G. Wrightson: Combined Arms Warfare in Ancient Greece

Titel
Combined Arms Warfare in Ancient Greece. From Homer to Alexander the Great and His Successors


Autor(en)
Wrightson, Graham
Erschienen
London 2019: Routledge
Anzahl Seiten
248 S.
Preis
€ 34,84
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Imogen Herrad, Abteilung für Alte Geschichte / Bonn Center for Dependency and Slavery Studies, Universität Bonn

Gegenstand der Darstellung, die auf der Dissertation des Autors basiert, ist die Kriegsführung zu Land mit kombinierten Waffengattungen („combined arms warfare“), die Wrightson als “the effective integration of different unit types into one cohesive battle plan and army” (S. 13) definiert. Dabei könne sich jede Waffengattung zum Wohl des Gesamtheers ungestört auf ihre Stärken konzentrieren, ohne dass das Gesamtheer in seine Einzelbestandteile zerfalle: “Despite (or perhaps as a result of) the many styles of unit in the army, integrated warfare allows for harmonious action, and in doing so actually increases effectiveness.” (S. 13). Der theoretische Rahmen ist modern (S. 26)1, lässt sich aber durchaus auf die Antike anwenden. Der Untersuchungszeitraum umfasst “the beginnings of hoplite warfare in the seventh century” (S. 1) bis zur Schlacht bei Ipsos i.J. 301, die das endgültige Ende des Alexanderreiches markierte.

Aufgrund der Coronabeschränkungen war das Rezensionsexemplar nur als E-Buch verfügbar, das nicht als landläufiges PDF daherkam, sondern auf der Plattform „VitalSource Bookshelf“. Der E-Reader verfügt über die üblichen nützlichen Funktionen (man kann Lesezeichen und Anmerkungen setzen, Textpassagen farblich unterlegen und sie bequem vermittels Copy-and-Paste in ein Wortverarbeitungsprogramm kopieren), macht allerdings das Navigieren im Buch nicht ganz einfach. Die elektronische Vorlesefunktion ist von begrenzter Nützlichkeit. Der mechanische Vorleser ist in althistorischen Dingen nicht bewanderter als seine kostenfreien Entsprechungen bei Adobe Acrobat oder Microsoft Edge. Dazu zählt nicht nur die aussprachliche Verstümmelung antiker Eigennamen (so spricht er beispielsweise „Thebes“ wie „the bees“ aus; von „Thucydides“ wollen wir gar nicht reden), sondern auch das kreative Vorlesen von Quellenstellen (aus An. 3.3.16 wird "An., third of March two thousand and sixteen"). Ein akademischer Verlag wie Routledge könnte hier nachbessern.

In zwei Einleitungen (Introduction part 1: the purpose and methodology of the study, S. 1–12; Introduction part 2: the theory of combined arms, S. 13-29) bietet Graham Wrightson einen Überblick seiner Methodologie und Theorie sowie der zu untersuchenden Waffengattungen.

Die Arbeit ist in drei Abschnitte gegliedert (Section 1: The hoplite revolution in Greece, S. 31–100; Section 2: The implementation of combined arms in Greek warfare, S. 101–158; Section 3: Macedon and integrated warfare, S. 159–551), von denen jeder aus ebenfalls drei Kapiteln besteht. Das Inhaltsverzeichnis listet mit geradezu deutscher Detailliertheit nicht nur die Abschnitte und Kapitel, sondern auch die zahlreichen Unterkapitel auf und ermöglicht es so, gezielt auf einzelne Segmente zuzugreifen. Auch die wiederkehrenden Strukturelemente der einzelnen Kapitel und Unterkapitel machen es einfach, sich im Text zurechtzufinden. Am Anfang steht jeweils ein kurzer Überblick über die Quellen („Sources“), dann werden sukzessive die einzelnen Waffengattungen betrachtet und bestimmte Schlachten oder Kriegszüge als zum Teil sehr detaillierte Fallstudien herangezogen. Jedes Unterkapitel wird von einer Zusammenfassung abgeschlossen, in der sich – aus dem spezifischen thematischen Blickwinkel der Untersuchung betrachtet („Combined arms conclusions“) – die wichtigsten Inhalte und Schlussfolgerungen wiederfinden. Es folgen eine Literaturliste sowie zwei Indices (ein allgemeiner und sowie ein Verzeichnis der behandelten Schlachten).

Die Arbeit untersucht die Entwicklung und schrittweise Einbindung unterschiedlicher Waffengattungen in griechischen Armeen, unabhängig davon, ob die jeweiligen Neuerungen selbst erdacht oder von Gegnern oder Verbündeten übernommen bzw. weiterentwickelt wurden (S. 26). Dabei will Wrightson auch die Frage beantworten, „why [Greek] warfare remained so static for so long and to see how this affected the development of Greek history and culture.” (S. 216). Die These von der Jahrhunderte dauernden Vorherrschaft des Hopliten (von der Archaik bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges) (S. 8) bespricht Wrightson dabei nicht2; obwohl im Allgemeinen seine Bezugnahme auf und Auseinandersetzung mit der Literatur durchaus eine der Stärken der Arbeit sind. Dies gilt allerdings vor allem in Bezug auf taktische und praktische Fragen: Wrightson will möglichst genau der Frage nachgehen, was auf griechischen Schlachtfeldern geschehen ist. Innerhalb dieser engen Fragestellung (“[M]y focus is limited to the application of tactics in battle as the simplest way of assessing the level and importance of combined arms in ancient warfare.” S. 7) hält die Arbeit, was sie verspricht.

Wrightson postuliert eine gradlinige, progressive Entwicklung, die – bei den Persern – mit einer aus vielen verschiedenen, aber nicht integrierten Einheiten bestehenden Armee (S. 74) bzw. – bei den mutterländischen Griechen – mit einem fast ausschließlich auf Hopliten fixierten Heer beginnt („Greeks were far too obsessed with hoplites to utilise the other combat arms fully in battle.“ S. 119), über nebeneinanderstehende, aber jede für sich kämpfenden Einheiten verläuft und schließlich im voll integrierten Heer der Makedonen gipfelt. So gestaltet sich die griechische Militärgeschichte von Homer bis ins 4. Jahrhundert als eher unbefriedigendes Vorgeplänkel (um im sprachlichen Bild zu bleiben), bis endlich Alexander auf den Plan tritt und alles richtig macht: „the final realisation of combined arms.“ (S. 196)

Da die integrierte Kriegsführung im eigentlichen Sinne tatsächlich erst mit den Makedonen begann (und dort auch der Schwerpunkt von Wrightsons bisheriger Forschung liegt), wäre es möglicherweise sinnvoller gewesen, den Fokus der Arbeit auf diese Epoche zu legen und die vorherige Entwicklung nur kurz zu skizzieren.

Das erklärte Ziel des Autors ist es nicht nur, die Entwicklung der Miltärtaktik zu untersuchen, sondern auch „[to] shed more light on the independent culture of the Classical Greeks and how that culture shaped, or was shaped by, warfare reliant on the hoplite to the detriment of the implementation of combined arms tactics.“ (2). Dabei konzentriert sich Wrightson – nach Meinung der Rezensentin zu sehr – auf nur einen Aspekt der Kriegsführung, namentlich auf offene Feldschlachten (S. 4). Dies ist verständlich im Hinblick auf die Quellen, die das Schlachtgeschehen zum Teil mit großer Detailfreude schildern; allerdings haben gerade die Historiker des 5. und 4. Jahrhunderts zahlreiche andere Aspekte griechischer Kriegsführung beschrieben (Einfälle, Belagerungen, Hinterhalte), sodass die Konzentration nur auf Schlachten interessante, aber vielleicht doch allzu beschränkte Einblicke liefert.

Überdies stellt Wrightson die militärischen Entwicklungen in den Vordergrund und geht dabei nur wenig auf gesellschaftliche und politische Aspekte ein. So konstatiert er z.B., dass es im spartanischen Heer kaum leichte Infanterie gab, während die Athener bei der Eroberung von Syrakus große Mengen Leichtbewaffneter einsetzen, kann zur Erklärung aber nur die Vermutung anführen, dass vielleicht „Athens had much more light infantry available than Sparta” (124). Die Überlegung, dass im demokratischen Athen eher als im oligarchischen Sparta auch Mitglieder der unteren Einkommensklassen ins Bürgerheer Einzug fanden; dass also nicht nur taktische, sondern ebenso politische, ideologische und/oder wirtschaftliche Erwägungen militärische Entwicklungen und das Kriegsgeschehen beeinflusst haben mögen, fehlt weitgehend.

Wrightsons Arbeit ist eine klar gegliederte, durchweg lebendig geschriebene und gut lesbare Darstellung von Taktik in der griechischen Welt vor allem im 5. und 4. Jahrhundert – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Anmerkungen:
1 Vgl. Jonathan M. House, Toward Combined Arms Warfare. A Survey of 20th-Century Tactics, Doctrine, and Organization, Fort Leavenworth 1984, S. 7.
2 Vgl. dazu beispielsweise Hans van Wees, Greek Warfare. Myths and Realities, London 2004, S. 61–64, S. 85.

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