H. Wixforth: "unserer lieben ältesten Tochter". 150 Jahre Bremer Bank

Cover
Titel
"unserer lieben ältesten Tochter". 150 Jahre Bremer Bank. Eine Finanz- und Wirtschaftsgeschichte der Hansestadt Bremen


Autor(en)
Wixforth, Harald
Reihe
Publikationen der Eugen-Gutmann-Gesellschaft 3
Erschienen
Dresden 2006: Hauschild Verlag
Anzahl Seiten
412 S.
Preis
€ 34,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Detlef Krause, Commerzbank AG, ZKK-Historische Dokumentation, Frankfurt am Main

Die Zielsetzung dieser Festschrift ist ambitioniert. Die Studie will nicht nur „die Geschichte einer wichtigen Regionalbank und Großbankniederlassung Norddeutschlands“ nachzeichnen, sondern auch eine „Gesamtsicht des Finanzplatzes und Wirtschaftsstandorts Bremen während der letzten 150 Jahre“ präsentieren. Zugleich will der Autor den Spagat wagen, sowohl den „wissenschaftlichen Ansprüchen der modernen Bankengeschichte“ genüge zu leisten als auch ein breites Publikum anzusprechen (S. 8).

Harald Wixforth skizziert zunächst die politische und wirtschaftliche Entwicklung Bremens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Bank- und Finanzwesen in Bremen war in diesem Zeitraum – ähnlich wie in anderen deutschen Städten und Regionen – noch unterentwickelt. Besondere Eigentümlichkeiten sind allerdings, dass Bremen am Goldstandard festhielt und dass es in der Hansestadt, anders als in Hamburg, kaum Privatbankiers gab. Obwohl Bremen eine „verspätete Industrialisierung“ erlebte, stieg aber auch hier der Finanzbedarf von Handel und Gewerbe sowie für notwendige Infrastrukturmaßnahmen, sodass in den 1850er-Jahren eine Diskussion um eine „Bremer Bank“ mit Notenausgaberecht aufkam.

Der Durchbruch erfolgte jedoch erst durch einen Anstoß von außerhalb, als die Braunschweigische Bank einen Antrag auf eine Filialgründung in Bremen stellte. Nun ging es relativ schnell, weil die heimische Kaufmannschaft ein Bremer Institut befürwortete. Anfang 1856 passierte der Kommissionsentwurf schließlich die zuständigen Gremien Senat und Bürgerschaft.

Die Bremer Bank war ein Institut, das vornehmlich den kaufmännischen Interessen der bremischen Honoratiorenschaft dienen sollte. Die geschäftlichen Schwerpunkte der Bank lagen auf dem Wechseldiskont und der Notenausgabe; zudem wurde sie rasch zum natürlichen Emissionsinstitut des Senats und anderer öffentlicher Körperschaften, zunächst weniger für Privatunternehmen. Infolge der Ausbreitung der Reichsbank ging allerdings die Blütezeit der regionalen Notenbanken ihrem Ende entgegen. Die Bremer Bank zog aus der sinkenden Rentabilität 1888 die Konsequenz, auf die Ausgabe von Banknoten zu verzichten. Stattdessen wurde das Aktienkapital auf 20 Millionen Mark erhöht, um neue Geschäftsfelder wie das Depositen-, Kontokorrent- und Kreditgeschäft, ebenso wie Konsortial- und Emissionsgeschäfte und die Außenhandelsfinanzierung zu forcieren. Die Bremer Bank wurde durch diesen Schritt zu einer „normalen“ Universalbank.

Bereits Anfang der 1890er-Jahren machte sich aber das strategische Dilemma vieler damaliger Regionalbanken bemerkbar. Sollte man sich auf eine Tätigkeit in der Provinz beschränken oder den Sprung an den führenden Finanzplatz Berlin, entweder aus eigener Kraft oder mit einem Partner, wagen? In dieser Situation traf 1890 ein Angebot der unter anderem nach Norddeutschland expandierenden Dresdner Bank ein, die allerdings noch durch eine zeitgleiche Übernahme in Hamburg beansprucht war, sodass sich die Angelegenheit verzögerte. Eine Filialexpansion als „eigener Weg“ erschien der Verwaltung der Bremer Bank zwar als wünschenswert, aber langwierige Entscheidungsprozesse und Diskussionen um Personalfragen legten die Fusion mit der Dresdner Bank nahe. Mit einem relativ geringen Kapital von 20 Millionen Mark dürfte es zudem der Bremer Bank an einer genügenden, kritischen Masse zur Expansion gefehlt haben.

Immerhin konnte die Bremer Bank bei dem Zusammenschluss im Jahr 1895 aus einer Position der relativen Stärke agieren. Ihr Name blieb erhalten als „Bremer Bank, Filiale der Dresdner Bank in Bremen“; sie konnte außerdem ein Bremer Lokalkomitee und die Zusicherung durchsetzen, Geschäfte „in voller Freiheit“ ausüben zu dürfen. Gleichwohl bestimmten Kontinuität und Expansion das operative Geschäft nach der Fusion von 1895. Die nun einsetzende „aggressivere“ Akquisition industrieller Großkunden führt Wixforth auf den Einfluss der Dresdner Bank unter Eugen Gutmann zurück. Nach dem Krisenjahr 1901 bemühte sich die Bremer Bank wieder um eine Ausdehnung des Kreditgeschäfts, übte jedoch eine gewisse Zurückhaltung bei Großkrediten aus. Bestehen blieb zudem eine erhebliche Abhängigkeit von der Finanzlage des Bremer Staates. Legte dieser kein überschüssiges Geld bei der Bremer Bank an, musste sie sich zu höheren Konditionen auf dem Kapitalmarkt refinanzieren.

Der wachsende öffentliche Geldbedarf in der Inflationszeit führte ab 1922 erstmals zu Konflikten zwischen der Bremer Bank und dem Senat; in der Folge wurde der Sektor der öffentlichen Kreditwirtschaft in Bremen ausgebaut. Im Zuge der vermeintlichen Geldausweitung errichteten weitere Großbanken neue Filialen in Bremen, etwa die Nationalbank für Deutschland und die Bank für Handel und Industrie durch Übernahmen bestehender Bankhäuser sowie ferner – so wäre zu ergänzen – die Commerzbank mit einer eigenen Filiale. Ein gewisser hanseatischer Eigensinn führte dazu, dass trotz der bestehenden Bremer Bank mit der J.-F.-Schröder-Bank 1920 ein neues, lokal verwurzeltes Institut entstand, das von der Berliner Finanzwelt unabhängig und eng mit dem Bremer Senat verbunden war. Darüber hinaus wirkte sich die Konkurrenz durch die Sparkassen immer deutlicher aus.

Nüchtern stellt Wixforth fest, dass die Entwicklungslinien in der Bremer Kreditwirtschaft keinen Sonderfall darstellten. Im Laufe der zwanziger Jahre trat eine gewisse Entspannung ein, indem sich die Kreditinstitute durch Kosteneinsparungen – eine auch heute übliche Krisenbewältigungsstrategie – konsolidieren konnten. Diese Erholungsphase endete abrupt mit dem Zusammenbruch des Bremer Nordwolle-Konzerns, der den Beginn der Bankenkrise von 1931 markierte. Die Bremer Bank war von dem Konkurs ursprünglich nur am Rande betroffen, musste aber in die praktisch wertlosen Forderungen der Bremer Stadtkasse gegenüber dem Textilunternehmen eintreten. Nach den Plänen der Bremer Bank bzw. ihres Direktors Robert Stuck konnte immerhin ein Neuanfang aus Teilen des Nordwolle-Konzerns gewagt werden. Die entscheidenden Würfel in der Bankenkrise fielen jedoch woanders. Nach der Fusion zwischen Danat-Bank und Dresdner Bank wurde die bremische Filiale der Danat-Bank 1932 auf die Bremer Bank übertragen.

Ein besonderes Interesse weckt der Abschnitt über die Zeit des Nationalsozialismus, da diese Phase von der bankhistorischen Forschung jüngst intensiv erforscht wurde, nicht zuletzt auch durch ein Projekt der Dresdner Bank, an dem Harald Wixforth entscheidend beteiligt war. Kenntnisreich fasst er die Veränderungen der Rahmenbedingungen zusammen, die sich für die Kreditwirtschaft durch Devisen- und Importbeschränkungen, Autarkiebestrebungen und Vierjahresplan ergaben. Vor allem Banken in der Außenhandelsfinanzierung hatten Gewinneinbußen zu verzeichnen, die durch die Rüstungskonjunktur erst allmählich kompensiert wurden. Infolge der Sparförderung stiegen die Einlagen an, während das Aktivgeschäft nicht in gleichem Maße ausgebaut werden konnte. Zwangsläufig nahm mangels Alternativen der Bestand an Schatzwechseln und Schatzanweisungen des Reichs und der Länder zu, wodurch die Banken immer mehr in die Finanzierung der öffentlichen Hand verstrickt wurden. Zugleich wuchs die Bereitschaft zur Mitwirkung an so genannten „Arisierungen“. Wixforth geht davon aus, dass die Bremer Bank die einschlägigen Richtlinien der Dresdner Bank befolgte; eine eindeutige Mitwirkung der Bremer Bank an „Arisierungen“ konnte er in den Quellen jedoch nicht feststellen. Versuche der „Arisierungs“-Vermittlung missglückten eher. Im Unterschied zur Muttergesellschaft Dresdner Bank habe die Bremer Tochter, so Wixforth, eine geringere Nähe zum NS-Regime gesucht und sich ihre „alte Identität“ teilweise erhalten können. Die Gründe mögen in der Person des Direktors Stuck zu suchen sein, sicher aber auch in den mangelnden Expansionschancen der Bremer Bank in die vom Deutschen Reich besetzten Gebiete. Nicht zu verkennen ist jedoch anhand eines Fotos, dass sich 1934 offenbar eine zahlenmäßig recht starke NS-Betriebsgruppe der Bremer Bank gebildet hatte; eine kommentierende Erläuterung unterbleibt allerdings.

Das letzte Kapitel zur Bremer Bank in der Bundesrepublik wurde unter Mitwirkung von Friedrich Wilhelm Bracht aus der Geschäftsführung der Bremer Bank verfasst. Wie anderswo entwickelte der Wiederaufbau eine hohe Dynamik, sodass sich den Banken neue Wachstums- und Verdienstmöglichkeiten eröffneten. Gleichwohl traten auch in den „Wirtschaftswunderjahren“ Problemfälle wie etwa 1961 mit der Borgward-Gruppe auf, bei der die Bremer Bank eine der Hausbanken war. Spätestens in den 1970er-Jahren wurden die Strukturschwächen der Bremer Wirtschaft mit ihrer Konzentration auf „Problembranchen“ wie Werften, Stahl- und Luftfahrtindustrie und Fischwirtschaft virulent. Der Bremer Hafen sah sich zudem einer starken Konkurrenz von Hamburg und Rotterdam ausgesetzt.

In der Phase der Dezentralisierung der Großbanken wurde die Bremer Bank eines der elf Nachfolgeinstitute der Dresdner Bank. Auch nach dem 1957 erfolgten Zusammenschluss der Nachfolger sollte der Name Bremer Bank zumindest im Bremer Stadtgebiet weiter existieren. Diese an sich verblüffende Fortführung der Eigenständigkeit in Zeiten einheitlicher Markenbildung, die bislang auch die Eingliederung der Dresdner Bank in den Allianz-Konzern überdauerte, wird am Ende des Buches nochmals aufgeworfen. Zwar gab es wohl mehrfach Versuche, „alte Zöpfe“ abzuschneiden, aber offenbar ist die Identität der Bremer Bank bei Kunden und Nichtkunden so tief verankert, dass die Marketingstrategen keine Änderung wagten.

Für diese Veröffentlichung konnte sich Wixforth auf den Bestand „Bremer Bank“ im Historischen Archiv der Dresdner Bank stützen; ergänzende Recherchen in öffentlichen Archiven kamen hinzu. Die Publikation bildet eine gelungene Verflechtung der Entwicklung der Bremer Bank mit der bremischen wie auch der deutschen Banken- und Wirtschaftsgeschichte.

In Aufmachung und Stil wendet sich das Buch vornehmlich an ein breiteres Publikum, weniger an einen engeren Kreis von Fachhistorikern. Dessen ungeachtet greift Wixforth in souveräner Weise Fragestellungen und Ergebnisse der jüngeren unternehmens- und bankhistorischen Forschung auf, ohne allzu sehr akademische und methodische Überlegungen expressis verbis auszubreiten. Eine Nebenfolge ist sicherlich eine flüssige Lesbarkeit des Textes.

Kritisch anzumerken bleibt allenfalls, dass die Binnenverhältnisse der Bank, das Personal- und Sozialwesen, ebenso wie die Außenhandelsfinanzierung etwas zu kurz kommen. Auch ein intensiverer Vergleich mit dem Bank- und Finanzplatz Hamburg hätte den ein oder anderen Aspekt noch deutlicher hervortreten lassen können. Dennoch muss betont werden, dass es sich insgesamt um eine sehr anspruchsvolle Festschrift handelt, die die Bedeutung des Regionalbankwesens unterstreicht. Es gab und gibt in Deutschland eben nicht nur Berlin bzw. heute Frankfurt als führende Finanzzentren, sondern auch ein differenziertes und lebendiges Kreditwesen in der Region. Diese Erkenntnis wurde von einer Forschungsliteratur, die die Perspektive auf die Konzentration in der Bankwirtschaft gerichtet hatte, lange Zeit übersehen.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension