Stellungnahme und Rundbrief Stadtarchiv Augsburg

Von
Kersting Lengger

Zu der bereits von anderer Seite mitgeteilten Schließung des Stadtarchivs Augsburg möchten wir Sie davon in Kenntnis setzen, dass wir aufgrund eines Schädlingsbefalls (Brotkäfer) an den reichsstädtischen Beständen leider gezwungen sind, diese umgehend einer Stickstoffbehandlung zur Abtötung der Käferlarven zuzuführen. Zur Durchführung dieser Maßnahmen muss das Archivgut in eine speziell adaptierte Halle ausgelagert werden und ist ab Januar 2010 für die Forschung nicht mehr zugänglich. Die Stickstoff-Behandlung wird 6-8 Wochen in Anspruch nehmen, umfangreiche Vor- und Nacharbeiten bei der Verlagerung des Materials sind dabei unumgänglich. Mit einer eingeschränkten Nutzung durch die Forschung kann daher frühestens ab Herbst 2010 gerechnet werden.

Da für das derzeitige Archivgebäude an der Fuggerstraße durch dessen Lage neben dem Stadtmarkt ein neuerlicher Schädlingsbefall nicht ausgeschlossen werden kann, werden die Archivalien nach der Behandlung nicht mehr in dieses Haus zurückgeführt, sondern verbleiben bis zum Neubau des Stadtarchivs – hierfür liegt ein Grundsatzbeschluss vor, mit einem Umzug des Archivs ist nach derzeitigem Informationsstand nicht vor dem Jahr 2013 zu rechnen – in dieser Außenstelle. Die übrigen jüngeren Archivbestände (ab 1806) sind von dieser Maßnahme derzeit nicht betroffen und können weiterhin zu den üblichen Öffnungszeiten in unserem Haus eingesehen werden.

Bisher wurden diejenigen Wissenschaftler, die uns durch ihre laufenden Forschungsvorhaben bereits bekannt sind (darunter auch Dr. Safley, auf dessen Schreiben Sie sich vermutlich beziehen), durch eine Bekanntmachung des Archivs über diese Situation bereits informiert. Wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie uns in unserem Anliegen unterstützen und einerseits einen breiteren Forscherkreis von der Unbenützbarkeit der reichsstädtischen Bestände in Kenntnis setzen, andererseits auch zu Stellungnahmen an die politisch Verantwortlichen aufrufen könnten.

Zur weiteren Verwendung finden Sie im Anhang unsere Erstinformationen für die Forschung sowie den Rundbrief, der an die uns bekannten Forscher zur reichsstädtischen Geschichte ausgesandt wurde.

------------------------
Rundbrief

Sehr geehrte(r) Frau/Herr *,

wie Sie vielleicht schon aus den Medien erfahren haben, sind die für Ihr Forschungsvorhaben einschlägigen reichsstädtischen Bestände von einem akuten Schädlingsbefall (Brotkäfer) betroffen.
Zur Eindämmung der Schäden, die seit Mitte dieses Jahres massiv zugenommen haben, wurden im Rahmen eines sofort umgesetzten Notfallprogramms zur Verzögerung der Lar-venentwicklung bereits erste wirkungsvolle Maßnahmen getroffen. Um die reichsstädtischen Dokumente endgültig vor weiteren Schäden v.a. durch den bis zu 4 Jahre nach der Eiablage möglichen Larvenbefall mit Lochfraß zu bewahren, ist es allerdings in einem zweiten Schritt unumgänglich, die Archivbestände auszulagern, um sie zunächst einer umfassenden und aufwändigen Stickstoffbehandlung zuzuführen.

Selbstverständlich ist nach Beendigung dieser Maßnahme eine Rückführung der behandelten Archivbestände in das belastete Gebäude in der Fuggerstraße – auch wegen Herkunft des Schädlings (Stadtmarkt) – nicht vorgesehen. Zur zwischenzeitlichen Lagerung der Do-kumente bis zur Errichtung eines neuen Archivgebäudes (nach derzeitigem Planungsstand voraussichtlich 2013) auf dem Gelände der ehemaligen Augsburger Kammgarn-Spinnerei

wird eine Halle direkt neben dem künftigen Archivstandort für diese Maßnahme technisch und klimatisch vorbereitet. Dafür liegt seit dem 22. 10. 2009 ein Stadtratsbeschluss vor.

Nach dem uns von der Bauverwaltung vorliegenden Zeitplan möchten wir Sie daher darauf aufmerksam machen, dass das Archivgut nur noch bis Ende Dezember 2009 ungehindert für Forschungszwecke vorgelegt werden kann.
Die zu Beginn des Jahres 2010 vorgesehene Stickstoffbehandlung und die darauf folgende Aufstellung der Bestände im neuen Ausweichquartier werden mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Wir sind bemüht, voraussichtlich ab Mitte nächsten Jahres das Archivgut in eingeschränk-ter Weise wieder zur Verfügung zu stellen. Über die genauen Termine werden wir Sie noch in Kenntnis setzen. Wir bitten Sie schon jetzt um Verständnis, dass wir gezwungen sind, mit den erläuterten unumgänglichen Maßnahmen der Sicherung und Erhaltung unseres wertvollen Archivguts oberste Priorität einzuräumen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Cramer-Fürtig
Archivdirektor

Zitation
Stellungnahme und Rundbrief Stadtarchiv Augsburg, In: H-Soz-Kult, 19.11.2009, <www.hsozkult.de/text/id/texte-1199>.
Redaktion
Veröffentlicht am
Weitere Informationen
Sprache