J. Losehand: Die letzten Tage des Pompeius

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Titel
Die letzten Tage des Pompeius. Von Pharsalos bis Pelusion


Autor(en)
Losehand, Joachim
Erschienen
Anzahl Seiten
402 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nicole Schemmel, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Vorrangiges Ziel des vorliegenden Band von Joachim Losehand, der aktualisierten Fassung seiner 2005 in Wien angenommenen Dissertation, ist es, die auf Plutarch zurückgehende Meinung in der Forschung, Pompeius habe nach Pharsalos vergessen, dass er der „der Große sei“ (Plut. Pomp. 72,1ff.), zu hinterfragen (S. 11). Zu diesem Zweck bedient sich der Autor einer Reihe „kontrafaktischer Spekulationen“ (S. 13). Hierbei bilden die Fragen: „Was wäre gewesen, wenn Pompeius nicht nach Pelusion gefahren wäre ..., was [...], wenn Pompeius in Pelusion nicht ermordet worden wäre ...?“ den Mittelpunkt der Erörterung (S. 13).

Das erste Hauptkapitel behandelt das Leben des Pompeius bis zur Schlacht von Pharsalos (S. 15–93), wobei dem Autor nicht an Originalität, sondern an einer kursorischen Lebensbeschreibung gelegen ist, welche die letzten Wochen des Magnus erklärbar machen soll (S. 19). Entsprechend beginnt Losehand mit den jungen Jahren des Pompeius bis zum ersten Konsulat (S. 23–42), behandelt anschließend die Neuordnung im Osten (S. 43–60), das erste Triumvirat und die nachfolgenden Konsulate des Pompeius (S. 61–78) bis hin zum Ausbruch des Bürgerkrieges und der Niederlage bei Pharsalos.1 Neben der Erörterung der Gründe für den Ausbruch des Bundesgenossenkrieges und der Catilinarischen Verschwörung kommen die Motivationen und Hintergründe der Handlungen des Pompeius dabei jedoch häufig zu kurz. Vor allem in der Darstellung des ersten Triumvirats vernachlässigt Losehand die Probleme des stets nach allseitiger Achtung strebenden Pompeius im Verhältnis zu Volk und Senat, obwohl sein späteres Verhalten vor, während und nach der Schlacht von Pharsalos nur bei Kenntnis seiner Charakterzüge erklärbar wird. Auch bezüglich der Hintergründe für den Ausbruch des Bürgerkrieges kommt Losehand zu dem strittigen Ergebnis, dass nicht die Bewerbung Caesars in absentia den zentralen Streitpunkt darstelle. Entscheidend sei nach Losehand vielmehr die Forderung des Pompeius, „dass Caesar seine Kandidatur nur dann anmelden könne, wenn er seine Heere entlasse“ (S. 81).2 Der Rückzug des Pompeius aus Rom und Italien wird korrekterweise als militärisch richtige, aber – besonders im Hinblick auf die Reaktion der Senatoren – psychologisch zu wenig durchdachte Strategie vorgestellt (S. 87).3 Nach der Niederlage Caesars bei Dyrrhachium sei dieser der Agierende, Pompeius lediglich der Reagierende gewesen, was erkläre, dass letzterer sich wider besseres Wissen von seinen eigenen Gefolgsleuten zur Schlacht habe drängen lassen, welche bekanntlich mit seiner vollständigen Niederlage endete (S. 93).

Der folgende Abschnitt behandelt die letzten Tage des Pompeius, beginnend mit dessen Flucht nach der Schlacht von Pharsalos (S. 95–234), wobei Losehand die Wochen bis zur Ermordung in Ägypten in einzelne Reiseabschnitte unterteilt. Den Auftakt macht der Weg von Pharsalos nach Syedra (S. 105–133), für den Losehand eine mögliche Route über Larissa, Amphipolis und Mytilene nach Syedra, Phaselis oder Attaleia rekonstruiert. Trotz der unterschiedlichen Ortsangaben bei den antiken Autoren ist Losehand der Überzeugung, dass der Küstenbogen Pamphylien-Kilikien als Ziel des Pompeius angesprochen werden muss (S. 131–133). Hier fand das consilium statt, auf dem die weitere Vorgehensweise sowie Syrien, Parthien, Ägypten und Afrika als mögliche Reiseziele diskutiert wurden, deren jeweilige Wahrscheinlichkeiten Losehand in der Folge analysiert (S. 135–167). Bezüglich Syriens lasse sich aufgrund der singulären Nachricht bei Caesar nicht entscheiden, ob Pompeius tatsächlich die Absicht verfolgte, diese Provinz um Hilfe anzugehen (S. 139). Zudem bezweifelt Losehand, dass Pompeius jemals ernsthaft plante, ad Parthos zu gehen (S. 139–153), während sich Ägypten für ihn als scheinbar sicherer Anlaufpunkt präsentierte (S. 154–161). Zweifel seien zudem an der negativen Beurteilung Jubas in den Quellen angebracht, der aufgrund seiner Feindschaft zu Caesar ein natürlicher Verbündeter des Pompeius war (S. 161–165).4 In der Folge reiste Pompeius vermutlich über Zypern nach Ägypten (S. 169–176), wobei für die dortigen Ereignisse lediglich sicher sei, dass Pompeius mit einem Boot abgeholt und noch vor der Ankunft am Strand ermordet wurde.

Es folgt eine Darstellung der dramatis personae (S. 192–209) und des Vorgangs der Bestattung des Pompeius (S. 209–214). Abschließend erörtert Losehand die Gründe für Pompeius’ Ermordung (S. 215–223) und die Bedeutung der Niederlage in Pharsalos für dieses Ende (S. 223–234). In diesem Zusammenhang diskutiert er zunächst die jeweiligen Konsequenzen für die Möglichkeiten, dass Ptolemaios Pompeius unterstützt, abgewiesen oder lebend festgehalten hätte. Hier kann er zwei Motive für die letztlich erfolgte Ermordung herausarbeiten: das Streben der Ägypter nach Caesars Dankbarkeit und nach dem Erhalt der Unabhängigkeit Ägyptens (S. 221).5 Damit habe Pompeius zwei Fehlentscheidungen getroffen, indem er einerseits wider besseres Wissen Caesar die Entscheidungsschlacht bot und andererseits Ägypten um Hilfe anrief (S. 254). Dies müsse, so Losehand, jedoch nicht zwingend als Zeichen von geistiger Lethargie, Gebrochenheit oder Schwäche gedeutet werden, da die Interpretation der letzten Wochen auch das Problematische an der Vermutung aufzeige, die Schlacht von Pharsalos hätte eine grundlegende Veränderung Pompeius’ hervorgerufen. Es sei dagegen plausibler anzunehmen, Pompeius habe versucht, an seine alte Strategie anzuknüpfen und den Krieg wieder aufzunehmen (S. 253).

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse befasst sich Losehand mit den Zielen, Präferenzen und Möglichkeiten, die Pompeius nach Pharsalos hatte (S. 235–373). Nach einer kritischen Betrachtung der gängigen Begrifflichkeiten (S. 246–260) betont Losehand, dass die Wissenschaftlichkeit seines kontrafaktischen Ansatzes bei stetem Rückbezug auf die faktischen unrealisierten Möglichkeiten gegeben sei (S. 272) und dass auf diesem Wege Ergebnisse erzielt würden, die bisher durch andere Ansätze nur ungenügend geleistet worden wären. In der Folge erörtert er im Abschnitt „Praktische Umsetzung I“ die faktischen Ereignisse nach Pharsalos in der Mittelmeerwelt (S. 283–328). Dabei untersucht er zunächst, aus welchen Gründen Pompeius nach der Niederlage nicht nach Dyrrhachium zurückkehrte, wobei es ihm gelingt, deutlich zu machen, dass durch Pompeius’ Gang in den Osten viele Probleme verhindert wurden. Ob dabei von einer vernünftigen Entscheidung des Pompeius auszugehen ist oder es diesem nur um eine schnelle Flucht ging, überlässt Losehand dem Leser, betont jedoch, dass ersteres mit dem Bild „eines quasi Hals über Kopf fliehenden“ Feldherrn kollidieren würde (S. 290). Es folgt eine gründliche Analyse der Zustände in Griechenland, im Westen (S. 290–309) und im Orient (S. 309–328).6

Die „Praktische Umsetzung II“ widmet sich der Frage „was wäre, wenn ...“ (S. 329–364). Für den Fall, dass Pompeius nicht nach Ägypten gegangen wäre, kann Losehand überzeugend zeigen, dass das Szenario „Pompeius in Pamphylien“ durch den kräftemäßigen Nachteil gegenüber Caesar wahrscheinlich in einem Desaster geendet hätte (S. 329–334). Auch die Alternative „Pompeius ad Parthos“ hätte unabhängig vom Ausgang einen ideologischen wie politischen Nachteil bedeutet (S. 334–343). Das Szenario „Pompeius ad Jubam“ wäre dagegen das erfolgversprechendste für die anti-caesarische Opposition gewesen (S. 343–348). Bei einem Gang nach Ägypten hätten sich neben der Ermordung als Alternativen die Gefangennahme Pompeius’ (S. 349-355) und dessen freundlicher Empfang (S. 355–359) ergeben. Für erstes könnte mit dem Selbstmord des Pompeius gerechnet werden, der zwar keine faktischen Auswirkungen auf die Ereignisse, wohl aber auf die Reputation des Pompeius gehabt hätte. Seine freundliche Aufnahme hätte dagegen einen ebenso großen Spielraum an Möglichkeiten zur Folge gehabt wie ein Gang zu Juba. Entsprechend der bereits in der Antike geführten Diskussion über einen Tod des Magnus bereits 50 v.Chr. erörtert Losehand zum Abschluss diesbezügliche ereignisgeschichtliche Alternativen und stellt heraus, dass ein dennoch geführter Bürgerkrieg faktisch kaum ein anderes Ende genommen, sich jedoch durch das Fehlen des Pompeius auch die Möglichkeit einer Einigung mit Caesar ergeben hätte (S. 359–364).

In seinen abschließenden Beurteilungen (S. 365–373) resümiert Losehand, dass „die Entscheidungen, die Pompeius nach Pharsalos traf und umsetzte, kaum dazu geeignet sind, ihm Gedankenlosigkeit, Planlosigkeit, Verzweiflung zu attestieren“ (S. 369). Grund für den letztendlichen Verlauf sei vielmehr die falsche Beurteilung der politischen Verhältnisse und Erwartungen der Ägypter (S. 368). Während Losehand keine Aussagen zum möglichen Ausgang des Bürgerkrieges oder zu den Konsequenzen aus einem möglichen Sieg des Pompeius macht, meldet er überzeugende Zweifel daran an, dass das Schicksal des Pompeius im Bürgerkrieg unausweichlich war (S. 367). Dennoch sei es „kaum wahrscheinlich, dass ein Weiterleben des Pompeius (und damit ein potentiell möglicher Sieg über Caesar) das Ende der ‚alten Ordnung‘ der römischen Republik aufgehalten hätte“ (S. 370), so dass der Tod des Pompeius der Republik „weder einen Vorteil noch einen Nachteil“ brachte (S. 373).

Die Arbeit bietet eine gewinnbringende singuläre Analyse der letzten Wochen des Pompeius, die konkrete Einblicke in dessen Planungen und Ziele nach der Niederlage von Pharsalos ermöglicht 7 und damit berechtigte Zweifel an einer in der bisherigen Forschung suggerierten Gedanken- und Planlosigkeit des Pompeius weckt. Bestätigt werden diese Zweifel durch eine fundierte Analyse der Handlungsalternativen, die aufzeigt, dass das Schicksal des Pompeius im Bürgerkrieg nicht unausweichlich war. Das hieraus gezogene Fazit, der Tod des Pompeius hätte dennoch der Republik letztlich weder Vor- noch Nachteile gebracht, kann aber kaum überzeugen, zumal Losehand selbst betont, dass er weder einen möglichen Sieg des Pompeius noch potentielle Konsequenzen für die Republik erörtern möchte (S. 366). Auf der Grundlage seiner eigenen Ergebnisse und der diesbezüglich selbst gesetzten Grenzen kann er dieses Resultat wissenschaftlich kaum begründen.

Hier zeigen sich die Grenzen der Arbeit Losehands. Während er die potentielle Eignung der Methode der „kontrafaktischen Spekulationen“ für die Geschichtswissenschaft aufzeigen kann, gelingt es ihm nicht immer, nachvollziehbare bzw. greifbare Schlussfolgerungen aus seinen zum Teil durchaus präzisen Ergebnissen zu ziehen. So bleibt dem Leser unter anderem verborgen, wie Losehand auf seinen eigenen Ergebnissen aufbauend – der von Pompeius signalisierten Bereitschaft zur Unterstützung der ägyptischen bzw. ptolemäischen Belange und der kontrafaktisch günstigen strategischen Position der Pompeianer bei einer freundlichen Aufnahme in Ägypten (S. 359) – dennoch konstatieren kann, dass die Gründe für Pompeius’ Scheitern in der falschen Beurteilung der politischen Verhältnisse und Erwartungen der Ägypter (S. 368) zu suchen seien.

Anmerkungen:
1 Insgesamt finden sich hier leider einige Fehler: So soll der Oberbefehl gegen Mithridates VI. ursprünglich C. Marius übertragen worden sein (S. 51), was kaum den Gegebenheiten des Jahres 88 v.Chr. entspricht (siehe hierzu u.a. Linke, Bernhard, Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla, Darmstadt 2005, S. 109ff.); außerdem erörtert Losehand, dass Pompeius zwar ursprünglich vorhatte, Tigranes den Jüngeren zum Triumph mitzuführen, davon später jedoch wieder Abstand nahm (S. 57). Bei Appian (Mithr. 572) taucht er jedoch unter den Gefangenen im Triumphzug auf (vgl. u.a. auch Christ, Karl, Pompeius. Der Feldherr Roms, Darmstadt 2004, S. 101).
2 Die Bedeutung des Privilegs der Bewerbung in absentia betonen dagegen u.a.: Baltrusch, Ernst, Caesar und Pompeius, Darmstadt 2004, S. 87ff.; Fehrle, Rudolf, Cato Uticensis, Darmstadt 1983, S. 238f.; Gelzer, Matthias, Caesar. Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden 1983, S. 164.
3 Im Gegensatz dazu plädiert Losehand dennoch dafür, dass Pompeius Brundisium „nolens volens“ verlässt (S. 89), ohne diese Ansicht jedoch zu begründen.
4 An der von Losehand suggerierten Vergleichbarkeit von Ägypten und Nordafrika (S. 165) ist aber dennoch zu zweifeln, da Juba im Gegensatz zu Ptolemaios faktisch das Erwachsenenalter erreicht hatte, d.h. er konnte frei entscheiden, welcher Bürgerkriegsseite er sich anschließen wollte – Ptolemaios dagegen war auf die „Ratschläge“ seiner Erzieher und Lehrer angewiesen, ein Umstand, der letztlich über das Schicksal des Pompeius entschied.
5 So bereits bei Baltrusch 2004, S. 106; Gelzer, Matthias, Pompeius, München 1949, S. 257; Christ 2004, S. 164.
6 In Einzelaspekten, etwa in der Frage nach der Rolle der kilikischen Soldaten in der Schlacht bei Pharsalos, kommt Losehand zu anderen Ergebnissen als Matthias Dingmann: ders., Pompeius Magnus, Machtgrundlagen eines spätrepublikanischen Politikers, Rahden/Westfalen 2007.
7 Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass bei einem selbst gewählten Schwerpunkt auf Reiserouten Losehand lediglich eine kleine Karte vorlegt, die zudem nicht alle im Text relevanten Orte oder naturräumlichen Gegebenheiten enthält.

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