Almanach der Varnhagen Gesellschaft 1 Wenn die Geschichte um eine Ecke geht
"Bei raschem und gänzlichem Umschwung der Zeitläufte, wenn die Geschichte - nach einem bezeichnungsvollen Ausdruck - um eine Ecke gegangen ist, verschwindet leicht das Nächstvergangene nichtnur dem Blicke, sondern sogar der Erinnerung. Dies nehmen wir in allen Zeiten wahr, wo sich ein plötzlicher Wechsel geltend macht, dies haben wir selbst in unsern Tagen reichlich erlebt. Zu dem leichtsinnigen Vergessen kommt das absichtliche, indem ein großer Theil der Menschen, der ganze Troß der urtheils- und characterlosen Mittelsorte, die nur immer wie der Staub dem augenblicklichen Winde gehorcht, bei jeder neuen Richtung läugnen möchten, daß sie der früheren gefogt sind, und zu diesem Zweck alle Kunstgriffe der Täuschung aufbieten... Aber die Wahrheit übt ihr heiliges Recht, und das Dagewesene lebt nicht nur in unwidersprechlichen Thatsachen, sondern auch in redlichen Überlieferungen edler Zeugen fort, gegen deren Aussagen alle Künste der Vertuschung nicht aufkommen." (Varnhagen über Fanny Lewald: Erinnerungen aus dem Jahr 1848, National-Zeitung Jg. 3, Nr. 148 v. 31.3.1850)
Die Geschichte geht um eine Ecke - mit dieser Metapher umschrieb Rahel Varnhagen, die große Philosophin und Briefschreiberin des 19. Jahrhunderts, treffend und humorvoll ihre Wahrnehmung lebensgeschichtlicher Zäsuren durch Kriege, Krisen und Katastrophen. die Beiträge unseres Almanachs spiegel solche Umbrüche im Medium der Subjekte wider: Aldona Gustas hat Rahel Varnhagens Wetternotizen neu gelesen; es folgen Rahels Gedichte, Lyrik und Prosa von Gegenwartsautoren, illustriert von Oliver Jordan, Rainer Ehrt und Kornelia Löhrer. Varnhagens Briefwechsel mit seinem englischen Übersetzer Alexander Duff Gordon wird durch Terry H. Pickett und Nikolaus Gatter kommentiert. Eine Reportage vom Berliner Barrikadenkampf bieten die 1848er Aufzeichnungen von Rahels Nichte Ludmilla Assing. Zum Prozeß der deutsch-polnischen Aussöhnung äußert sich Andrzej Szyczypiorski (in einem der letzten zu Lebzeiten publizierten Beiträge); Caroila Stern schreibt über Zivilcourage. Die wissenschaftlichen Aufsätze befassen sich mit Rahel Varnhagens Lebenszeugnissen als Medien weiblicher Selbstdarstellung (Renate Kuhn), mit der Biographie der vergessenen Autorin Sophie Tieck (Carola Gerlach), mit dem Jahr 1848 in Westfalen (Klaus Goehrke) und im Rheinland, wo der preußische Polizeispitzel Wilhelm Stieber schon im Kommunistenprozeß eine unheilvolle Rolle spielte (Richard Albrecht). Dieter Kuhn untersucht die verfehlten, verkürzenden und verfälschenden Editionen, die das Historienwerk Eduard Vehses im 20. Jahrhundert erlebt hat; Nikolaus Gatter schildert die Entstehungsgeschichte der Autographensammlung von Karl August Varnhagen von Ense. Dokumentiert werden dabei die Testamente und Verfügungen, mit denen die aufeinanderfolgenden Erblasser die Bestände "der allgemeinen Benutzung möglichst überlassen" (Ludmilla Assing) wollten - bis der Handschriftenarchivar der Königlichen Bibliothek (heutigen Staatsbibliothek zu Berlin), Ludwig Stern, 1911 den Katalog mit rund 9000 Namen von Briefschreibern und -empfängern fertigstellte. Ein Rezensionsteil und ein Diskussionsbeitrag zur oft problematischen "germanistischen Kompetenz in Literaturgesellschaften" (Michael Vogt) beschließen den Band.
Der Almanach der Varnhagen Gesellschaft erscheint unregelmäßig zu wechselnden Schwerpunkten und enthält wissenschaftliche, literarische und künstlerische Beitraege, die sich vornehmlich, aber nicht ausschließlich auf den Themen- und Epochenhorizont der "Sammlung Varnhagen" beziehen. Themenvorschläge und Manuskripte sind willkommen (in zweifacher Ausfertigung unter Beifügung einer Diskette. Für Zusendungen ohne Rückporto wird keine Haftung übernommen.
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INHALT S. 5-6 Inhaltsverzeichnis
S. 7 Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
S. 8 Vorwort des Herausgebers
S. 9 Grußwort von Professor Dr. Jaime Vand´r Universität Barcelona Honorarkonsul des Staates Israel a. D.
I S. 11 Lindita Arapi Gründlich Grün
S. 12 Linda Arapi Vorstädter
S. 13-14 Ralf Thenior Regentage im Riesengebirge
S. 15 Wolfgang Bittner Kollektivschuld
S. 16 Peter Hirche Wer war’s?
S. 17 Peter Hirche Unser Bismarck!
S. 18 Ludwig Verbeek demokratie
S. 19-25 Heinrich Peuckmann Grabbe liest Hamlet
S. 25 Cesare Sighinolfi Porträtbüste Ludmilla Assings (1881) (Foto: Nikolaus Gatter)
S. 26-29 Christof Stählin Ein Bilderrätsel
S. 29 Kuperstich von Jakob Muller nach dem Gemälde von Bartholomäus Spranger Sine cerere et libero friget Venus
II S. 31-38 Andrzej Szczypiorski Rede zum Volkstrauertag am 16. November 1997 in Hagen
S. 39-42 Anne Dorn Meine Republiken
S. 42-43 Carola Stern Auf ein Wort: Zivilcourage
III S. 45-48 Rahel Varnhagen Gedichte Ausgesucht und zur Veröffentlichung vorbereitet von Irina Hundt
S. 49-65 Aldona Gustas: Rahel Varnhagens "Wetternotizen" Illustriert von Kornelia Löhrer
S. 66-71 Karl August Varnhagen von Ense "...auch die Urschrift kein geschlossenes Ganze" Briefwechsel mit seinem englischen Uebersetzer Eingeleitet von Nikolaus Gatter
S. 72 Karl August Varnhagen Brief an Alexander Duff Gordon, 18.3.1847 (Ausschnitt) Staatsbibliothek zu Berlin Bücher der "Bibliothek Varnhagen" (Foto: Nikolaus Gatter)
S. 73-75 Terry H. Pickett Zu Varnhagen von Enses Brief an Sir Alexander Duff Gordon
S. 77 Ludmilla Assing Fotographie "aus ihren späteren Jahren" (von Unbekannt, ca. 1861)
S. 78-103 Ludmilla Assing Die Märztage Berlins Aus dem Tagebuche einer deutschen Frau Aus Ungedrucktem ergänzt von Nikolaus Gatter mit sieben Fotographien von Kornelia Löhrer
IV S. 105-107 Florence Hervé / Usch Neumann Vor-Worte
S. 106 und 109 Oliver Jordan Rahel (zwei Porträtskizzen)
S. 110-160 Renate Neumann Nicht mehr lieblich schweigen oder: Weibliche Selbstdarstellung um 1800 am Beispiel der Briefe Rahel Varnhagens
S. 161 Oliver Jordan Rahel (Porträtskizze)
S. 162 Kornelia Löhrer Zu den Porträtskizzen von Oliver Jordan
S. 163-185 Carola Gerlach Sophie Tieck (1775-1833) Schriftstellerin der Romantik
S. 185 Karikatur: Versuch auf den Parnaß zu gelangen (Titelkupfer zu Garlieb Merkels "Ansichten der Literatur und Kunst unsres Zeitalters" I. Heft, 1803)
S. 186-193 Klaus Goehrke Zugluft im königstreuen Westfalen 150 Jahre Revolution von 1848/49
S. 194-196 Kornelia Löhrer Zu den Zeichnungen von Rainer Ehrt
S. 195 Rainer Ehrt "Meine Herren, den Hut ab...!" Zeichnung zu Varnhagens Tagebuch v. 19.3.1848
S. 197-207 Richard Albrecht Gegenspieler Der General und sein Schatten: Engels, Stieber & die preußische Reaktion 1851/52 Historischer Bericht zum ersten Kommunistenprozeß in Koeln
S. 208 Rainer Ehrt "Worauf sollen wir rechnen?" Zeichnung zu Varnhagens Tagebuch v. 12.11.1848)
S. 209-238 Dieter Kuhn Die Verfälscher Zu den Vehse-Ausgaben im 20. Jahrhundert
S. 239-260 Nikolaus Gatter "Sie ist vor allen die m e i n e..." Die Sammlung Varnhagen bis zu ihrer Katalogisierung
S. 261-271 Anhang: Die Sammlung Varnhagen in Testamenten und Verfügungen
V Rezensionen S. 273-276 Menora. Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte 1997 Juedischer Almanach des Leo Baeck Instituts 1998/5758 Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung 3/1998 Bemerkenswerte jüdische Frauen im Spiegel der Geschichte. Kalender 2000 (Nikolaus Gatter)
S. 277-279 Dieter Vetter: Das Judentum und seine Bibel. Gesammelte Aufsätze (Eva Feldheim)
S. 279 Karl August Böttiger: Literarische Zustände und Zeitgenossen. Begegnungen und Gespräche im klassischen Weimar. Hg. v. Klaus Gerlach und Rene Sternke (Nikolaus Gatter)
S. 280-281 Sigrid Damm: Christiane und Goethe. Eine Recherche (Eva Feldheim)
S. 281-283 Gerhard Danzer (Hg.): Frauen in der patriarchalischen Kultur (Nikolaus Gatter)
S. 283-285 Rahel Levin Varnhagen: Briefwechsel mit Pauline Wiesel. Hg. von Barbara Hahn unter Mitarbeit von Birgit Bosold (Carola Gerlach)
S. 285-287 Hartwig Schultz (Hg.): Salons der Romantik. Beiträge eines Wiepersdorfer Kolloquiums zu Theorie und Geschichte des Salons (Carola Gerlach)
S. 287-288 Achim von Arnim und Clemens Brentano: Freundschaftsbriefe. Vollständige kritische Edition von Hartwig Schultz. (Nikolaus Gatter)
S. 288-289 Dolf Oehler und Karin Hempel-Soos (Hg.): "Dichter unbekannt". Heine lesen heute (Christian Liedtke)
S. 289-290 Hartwig Schultz (Hg.): "Die echte Politik muß Erfinderin sein". Beiträge eines Wiepersdorfer Kolloquiums zu Bettina von Arnim. (Nikolaus Gatter)
S. 290-294 Andreas Feuchte: Hermann Franck (1802-1855). Persönlichkeit zwischen Philosophie, Politik und Kunst im Vormärz. (Dieter Kuhn)
S. 294-299 Hermann Franck: Wenn Du dies liest... Tagebuch für Hugo. Mit einer Einführung von Hartmut von Hentig hg. von Andreas Feuchte (Eva Feldheim)
S. 299-300 Fanny Lewald: Die Abenteuer des Prinzen Louis Ferdinand. Ein Zeitbild. Neu durchgesehen, mit Anmerkungen und einem Nachwort von Nikolaus Gatter (Carola Gerlach)
S. 300-301 1848 - Volksversammlungen In den Zelten - Kinderstube der Demokratie (Christian Liedtke)
S. 302-305 Michael Vogt: Germanistische Kompetenz in Literaturgesellschaften
Anhang S. 307-311 Eva Feldheim Varnhagen: ein Kolleg und eine Gesellschaft
S. 312 Oliver Jordan Rahel (Porträtskizze)
S. 313-315 Mitgliederverzeichnis
S. 316-318 Die Beiträgerinnen und Beiträger
S. 319 Quellen- und Abbildungsnachweise Ankündigungen