K. Hartewig: Mauxion, Rotstern und Stollwerck

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Titel
Mauxion, Rotstern und Stollwerck. Die bewegte Geschichte der Schokoladenfabrik in Saalfeld


Autor(en)
Hartewig, Karin
Erschienen
Anzahl Seiten
258 S.
Preis
€ 29,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
André Steiner, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam

Die im Titel des vorliegenden Buches benannten Schokoladenmarken waren in bestimmten Abschnitten deutscher Geschichte allgemein bekannt: „Mauxion“ in der Zwischenkriegszeit, „Rotstern“ in der DDR und „Stollwerck“ in der Bundesrepublik. Die beiden ersten Marken kamen aus der 1855 in Berlin als Konditoreimanufaktur gegründeten und seit 1901 als Schokoladenfabrik in Saalfeld tätigen Unternehmen, das 1948 in einen Volkseigenen Betrieb umgewandelt, schließlich 1990/91 durch die Kölner Stollwerck AG von der Treuhandanstalt übernommen wurde und dann seine Produkte auch unter diesem Markennamen vertrieb. In diesem Satz deutet sich schon die wechselvolle Geschichte dieses Unternehmens mit ihren verschiedenen Umgestaltungen an, die die Kulturhistorikerin Karin Hartewig in dem vorliegenden Band erzählt.

Nach einer Einleitung wird in fünf chronologischen Kapiteln die Entwicklung der Schokoladenfabrik in Saalfeld dargestellt. Das erste Kapitel widmet sich den Anfängen der Firma in Berlin, dem Umzug nach Saalfeld in Thüringen Anfang des 20. Jahrhunderts und wie Ernst Hüther am Ende des Ersten Weltkriegs zum Alleininhaber der „Chokoladenfabrik Mauxion mbH“ aufstieg und in den folgenden Jahrzehnten das Unternehmen prägte. In den beginnenden 1920er-Jahren stieg die Nachfrage nach Schokolade und damit deren Produktion in Deutschland stark an und auch Mauxion expandierte in Saalfeld. Die Zahl der Beschäftigten wuchs von 500 im Jahr 1920 auf 1.800 im Jahr 1925, die nun 300.000 Schokoladentafeln am Tag fertigten. Ausführlich geht Hartewig darauf ein, wie Hüther die Gestaltung – also Logo und Corporate Design – dafür nutzte, die Anziehungskraft seiner Marke auszubauen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren dabei die Verpackungen, aber auch Anzeigen, Plakate und Sammelbilder wurden genutzt. Außerdem geht Hartewig auf einzelne Kampagnen, wie den „Maux-Bub“, ausführlich ein. Da diese wie auch die weiteren Textpassagen reich bebildert sind, kann man sich ein eigenes Bild von diesen Instrumenten machen. Desweiteren wird der Vertrieb dargestellt, insbesondere als Direktvertrieb und Präsenz auf Messen. Es wird deutlich, dass das Unternehmen mehr als andere in die Werbung – gemessen als Anteil am Umsatz – investierte, was nach Hartewig unter anderem Qualitätsbewusstsein und ein Faible für ästhetische Fragen ebenso wie ein hohes Maß an Selbstvertrauen spiegelte (S. 53). Abschließend geht es in diesem Kapitel noch um die barocken Lebensumstände von Hüther in Saalfeld.

Das zweite Kapitel befasst sich mit den Jahren der NS-Herrschaft, in denen sich Hüther mit dem Regime arrangierte und immer auf den Vorteil für seine Firma achtete. Er setzte zunehmend auch auf öffentliche Aufträge für Schokoladengetränke, die dann garantiert abgenommen wurden. Damit konnte er neue Kundenkreise erschließen und ebenso den Grenzen der schon ab 1934 erfolgenden Kontigentierungen der Roh- und Ausgangsstoffe zumindest teilweise entkommen. Zwar wurde er erst 1937 Mitglied der NSDAP, aber er agierte als Saalfelder Ratsherr und als Unternehmer gleichwohl im Sinne des Regimes. Mit der kriegswichtigen Produktion von Nährmitteln, aber auch mit der Untervermietung von Teilen der Fabrikanlagen an Rüstungsproduzenten konnte er die Schließung des Unternehmens verhindern. Hüther bemühte sich auch um den Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in seiner Firma. Er erwirtschaftete nun wieder – anders als in der Weltwirtschaftskrise – ordentlichen Gewinn, was auch den Reichspreiskommissar auf den Plan rief, der Strafzahlungen wegen „überhöhter Preise“ verhängte. Hüther verstarb 1944 und seine Witwe und der älteste Sohn Werner übernahmen die Geschäftsführung.

Im dritten Kapitel werden die unmittelbaren Nachkriegsjahre beleuchtet, wobei der Prozess der entschädigungslosen Enteignung des Privatvermögens und des Unternehmens in der SBZ im Mittelpunkt steht, aus dem 1948 der VEB „Mauxion“ hervorging. Ausführlich und detailliert wird der Widerstand der Familie gegen die Enteignung und die entsprechenden Gegenschritte dargestellt, sodass dieser Prozess im Einzelnen nachvollzogen werden kann. Der älteste Sohn Hüthers war in den Westen geflohen und musste sich dort einem Entnazifizierungsverfahren stellen, in dem er als „Mitläufer“ eingestuft wurde. Insofern kann dieser Fall auch als ein Beispiel für die unterschiedliche Handhabung der Entnazifizierung in den verschiedenen Besatzungszonen gelten.

Das vierte Kapitel geht auf die „Neuanfänge“ nach 1948 ein und behandelt den Zeitraum bis 1989. Werner Hüther baute in Garmisch-Patenkirchen, wo die Familie bereits eine Konditorei und ein Erholungsheim besaß, eine neue Schokoladenfabrik auf. Nachdem die Kontingentierung von Kakao beendet wurde, waren die Rohstoffe zunehmend in besserer Qualität zu bekommen und „Mauxion“ konnte im „Wirtschaftswunder“ der 1950er-Jahre mit der aufbrandenden „Freßwelle“ kräftig expandieren. Aber mit den wachsenden Ansprüchen der Verbraucher wuchs auch die Konkurrenz, sodass Werner Hüther die Firma Ende der 1950er-Jahre an Trumpf in Aachen verkaufte. Der VEB Mauxion in Saalfeld sah sich alsbald in Folge eines Rechtsstreits mit den ehemaligen Eigentümern genötigt, den Markennamen abzulegen. Ab 1955 firmierte er als „VEB Rotstern“, was sich zu einer eigenen Marke entwickelte. Zur gleichen Zeit erlebte der Betrieb eine Umgestaltung im Sinne der Planwirtschaft und eine stetig wachsende Kontrolle durch die SED. Zudem hatte er länger als sein Pendant im Westen mit Rohstoffmangel zu kämpfen.

Erst in den 1960er-Jahren entspannte sich die Lage etwas, wenngleich bestimmte Zutaten, wie Marzipan, immer noch häufig fehlten. Inzwischen veralteten aber auch die Maschinen und es musste vielfach improvisiert werden. Trotzdem wurde der VEB Rotstern zu einem der führenden Schokoladenhersteller in der DDR und nach dem Zusammenschluss mit zwei weiteren Produzenten 1966 bzw. 1981 sogar zum ostdeutschen Monopolisten. Breiten Raum nimmt bei Hartewig die Darstellung zu den Produkten, aber auch zu deren Präsentation auf der Leipziger Messe ein. Dort hatte schließlich auch die Gestattungsproduktion der Stollwerck AG aus Köln in dem Saalfelder Betrieb ihren Ausgangspunkt. Diese hatte ihren Namen im Übrigen nicht deshalb, weil dem westdeutschen Unternehmen „gestattet“ wurde, seine Waren in der DDR herzustellen, wie Hartewig (vermutlich im Anschluss an verschiedene Internetquellen) meint (S. 174), sondern vielmehr wurde „der DDR die Herstellung und der Vertrieb von vertraglich vereinbarten Waren als Markenartikel und unter Verwendung der Originalverpackung in der DDR sowie im gesamten RGW-Bereich gestattet“ (SED-Politbürobeschluss vom 11.12.1973). Detailliert geht Hartewig auf die Schwierigkeiten bei der Etablierung dieser Produktion in Saalfeld ein. Im Ergebnis verfügte dieser Betrieb Ende der 1980er-Jahre über hochmoderne Fertigungsanlagen und entsprach damit auch nicht „dem Klischee eines heruntergewirtschafteten, maroden DDR-Betriebs“ (S. 210).

Schließlich geht es im fünften Kapitel um die erneute Umgestaltung und Privatisierung des Unternehmens, das nach einem vergeblichen ersten Anlauf von der Treuhandanstalt schließlich an die bereits bekannte Stollwerck AG aus Köln verkauft wurde. Die Alteigentümer der Familie erhoben noch einmal Einspruch und versuchten die Enteignung von 1948 rückgängig zu machen, was aber vergeblich blieb. Auch diese Prozesse werden ausführlich dargestellt und abschließend wird die weitere Entwicklung des Saalfelder Unternehmens bis in die 2000er-Jahre skizziert. Zusammenfassende Schlussbemerkungen runden den Band ab.

Hartewig schreibt, dass die Idee für dieses Buch aus den Recherchen für ein anderes Projekt resultierte, weil sie dabei in größerem Umfang auf substanzielles Material zu Mauxion gestoßen sei, das eine eigene Darstellung verdiene (S. 212). Jedoch scheint dieses Material an vielen Stellen nicht ausreichend getragen zu haben, denn oft schildert sie die Entwicklungen in dem Unternehmen anhand der allgemeinen historischen Literatur, sodass die unternehmensbezogenen Spezifika nicht so recht deutlich werden und die Darstellung zumindest für Kenner der Materie ermüdend wirkt. An vielen Stellen werden auch Sachverhalte ausführlich ausgebreitet, die nur am Rand etwas mit der Geschichte des betrachteten Unternehmens zu tun haben. Dichtere, tatsächlich das Unternehmen in den Blick nehmende Passagen sind insbesondere diejenigen zu den Eigentumsumgestaltungen, sodass der Band für die historische Transformationsforschung exemplarisches Material liefert.

Eine weitere Stärke der Darstellung liegt in den kulturellen Bezügen, insbesondere zu den Marken, der Werbung oder dem Design. Dagegen kommt das Wirtschaftliche – als der eigentliche Kern der Unternehmenstätigkeit – zu kurz und bleibt vielfach auch unscharf.

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