Der Fischer Weltalmanach 2006

Cover
Titel
Der Fischer Weltalmanach 2006.


Herausgeber
Fischer Taschenbuch Verlag
Erschienen
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 14,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Fischer, Gewerbeschule Steinhauerdamm

Der „Fischer Weltalmanach“ ist im Kern ein Nachschlagewerk zur internationalen Politik und Statistik. Insofern ist es nur konsequent, dass die Fülle an Daten und Informationen nicht nur auf Papier, sondern seit 1998 auch auf CD-ROM und im Internet präsentiert wird.1 So mausert sich das Handbuch zur aktuellen Datenbank.

Begrüßt werden die Benutzer/innen mit einer interaktiven Weltkarte, auf der sie ein beliebiges Land wählen können, dessen Datenblatt dann aufgeschlagen wird. Geboten werden in jedem Falle zunächst die üblichen statistischen, geografischen und politischen Basisangaben, eine physikalische Karte und ein kurzer historischer Abriss. Sodann folgen je nach Bedeutung des Landes Schilderungen aktueller Ereignisse sowie thematische Tabellen, Karten, Diagramme und Fotografien. Alle Datenblätter und Medien sind durch Links verknüpft, wobei nicht immer deutlich ist, ob der Verweis nun zu einem Bild oder einem Text führt. Die 219 Tabellen, 37 Diagramme, 105 thematischen Karten und 271 Fotos lassen sich auch direkt über einen Medienkatalog aufrufen und – für die nichtgewerbliche Nutzung – in andere Anwendungen exportieren.

Zuallererst ist der digitale „Weltalmanach“ also ein Lexikon. Ergänzt wird das Länderverzeichnis durch ein Personenlexikon mit 94 Biografien überwiegend europäischer Politiker/innen und eine Übersicht wichtiger internationaler Organisationen, die außer UNO, EU, Arabischer Liga usw. auch Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International und Attac enthält nebst Post- und Internet-Adressen. Weitere innerstaatliche Organisationen werden in den entsprechenden Datenblättern der Länder aufgeführt, z.B. die deutschen Parteien und Tarifverbände. Organisationen jenseits von Politik und Wirtschaft tauchen allenfalls zufällig auf und werden auch nicht näher erklärt.

Das eigentliche Highlight und Alleinstellungsmerkmal des „Weltalmanachs“ ist das Statistikmodul. Am augenfälligsten ist dabei die „Weltrang“-Funktion: Der Benutzer kann zwischen 125 statistischen Kenndaten wählen und sieht dann die Werte der verschiedenen Staaten farbig auf die Weltkarte projiziert. Zusätzlich ist ein Gang durch die Zeit möglich, bestimmte Datenreihen wie etwa die Einwohnerzahlen und die Produktionsmengen diverser Erzeugnisse reichen bis zum Jahr 1960 zurück, und so lassen sich zahlreiche sozioökonomische Strukturveränderungen wie beispielsweise der weltweite Siegeszug von Telefon und Internet, der steigende Energieverbrauch oder die Stagnation der Alphabetisierungsrate der Frauen im Vergleich mit der der Männer visuell verfolgen. Wer möchte, kann jederzeit von der Weltkarte auf ein Länder-Ranking umschalten und beobachten, wie China die Führungsposition im Fischfang eroberte oder wie die arabischen Staaten von reinen Energielieferanten zu Spitzenreitern im Pro-Kopf-Energieverbrauch wurden. Möglich ist es auch, gezielte Vergleichstabellen mit beliebig ausgewählten Ländern, Datenreihen und Jahren anzulegen, um z.B. die Wirtschaftskraft der G8-Staaten an Hand wichtiger Indikatoren gegenüberzustellen. Diese Tabellen und ebenso die getätigten Auswahlen lassen sich speichern, auch ein Export im HTML-Format ist vorgesehen.

So faszinierend das Jonglieren mit statistischen Zahlen auch ist, würde einer reinen Datensammlung ohne deutende und zusammenfassende Texte doch das Fleisch fehlen. Also haben die Verfasser dem „Weltalmanach“ eine Reihe von Übersichtsartikeln mitgegeben, die zentrale Themen der aktuellen Diskussion erläutern und statistisch unterfüttern: von den Begleitproblemen der wirtschaftlichen Globalisierung über die Kritik an der Todesstrafe bis hin zum Zustand der globalen Ökosysteme. Überhaupt sind die diversen weltweiten Umweltprobleme sehr ausführlich im „Weltalmanach“ vertreten. Weitere Artikel widmen sich der Pisa-Studie, der weltweiten Korruption, verschiedenen populären Sportarten oder der – für ein Werk dieser Art durchaus wichtigen – Frage nach der Vergleichbarkeit internationaler Wirtschaftsdaten. Außerdem enthalten ist eine Chronik wichtiger Ereignisse vom Juli 2004 bis zum Juni 2005, wobei die Auswahl ein wenig willkürlich wirkt.

Die Brauchbarkeit einer Datenbank lebt von der Mächtigkeit ihrer Suchfunktionen. In dieser Hinsicht kann der „Weltalmanach“ noch einiges von den Multimedia-Enzyklopädien à la Brockhaus und Microsoft lernen. Die Suche hier ist eine reine Wortsuche, die die Fundstellen nicht nach Relevanz oder Sachgebiet sortiert, sondern lediglich auflistet. Sie ist nicht fehlertolerant und ignoriert überdies alle Tabellen, Diagramme und Karten. Immerhin ist die Verwendung von Suchoperatoren möglich.

Ansonsten ist an der Benutzerführung nichts zu beanstanden: Man kann in beliebiger Menge Lesezeichen setzen und farbig markieren, die Online-Hilfe beantwortet alle Fragen rund ums Programm, ein zusätzliches Glossar erklärt die in den Statistiken verwendeten Begriffe, und die Benutzeroberfläche ist klar strukturiert und einfach zu bedienen.

Insgesamt ist der „Weltalmanach“ ein – auch angesichts des erschwinglichen Preises – empfehlenswertes Kompendium für interessierte Zeithistoriker/innen und Zeitgenossen/innen. Insbesondere gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte erschließen sich auf visuell überzeugende Weise. Und die Datenbank ist nicht nur äußerst informativ, sondern auch schnell und leicht zu bedienen. Schade nur, dass es sie allein für Windows gibt.

Anmerkungen:
1 <http://www.weltalmanach.de>.

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