der englischen Historiografie allzu insular bleibt und die kontinentaleuropäischen Einflüsse auf Großbritannien im 19. Jahrhundert ganz außer Acht lässt, hat dieser Band gesammelter Aufsätze nur geringen historiografiegeschichtlichen Wert.

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