Testamente sind schillernde Dokumente. Als Niederschrift des letzten Willens dokumentieren sie den Versuch, den Tod zu antizipieren und vorauszubestimmen, was im Falle des eigenen Ablebens geschehen soll. Damit boten und bieten sie die immer wieder auch umstrittene Möglichkeit, über das eigene Leben hinaus Wirkmacht zu entfalten. Testamente geben nicht nur Einblick in vielfältige Beziehungs- und Vermögenskonfigurationen, sondern luden diese zugleich symbolisch auf und gestalteten sie mit. Der letzte Wille konnte Erwartungen erfüllen oder enttäuschen, dynastische und damit zugleich politische Programme entwerfen; er konnte belohnen und kompensieren, legitimieren und unterstützen oder eine finale Abrechnung sein. Damit gestaltete und gestaltet er Erinnerung ebenso wie Zukunft.
Siglinde Clementi und Margareth Lanzinger Editorial. Der letzte Wille S. 301
Beate Wagner-Hasel Nachruf auf Elke Hartmann (1969–2021) S. 311
Aufsätze
Jan Timmer Der Römer und der Schmerz S. 313
Themenschwerpunkt: Der letzte Wille
Michaela Hohkamp Der vergesellschaftete Fürstenwille. Deduktion der Frage, ob Herzog Ulrich I. von Württemberg (1487–1550) über „rechter macht oder erlaubnus“ verfüge seine Nachfolge zu „testieren, Zu schaffen, Zu ordnen oder Zu disponiren“? S. 336
Siglinde Clementi „Aus sonder lieb, trew vnd freundschaft“. Vermögenstransfers und Emotionen in frühneuzeitlichen Adelstestamenten und ihre symbolische Bedeutung S. 360
Beatrice Zucca Micheletto Chains of Documents. The Return of the Dowry in the Wills of the Lower Middle Classes in Early Modern Italy (Turin, Second Half of the Eighteenth Century) S. 382
Charlotte Zweynert Welche Vermögen sind vererbbar? Testieren und Ressourcen transferieren in einer Literatinnenfamilie um 1800 S. 400
Forum
Anna Bellavitis Den letzten Willen kundtun – mündliche Testamente im frühneuzeitlichen Venedig S. 424
Hans Medick Eine Unterkunft im Schatten des Krieges, Frühjahr 1763. Mikrohistorische Betrachtungen einer Episode aus Karoline Kummerfelds „Die ganze Geschichte meines Lebens“ S. 437
Christian Dürr Absenz und Evidenz. Zur Phänomenologie von Erinnerungsorten in Argentinien, Österreich und Deutschland S. 447
Lektüren
Emanuele Lugli The Making of Measure and the Promise of Sameness Joseph Morsel (Paris) S. 463
Roger Chickering Karl Lamprecht. Das Leben eines deutschen Historikers (1856–1915) Matthias Berg (München/Berlin) S. 465
Helga Rathjen Tsingtau. Eine deutsche Kolonialstadt in China (1897–1914) Andreas Günter Weis (Göttingen) S. 467
Mathias Knauer / Jürg Frischknecht Die unterbrochene Spur. Antifaschistische Emigration in der Schweiz von 1933 bis 1945 Konrad J. Kuhn (Innsbruck) S. 469