M. Groten u.a. (Hrsg.): Nordrheinisches Klosterbuch, Teil 3

Cover
Titel
Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815, Teil 3: Köln


Autor(en)
Groten, Manfred; Mölich, Georg; Muschiol, Gisela; Oepen, Joachim
Reihe
Studien zur Kölner Kirchengeschichte
Erschienen
Anzahl Seiten
763 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Arnd Reitemeier, Institut für Historische Landesforschung, Georg-August-Universität Göttingen

Köln ist anders als andere Städte in Deutschland – und der zu rezensierende Band belegt dies höchst eindrucksvoll: In einer Gemeinschaftsaktion haben 42 Autorinnen und Autoren ein Grundlagenwerk geschaffen, das zumindest in Deutschland seinesgleichen sucht: Nicht nur gab es keine Stadt im Reich mit mehr als 75 geistlichen Gemeinschaften, sondern es gibt auch kein Klosterbuch, das nur eine Stadt umfasst. Köln gehört zu den ältesten und politisch wie wirtschaftlich bedeutendsten Städten des Reichs im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, was allemal einer Publikation zur Kirchen- wie zur Stadtgeschichte rechtfertigt. Mit der Säkularisation kam es zu einem fundamentalen Wandel, dessen Folgen nun zu wesentlichen Teilen erschlossen werden. Das Werk bildet den dritten des auf fünf Bände angelegten Nordrheinischen Klosterbuchs.1 Zugleich reiht sich das Buch in eine lange Liste von Nachlagewerken zu den Stiften und Klöstern in Deutschland ein und folgt mit seinem Erfassungszeitraum bis 1815 dem ab 1992 publizierten Westfälischen Klosterbuch.2

Die geistlichen Einrichtungen sind einzeln in alphabetischer Reihe aufgeführt; jeder Eintrag folgt dem sechsteiligen Schema des Westfälischen Klosterbuchs: Kurzinformationen, Geschichte und Bedeutung, Bücher und archivalische Quellen, Bau- und Kunstdenkmäler sowie Angaben zur Ökonomie, Institutsvorstände, schließlich Literatur – das Gliederungsschema ist zum Ausklappen beigegeben. Anders als beispielsweise im opulenten Brandenburgischen Klosterbuch3 sind keine Abbildungen enthalten.

Den Kölner Band zu erarbeiten hat über ein Jahrzehnt gedauert, was mit der riesigen Bedeutung der Kölner Stifte und Klöster ebenso zu erklären ist wie mit der hervorragenden Überlieferungssituation bei gleichzeitig schwierigem Zugang in Folge des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs. Umfangreiche Quellen liegen zudem in den Kölner Pfarrarchiven, im Historischen Archiv des Erzbistums Köln sowie verstreut in diversen Archiven in Deutschland und Europa. Sehr zu loben ist die redaktionelle Mühe und der lange Atem der drei das Vorhaben tragenden Einrichtungen (Landschaftsverband Rheinland, Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn, Archiv des Erzbistums Köln).

Die untersuchten monastischen Einrichtungen sind für die Kölner Stadtgeschichte essentiell, auch weil zahlreiche Verflechtungen der Stifte und Klöster mit den Pfarrkirchen der Stadt erkennbar sind. Sodann ist Köln für die Kirchengeschichte von überragender Bedeutung, weil viele Orden in der Stadt ihre erste Niederlassung errichteten und von dort aus in das Reich expandierten (leider fehlt dem Band eine chronologische Liste). Diese Entwicklung begann früh im Mittelalter und setzte sich in der Frühen Neuzeit fort, wie beispielsweise die Beiträge über die Jesuiten oder die unbeschuhten Karmeliter zeigen. Hervorhebenswert sind die zahlreichen weiblichen Gemeinschaften, ihr Reichtum und ihre hohe Bedeutung. Gleichzeitig legt das Klosterbuch offen, dass auch in einer gut erforschten Stadt noch manche Konvente wie der der Kapuziner oder der Augustinerinnen („Zum kleinen Lämmchen“) noch eher wenig erforscht sind. Sodann wurden die vielen Beginenkonvente nicht in das Werk einbezogen, sondern nur diejenigen Konvente, die sich später einer Regel unterwarfen, so dass die tatsächliche Anzahl der Kölner Gemeinschaften noch einmal höher liegt.

Insgesamt handelt es sich um ein Grundlagenwerk, dessen riesige Mengen an Informationen und Daten nun der Auswertung harren. Nichts hiervon lässt sich kurzfristig umsetzen, weil beispielsweise die gut vierstellige Anzahl an Namen der Äbtissinnen und Äbte nur mit erheblichen Anstrengungen prosopographisch bewältigt werden kann, doch lässt bereits die erste Lektüre unmittelbar Netzwerke der Geistlichen und Adligen erkennen. Dies gilt auch für die ökonomischen Verflechtungen, denn die Kölner Einrichtungen besaßen Tausende von Häusern und Grundstücken in und besonders jenseits von Köln. Viele Lehrende der Kölner Universität hatten Pfründen der diversen monastischen Einrichtungen inne. Letztlich erlauben alle erfassten Angaben eine in die Tiefe gehende und vergleichende Untersuchung – dies gilt für Wallfahrten ebenso wie für die Reliquienschätze oder für die Immunitäten und inkorporierten Pfarreien, so dass sich ein riesiges Spektrum nicht nur religions-, sondern auch kultur-, wirtschafts- und sozialhistorischer Fragestellungen eröffnet.

Damit liegt ein höchst verdienstvolles Nachschlagewerk vor, das nicht nur entscheidend zur Geschichte der Stadt beiträgt, sondern auch bestens die Reihe der Klosterbücher wie die mehrbändige Geschichte des Erzbistums Köln ergänzt.4 Sein voller Wert erschließt sich aber (noch) nicht, denn das zwingend notwendige Register wird erst nach dem fünften Band des Nordrheinischen Klosterbuchs erarbeitet werden. Zudem ist nachvollziehbar, dass die Redaktion an der Erstellung eines gedruckten Werks festhält, doch die strenge und vielfach bewährte Systematik verlangt eigentlich nach einer Datenbank, die zumindest nach dem Abschluss der Reihe und vielleicht sogar an Stelle eines Registerbands erarbeitet werden sollte. Die nahezu unendliche Anzahl der Informationen und Namen muss erschlossen werden und die Angaben müssen verknüpfbar sein, denn es gilt beispielsweise zu untersuchen, welche Äbtissinnen oder Äbte zugleich Stifter waren, ob Grundstücke oder Häuser aus Gründen der Arrondierung für Schenkungen ausgewählt wurden, welche Übereinstimmungen oder Unterscheidungen es bei den Klosterbibliotheken gab etc. Manches lässt sich auch digital kartographisch erfassen. Zwar sind dem Band drei Karten beigegeben: der sogenannte Reinhardt-Plan von 1753, in dem die geistlichen Einrichtungen auf ihren Grundstücken eingetragen sind (allerdings ist der Plan so klein gedruckt, dass kaum etwas zu erkennen ist) und die beiden von Oepen entworfenen Übersichtskarten der Stifte, Klöster und Pfarreien in Köln bis 1802 und nach 1802 – doch ist der Stand der Technik heute ein anderer, wie beispielsweise die digital verfügbaren historischen Stadtkarten der Stadt Köln zeigen, in die sich durchaus die Besitzungen der Stifte und Klöster eintragen lassen.5

Schließlich darf erwähnt werden, dass das Ausgreifen auf Ergebnisse benachbarter Disziplinen wie der Bibliotheks- und Kunstgeschichte oder der Archäologie sehr helfen, aber auch nachteilig sein können: Zwar steht zu erwarten, dass beispielsweise die Angaben zu den Orgeln und Glocken in den Beiträgen vollständig sind, doch zu den „Kelchen, Monstranzen, Kreuzen, Reliquienschreinen, Kanzeln, Taufsteinen (…)“ (4.2.4.), zu den „kunstgeschichtlich bedeutenden Gemälden bzw. Wandmalereien“ (4.2.7.) und zu den „Inschriften“ (4.2.8.) arbeiten auch die Denkmalpflege, Arbeitsstellen der Akademien der Wissenschaften und weitere Einrichtungen, deren Ergebnisse häufig erst nach langen Zeiträume publiziert werden. Dasselbe gilt für Grabungsergebnisse der Archäologie. Es ist der Redaktion also nicht vorzuwerfen, dass sie am Schema des Westfälischen Klosterbuchs festhält, umso mehr als auf diese Weise zu anderen Räumen vergleichbare Angaben zusammengetragen wurden und in dieser Kompilation ein großer Wert liegt. Doch zwangsweise hat das jetzt vorgelegte und mit viel Mühe erarbeitete Kompendium Lücken, die vom Moment der Drucklegung an zu wachsen beginnen.6

Der vorgelegte Band ist also ein Meilenstein für die Kirchen- und für die Stadtgeschichte – für die Erforschung der Stifte und Klöster im Reich wie für die Stadt Köln und ihr großes Umland. Gleichzeitig lässt das in jeder Hinsicht verdienstvolle Werk die Desiderata der Forschung in hellem Licht hervortreten, so dass dem Buch eine breite Rezeption ebenso gewünscht wird wie zu hoffen ist, dass es den Startschuss für intensive Forschungen zu Geschichte der Kölner monastischen Einrichtungen bildet. Aber das „Kölner Klosterbuch“ regt auch zum methodischen Nachdenken an und stellt die Redaktion vor die Herausforderung, ob ein seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bewährtes Konzept samt einem 1986 geschaffenen Erfassungsschema strikt fortgeführt oder nicht besser digital neu gestartet werden kann.

Anmerkungen:
1 Manfred Groten (Hrsg.), Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815, Bd. 1: Aachen bis Düren, Siegburg 2009; ders. u.a. (Hrsg.), Nordrheinisches Klosterbuch. Lexikon der Stifte und Klöster bis 1815, Bd. 2: Düsseldorf bis Kleve, Siegburg 2012.
2 Karl Hengst (Hrsg.), Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, 3 Bde., Münster 1992–2003.
3 Heinz-Dieter Heimann / Klaus Neitmann / Winfried Schich (Hrsg.), Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, 2 Bde., Berlin 2007.
4 Wilhelm Neuß / Friedrich Wilhelm Oediger, Das Bistum Köln von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts (Geschichte des Erzbistums Köln 1), 3. Aufl., Köln 1991 (1. Aufl. 1964); Wilhelm Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter. 1191–1515. 2 Halbbände (Geschichte des Erzbistums Köln 2), Köln 1995/2003; Hansgeorg Molitor, Das Erzbistum Köln im Zeitalter der Glaubenskämpfe. 1515–1688 (Geschichte des Erzbistums Köln 3), Köln 2008; Eduard Hegel, Das Erzbistum Köln zwischen Barock und Aufklärung. Vom Pfälzischen Krieg bis zum Ende der französischen Zeit 1688–1814 (Geschichte des Erzbistums Köln 4), Köln 1979; ders, Das Erzbistum Köln. Zwischen der Restauration des 19. Jahrhunderts und der Restauration des 20. Jahrhunderts. 1815–1962 (Geschichte des Erzbistums Köln 5), Köln 1987.
5 <https://cpoint.stadt-koeln.de/mapapps/resources/apps/historische_stadtkarten/index.html?lang=de> (6.3.2023)
6 Vgl. Thorsten Albrecht, Das Klosterbuch und die Klosterforschung in Niedersachsen aus kunsthistorischer Sicht, in: Arnd Reitemeier (Hrsg.), Klosterlandschaft Niedersachsen, Bielefeld 2021, S. 115–140.

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