G. Schild (Hrsg.): The American Experience of War

Titel
The American Experience of War.


Autor(en)
Schild, Georg
Reihe
Krieg in der Geschichte 51
Erschienen
Paderborn 2010: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
316 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Haak, Max Weber Kolleg, Universität Erfurt

Krieg ist die Hölle. Diese Weisheit kommt wohl den meisten von uns schnell in den Sinn, wenn wir an (para-)militärisch organisiertes Töten und Sterben denken. Dabei ist die Welt des Krieges um so vieles facettenreicher als diese normativ überformte Charakterisierung erfassen kann, die laut „Nie wieder Krieg!“ zu schreien scheint. Aber haben die mannigfaltigen Erfahrungen des Krieges auch eine überindividuelle kulturelle Prägung? Der Sammelband von Georg Schild legt mit seinem Titel „The American Experience of War“ genau das nah. Während die einzelnen Autorinnen und Autoren in teilweise ausgezeichneten Beiträgen die Vielfalt der Kriegserfahrungen durchaus aufzuzeigen wissen, bleibt das Buch insgesamt bei der Antwort auf diese zentrale Frage, die es selbst stellt, allerdings vage.

Der Sammelband vereint insgesamt vierzehn Aufsätze teilweise namhafter europäischer und amerikanischer Historiker, die sich verschiedenster Aspekte nahezu aller bedeutenden Kriege mit amerikanischer Beteiligung seit der weißen Besiedlung Nordamerikas annehmen. Die meisten der Ausführungen gehen zurück auf eine Konferenz des Sonderforschungsbereiches 437 „Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit“ der Universität Tübingen, die 2007 stattfand. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste beschäftigt sich mit der Bedeutung von Kriegen für den Aufstieg der USA zur Weltmacht. Der zweite nimmt die Kriegserfahrungen von amerikanischen Soldaten und Zivilisten in verschiedenen militärischen Konflikten in den Fokus. Der dritte befasst sich mit der US-Interpretation von und -Erinnerung an Kriege.

Damit nimmt der Band von seiner Anlage her wichtige Tübinger Grundüberlegungen zum Konzept der Kriegserfahrungen auf. Krieg ist danach nicht auf Schießen und Beschossen-werden an der Front beschränkt, sondern auch als ein Sinnstiftungs- und Deutungsprozess zu verstehen, in den neben zeitgenössischen Soldaten auch Zivilisten und nachfolgende Generationen eingebunden waren und sind. Sie alle interpretieren und erinnern (vergangene) Kriege in Abhängigkeit von ihrer Position in der Geschichte, eignen sich das dort Erlebte an beziehungsweise richten ihr Handeln (teilweise) daran aus.1

Vor dieser Folie gibt beispielsweise Volker Depkat im Teil eins einen gelungenen Überblick über die große Rolle von Kriegen im 18. und 19. Jahrhundert für den politischen und ökonomischen Aufstieg der USA in diesen Jahren, bei dem er auch zeigt, wie wichtig die kulturelle Strahlkraft der Waffengänge für den Prozess des „nation building“ der jungen Republik war. Gleichzeitig gelingt es Depkat, auch die Kehrseite dieses von der Gewalt abhängigen Aufstiegs nicht aus den Augen zu verlieren. Folgt man seinen Überlegungen, schufen diese nämlich das Fundament für immer neue Kriege (S. 33-51).

Manfred Berg wiederum zeigt im zweiten Teil, dass die Erfahrungen von Krieg für die Emanzipation der Afroamerikaner von zentraler Bedeutung waren. Auch wenn nicht alle Konflikte im gleichen Maße für sie einen Zugewinn an staatsbürgerlichen Rechten bedeuteten, brachte doch gerade der amerikanische Bürgerkrieg wichtige Impulse für ihre Emanzipation. Wie schon Depkat schafft es auch Berg, seine eigenen Ausführungen immer genau an den richtigen Stellen zu relativieren und so zu verhindern, dass sein Aufsatz zu einer Meistererzählung der Emanzipation durch Gewalt wird. Der Korea-Krieg zum Beispiel, so Berg, habe für die Emanzipation der Afroamerikaner eben kaum etwas bewirkt – auch wenn das aufgrund der historischen Begleitumstände Anfang der 1950er-Jahre vielleicht zu erwarten gewesen sei (S. 133-154).

G. Kurt Piehler gelingt es im dritten Teil des Buches überzeugend darzulegen, wie sich die Kultur der Bestattung von Kriegstoten als eine Form der Erinnerung an amerikanische Kriege im Laufe der Zeit wandelte. Wo während des Unabhängigkeitskrieges und in den unmittelbar folgenden militärischen Konfrontationen kaum Wert auf dauerhafte, individuelle, identifizierbare Soldatengräber gelegt worden sei und auch Mahnmale für die einfachen Gefallenen selten gewesen seien, habe mit dem Bürgerkrieg ein gesellschaftliches Umdenken eingesetzt, bei dem die Ehrung der Gefallenen und ihrer sterblichen Überreste immer wichtiger wurde. Ein Umdenken, das, so schreibt Piehler, auch die Kultur des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg prägte. Mit seinen Ausführungen vermag er zu zeigen, wie sich aus der Art des Gedenkens (und des zeitweisen Nichtgedenkens) an die gefallenen Nord- und Südstaatler auch die schrittweise Versöhnung der nach dem Bürgerkrieg tief gespaltenen Nation fassen lässt (S. 217-234).

Diese drei Aufsätze aus den drei Buchteilen vermitteln nicht nur einen Einblick in die Themenvielfalt des Bandes. Sie werfen auch ein Schlaglicht auf die Charakteristika der meisten Beiträge. Sie alle nämlich bieten zuallererst (häufig sehr) gute, überblicksartige Einstiege in die Vielfalt des amerikanischen Kriegserlebens. Wirklich neue Forschungsergebnisse legen sie dagegen kaum dar.

Was Depkat über den Krieg als konstituierendes Element amerikanischer Geschichte im Nachgang der Staatsgründung schreibt, ist ebenso wenig bahnbrechend wie es die Ausführungen von Berg zur Emanzipation der Afroamerikaner durch Krieg oder Piehlers Sätze zum Wandel der Trauer- und Erinnerungskultur sind. Und auch wenn Georg Schild in seinem Aufsatz herausarbeitet, Abraham Lincoln sei es (zunächst) nicht in erster Linie darum gegangen, mit dem Krieg gegen den Süden die Sklaverei zu beenden (S. 53-68), oder wenn John Whiteclay Chambers II das große Spektrum der amerikanischen Wahrnehmungen des Zweiten Weltkrieges aufzeigt (S. 179-214), dann kann man sich nur schwer des Eindrucks erwehren, all das irgendwo schon mal so oder so ähnlich gelesen zu haben. Nicht immer in der Klarheit und Kürze, in der es hier präsentiert wird. Und vielleicht auch nicht in jeder der Nuancen, die hier ausgeleuchtet werden. Aber in den Grundgedanken irgendwie doch.2 Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass mehrere der Autoren ausdrücklich darauf verweisen, ihre Ausführungen seien Kurzfassungen ihrer bereits erschienener Studien.

Deshalb – und weil neben den Verweisen auf die eigenen Arbeiten auch zahlreiche Standardwerke zu den behandelten Themenkomplexen prominent in den Fußnoten auftauchen – eignet sich der Sammelband primär für jene, die einen Einstieg in die Geschichte des Krieges suchen. In der akademischen Lehre dürfte er sich beispielsweise als nützlich erweisen.

Dass der Sammelband dagegen kaum Akzente in der historischen Forschung setzen dürfte, liegt auch daran, dass das Konzept der Kriegserfahrungen im engeren Sinne in vielen Beiträgen nicht oder nicht konsequent umgesetzt wird. So lassen etwa die Ausführungen von Beth Bailey zur Konstruktion der „Anderen“ im amerikanischen Fernsehen während des Kalten Krieges (S. 263-274) oder von Horst Tonn zu amerikanischen Kriegsberichterstattern im Irak-Krieg von 2003 (S. 275-285) nur erahnen, was ihre (in sich schlüssigen) Analysen mit Kriegserfahrungen als Forschungsansatz im Tübinger Sinne zu tun haben.

Solches zwischen-den-Zeilen-lesen stößt allerdings an seine Grenzen, fragt man abschließend danach, was denn die amerikanischen Momente an all den Kriegserfahrungen sind, die hier gesammelt geschildert und analysiert werden. Auf diese Frage nämlich sucht man vergebens nach einer Antwort. Anders ausgedrückt: Warum der Band den Titel trägt, den er trägt – „The American Experience of War“ – bleibt schleierhaft; gerade weil die einzelnen Beiträge doch vom Facettenreichtum der amerikanischen Kriegserfahrungen zeugen.

Die Einleitung von Georg Schild beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den Forschungsstand zur Rolle des Krieges in der amerikanischen Geschichte anzureißen und die einzelnen Aufsätze zusammenzufassen (S. 9-18). Wie aber die Kriegserfahrungen an Elemente amerikanischer Denk- und Handlungsmuster gebunden sein sollen oder sein könnten, arbeitet er nicht heraus.

Das ist umso bedauerlicher, weil die einzelnen Texte allerhand Ansatzpunkte liefern, um (gegebenenfalls auch vergleichend oder transnational) über zumindest amerikanische Variationen einer global zu findenden Vielfalt von Kriegserfahrungen nachzudenken. Wenn beispielsweise Michael Wala sehr anschaulich das sich stetig verschlechternde Image der Deutschen schon weit vor dem Ersten Weltkrieg in der amerikanischen Öffentlichkeit beschreibt, obwohl die Deutschen doch eine so große Einwanderergruppe waren (S. 69-80), kann das dann nicht Anlass sein zu fragen, ob und wie sich die Kriegserfahrungen des selbsternannten Schmelztiegels USA von denen solcher Staaten unterscheiden, die sich nicht als ethnisch-diverses Gebilde sehen? Oder: Wenn Klaus Schwabe ausführlich die amerikanischen Kriegsbegründungen und -ziele sowie Nachkriegsentwürfe über weite Strecken der US-Geschichte untersucht (S. 81-104), bietet solch eine Analyse dann nicht das Potenzial zu fragen, ob bestimmte Vorstellungen vom Idealzustand der Welt an historisch-kulturelle Konstellationen gebunden sind, die womöglich nur im amerikanischen Kontext wirkmächtig waren und es vielleicht noch immer sind? Berührungspunkte zwischen den einzelnen Beiträgen gibt es viele; und damit die Möglichkeit nach amerikanischen Momenten in dieser Vielfalt zu suchen und diese zu verknüpfen.

An der Qualität der einzelnen Aufsätze ändert diese Kritik nichts. Und es bleibt der Verdienst von Georg Schild, sie alle auf so engem Raum versammelt zu haben. Als hervorragenden Einstieg in die Vielfalt und den Facettenreichtum der amerikanischen Erfahrungen des Krieges darf man das Buch getrost empfehlen.

Anmerkungen:
1 Zur Ausrichtung des Sonderforschungsbereichs 437 an der Universität Tübingen vgl. dessen Forschungsprogramm auf der projekteigenen Webseite: <http://www.uni-tuebingen.de/SFB437/T.htm> (25. August 2011).
2 Vgl. beispielhaft für Lincolns ambivalente Haltung zur Sklaverei: Stephen B. Oates, Abraham Lincoln. The Man Behind the Myths, New York, 1984; James M. McPherson, Abraham Lincoln, Oxford 2009. Für die Rolle des Krieges und des Soldat-seins für die Emanzipation der Afroamerikaner: Manfred Berg, Soldaten und Bürger. Zum Zusammenhang von Krieg und Wahlrecht in der amerikanischen Geschichte, in: Wolfgang Knöbl / Gunnar Schmidt (Hrsg.), Die Gegenwart des Krieges. Staatliche Gewalt in der Moderne, Frankfurt am Main 2000, S. 147-173; Jürgen Martschukat / Olaf Stieglitz, Geschichte der Männlichkeiten, Frankfurt am Main 2008. Für amerikanische Wahrnehmungen des Zweiten Weltkrieges: Michael C. C. Adams, The Best War Ever. America and World War II, Baltimore 1994; Kenneth D. Rose, Myth and the Greatest Generation, New York 2007.

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