M. T. Fattori: Clemente VIII e il sacro collegio 1592-1605

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Titel
Clemente VIII e il sacro collegio 1592-1605. Meccanismi istituzionali ed accentramento di governo


Autor(en)
Fattori, Maria T.
Erschienen
Stuttgart 2004: Anton Hiersemann
Anzahl Seiten
407 S.
Preis
€ 128,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Arne Karsten, Kunstgeschichtliches Seminar, Humboldt-Universität Berlin

Nach dem Feuerwerk an Publikationen, das in den vergangenen Jahren die politischen und diplomatischen Verhältnisse unter Paul V. Borghese (1605-1621) erhellt hat, liegt mit dieser Studie nun eine gründliche Arbeit zum Pontifikat Clemens’ VIII. Aldobrandini (1592-1605) vor. Es handelt sich zwar nicht im wörtlichen Sinne um den Vorgängerpapst, doch die nur vierwöchige Herrschaft Leos XI. de’ Medici im April 1605 hinterließ aus naheliegenden Gründen keine tiefen Spuren.

Maria Teresa Fattori geht es in ihrem Buch nicht um eine Überblicksdarstellung zum Aldobrandini-Pontifikat. Ihre erkenntnisleitende Fragestellung richtet sich vielmehr auf das Verhältnis zwischen Papst, dessen Familie und dem Kardinalskollegium, und das heißt, konkret gesprochen, auf die zentrale Frage, wer denn die Politik in Rom bestimmte – der Pontifex oder der „Senatus divinus“.

Dass der Kampf zwischen dem autokratischen geistlichen Monarchen und dem traditionsreichen Gremium der Kardinäle zugunsten des ersteren ausging (und um 1600 bereits seit längerem entschieden war) ist an sich nichts Neues. Dennoch wartet die Studie mit einer Reihe interessanter Erkenntnisse und Beobachtungen auf. Aufschlussreich sind die Ergebnisse Fattoris etwa im Hinblick auf den schleichenden Bedeutungsverlust des Konsistoriums, also der Versammlung aller in Rom anwesenden Kardinäle, gegenüber den Kongregationen. Ein zentraler Prozess, den die Autorin in einigen Fällen mit akribischer Genauigkeit nachzeichnet. Bemerkenswert sind die dabei zutage tretenden Mechanismen im Übrigen nicht nur hinsichtlich der politischen Entwicklung des Papsttums in der Frühen Neuzeit: Die Art und Weise, in der es Clemens VIII. verstand, an Stelle der traditionsreichen Großkörperschaft des Konsistoriums die effizienteren, weil kleineren Kongregationen mit den maßgeblichen (Vor-)Entscheidungen zu betrauen, lässt unübersehbar Parallelen zu modernen demokratischen Systemen erkennen, in denen die offizielle „Volksvertretung“ abnickt, was zuvor in kleinen, gut informierten Arbeitsgruppen und -ausschüssen beraten und beschlossen worden war.

Eine weitere Stärke des Buches liegt in der geschärften Sicht auf die vielfältigen Kompetenzen der Inquisitionskongregation. Dass es sich bei diesem Ausschuss um eine der zentralen Institutionen im Rom der katholischen Reformära handelte, ist an sich ebenfalls gewiss nichts Neues, doch erweitert die Autorin auch auf diesem Gebiet die Kenntnisse der konkreten Arbeitsweise der „Inquisition“ erheblich.

Schließlich und vor allem gelingt es Fattori, die Machtverteilungskämpfe hinter den Kulissen differenziert nachzuzeichnen, etwa zwischen den beiden geistlichen Nepoten Clemens’ VIII., den Kardinälen Cinzio und Pietro Aldobrandini. Die Art und Weise, in der es dem umtriebigen Pietro Aldobrandini gelang, seinen nicht weniger ehrgeizigen, aber entschieden weniger begabten – oder auch: intriganten – Cousin kalt zu stellen, liest sich geradezu spannend und ist zudem einmal mehr von allgemeinem Interesse: Ausgangspunkt für den Erfolg Pietros ist die Gunst des Souveräns, in diesem Fall des Papstes, der ihm weit öfter und wohlwollender Gehör schenkte als Cinzio – mit der Folge, dass dieser in wachsendem Maße von den Informationen und Ressourcen des Hofes ausgeschlossen wird. Pietro Aldobrandini weiß immer den entscheidenden Moment im Voraus, wann z.B. eine ertragreiche Pfründe vakant wird, um sie unverzüglich seinen Klienten zu sichern. Auf diese Weise wächst seine Anhängerschaft und damit seine Macht, wie umgekehrt diejenige des Konkurrenten abnimmt: ein Teufelskreis. Wie im Allgemeinen galt auch in diesem Fall: „Per avere seguito nella corta, bisognava promuovere le proprie clientele negli uffici curiali e allargare la cerchia dei propri protetti.“ (S. 309)

Nach dem Tod des päpstlichen Onkels musste freilich der eben noch allmächtige Kardinalnepot die extreme Labilität des römischen Sozialsystems am eigenen Leibe erfahren, also konkret die Undankbarkeit seiner Freunde und Kreaturen (von der Autorin anschaulich beschrieben, S. 225). Diese Labilität war strukturell bedingt: Einerseits durch die Verfassung des Kirchenstaates als päpstlicher Wahlmonarchie, andererseits durch die vielfältige politische Einflussnahme von Außen seitens der diplomatischen Vertreter der katholischen Staaten Europas. Klienteläre Mehrfachbindungen erwiesen sich unter diesen Umständen als schlechterdings lebenswichtig, und die Bindungskraft der einzelnen Beziehungen litt natürlich darunter. Auch umgekehrt verursachte die Einbindung des Papsttums in die große europäische Politik eine Neigung zu abrupten Kurswechseln, mit häufig weit reichenden Konsequenzen für die Klienten eines padrone, wie die Autorin am Beispiel des Jesuitenkardinals Roberto Bellarmin eindrucksvoll vorführt: Lange Jahre gehörte er zu den engsten Ratgebern am Hofe Clemens’ VIII., um aus politischen Gründen 1602 auf den Bischofssitz Capua abgeschoben zu werden.

Die Stärke des Buches liegt weniger in grundsätzlich neuen Erkenntnissen oder der Entwicklung innovativer Deutungsmodelle als vielmehr in der umfassenden Zusammenschau älterer Studien und der Anwendung ihrer Erkenntnisse auf den Aldobrandini-Pontifikat, ergänzt um eine beachtliche Menge bisher unpublizierten Quellenmaterials. Mitunter wäre weniger vielleicht mehr gewesen, eine Straffung des Stoffes der Argumentationsstringenz und damit der Lesbarkeit zugute gekommen. Schwerwiegender wirkt sich freilich der Verzicht auf eine klare Herausarbeitung der spezifischen Eigentümlichkeiten päpstlicher Herrschaftsorganisation unter Clemens VIII. aus – ein Vergleich mit dem so überaus detailliert erforschten Borghese-Pontifikat hätte sich doch eigentlich angeboten. Die Benutzung des Literaturverzeichnisses, Bemerkung am Rande, wird nicht wenig dadurch erschwert, dass bei Sammelbänden häufig die Herausgeber nicht genannt werden. Dessen ungeachtet liegt mit der Arbeit Fattoris eine Studie vor, die einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung des frühneuzeitlichen Papsttums leistet.

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