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Titel
Gli ordini mendicanti. Il secolo delle origini


Autor(en)
Dolso, Maria Teresa
Reihe
Studi Superiori
Erschienen
Rom 2021: Carocci
Anzahl Seiten
276 S.
Preis
€ 25,65
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Etienne Doublier, Historisches Instut, Universität zu Köln

Beim zu besprechenden Band handelt es sich um eine Überblicksdarstellung über die Geschichte der Bettelorden, also der Predigerbrüder bzw. Dominikaner, Minoriten bzw. Franziskaner, Karmeliter, Augustiner-Eremiten und Serviten, seit den Anfängen um 1215 bis zum Konzil von Vienne (1311/1312). Das Werk ist hinsichtlich der Struktur und Themenauswahl eher traditionell angelegt und orientiert sich im Wesentlichen an dem „Narrativ“, das von den zumeist im 18. Jahrhundert entstandenen Bullaria der Orden selbst suggeriert wird.

Nach einem einleitenden Abschnitt, in dem der scheinbare Widerspruch zwischen der Diversität der Ursprünge und der späteren Homogenität der Mendikanten thematisiert wird (S. 9–20), geht die Verfasserin in den ersten beiden Kapiteln ausführlich auf die Ordensgründer Dominikus und Franziskus ein. Hervorgehoben werden in Bezug auf den Predigerorden einerseits die Übereinstimmung zwischen der ursprünglichen Ausrichtung der um den Kanoniker aus Osma entstandenen Gemeinschaft und den Reformplänen Papst Innozenz’ III. (S. 21–51), andererseits die zentrale Bedeutung des gelehrten Studiums als unentbehrliche Voraussetzung für eine effektive Ausübung der die Ordensidentität prägende Predigttätigkeit, welche ihrerseits das Seelenheil der Gläubigen als oberstes Ziel hatte (S. 51–66). Das Kapitel über die Entstehung der Minderbrüder betont den Ausnahmecharakter des propositum Franziskus’, das unter dem Druck der römischen Kurie ab 1219 und dann noch stärker ab 1226 den Erfordernissen eines institutionalisierten Verbandes angepasst wurde (S. 67–102). Zugleich wird aber die Vielfalt des Minoritentums thematisiert, von dem Antonius von Padua mit seinem Engagement im Bereich von Studium und Häretikerbekämpfung ein frühes Beispiel darstellt (S. 102–114).

Kapitel 3 und 4 schildern die Entwicklung der Bettelorden in den mittleren Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. In den 1240er- und 1250er-Jahren entstanden auf Betreiben des Papsttums aus verschiedenen eremitischen Gemeinschaften zwei neue auf die Seelsorge und Verwaltung der Sakramente ausgerichtete Orden, nämlich die Karmeliter und Augustiner-Eremiten (S. 121–129, 175–184). In der gleichen Phase begannen einzelne Prediger- und Minderbrüder, öffentliche Ämter und Funktionen auszuüben (S. 143–151), der Minoritenorden erfuhr eine tiefgreifende Klerikalisierung (S. 163–174), das Gewicht des Studiums im Rahmen der Ausbildung der Brüder nahm signifikant zu (S. 129–143), die Inquisitionstätigkeit wurde weitgehend institutionalisiert (S. 153–163).

Die Konflikte der 1250er- und 1260er-Jahre samt deren Lösungsversuchen stehen im Mittelpunkt des fünften Kapitels. Der große Erfolg mendikantischer Magister im Rahmen der universitären Lehre sah die beiden größten Bettelorden einer Reihe von Kritiken und Angriffen ausgesetzt, unter denen vor allem diejenigen von Wilhelm von Saint-Amour und Gerhard von Abbeville herausragen (S. 185–201). Darauf reagierten Prediger- und Minderbrüder zum einen dadurch, indem sie die Päpste einschalteten und ihre Kritiker verurteilen ließen. Zum anderen arbeiteten sie an einer praktischen Reorganisierung und theoretischen Neufundierung ihrer Gemeinschaften – die Verfasserin hebt hierbei vor allem die Tätigkeit des Bonaventura von Bagnoregio hervor (S. 201–211).

Ein erstes Unterkapitel des sechsten und letzten Abschnittes behandelt die gegenüber den etablierten Mendikantenorden durchaus schonende Stellungnahme des zweiten Konzils von Lyon von 1274, das die Aufhebung aller nach 1215 entstandener Ordensgemeinschaften verfügte, Prediger und Minderbrüder jedoch aufgrund deren utilitas für die Gesamtkirche von der Maßnahme ausnahm (S. 221–227). Das Aufkommen von Streitigkeiten rund um die paupertas innerhalb der Minoriten und die damit zusammenhängende innere Ausdifferenzierung des Ordens stehen im Mittelpunkt des darauffolgenden Unterkapitels, das den letzten Teil beschließt (S. 227–236). Im Fazit unterstreicht die Verfasserin die Rolle von Studium und Bildung als gemeinsame Nenner der mendikantischen Erfahrungen und zeigt einige Beispiele für die ikonographische Rezeption von diesem Aspekt des Ordenslebens (S. 237–244).

Die Lektüre hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite ist das Buch gut und geschickt geschrieben; die häufig angeführten Quellenzitate sorgen dafür, dass der Leser mit einem frischen Blick an die komplexe Materie herangeführt wird; die Hauptthesen der Synthese sowie der einzelnen Kapitel sind stets schlüssig und angemessen präsentiert. Auf der anderen Seite sind einige konzeptionelle Schwächen nicht zu übersehen. Die Bibliographie spiegelt zwar den aktuellen Forschungsstand der italienischsprachigen Bettelordensforschung wider, vernachlässigt aber weitgehend Befunde und Ansätze aus dem Ausland. Es fällt z. B. auf, dass kein aus der Dresdener Forschungsstelle für vergleichende Ordensgeschichte hervorgegangenes Werk rezipiert wurde. Inhaltlich richtet sich der Blick sehr stark auf die Ebene der Ordensleitung und des Verhältnisses zum Papsttum, während die Einbettung der Bettelorden in lokale Gesellschaften, vor allem Städte und Fürsten- bzw. Königshöfe eher ausgeblendet wird. Auch Themen wie die cura monialium und die Frömmigkeitspraktiken bleiben leider außer Acht, die Geschehnisse der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts werden möglicherweise allzu kursorisch behandelt. Diesen kritischen Anmerkungen zum Trotz bildet das Buch eine gute Einführung in die Thematik. Dolsos Synthese hat darüber hinaus im Vergleich zu anderen vergleichbaren Darstellungen den Vorteil, dass sie nicht nur einen Orden behandelt, sondern einen komparativen Blick über die beiden größten und die drei weiteren Mendikantengemeinschaften bietet.

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