In der vorliegenden Publikationsfassung ihrer 2019 an der TU Dresden eingereichten Dissertationsschrift bietet Luppa eine umfassende und systematische Betrachtung der im klassischen Athen lebenden Fremden. Dem Umstand, dass die Fremden Teil eines jeden Handbuchs zum klassischen Athen1 sind und ebenso eine Reihe von Spezialuntersuchungen zu ihnen vorliegen2, ist sich die Autorin bewusst und reflektiert ihn pointiert zu Beginn mit der Aussage: „Viele Arbeiten beginnen damit, der Forschung eine stiefmütterliche Behandlung ihres Themas zu unterstellen, doch für die ansässigen Fremden trifft das nicht zu.“ (S. 13) In Folge dieses Umstands formuliert die Autorin auch die Zielsetzung ihrer Arbeit. Ihr Ziel ist in erster Linie eine systematische (Neu-)Betrachtung der Fremden in Athen, die darauf abzielt charakteristischen Grundmerkmale dieser Gruppe anhand der Inklusions- und Exklusionsmechanismen herauszuarbeiten, die über den Grad der Teilhabe an der Polisgesellschaft entschieden, was ihrer Meinung nach bisher in der Forschung vernachlässigt wurde. Sie verweist dabei vor allem auf die in der Forschung festzumachende Uneinigkeit darüber, was und wer unter den gängigen Analysebegriff „Metöke“ fällt. An diese widersprüchlichen Definitionen schließt auch ein weiteres Hauptanliegen des Werks an: Eine möglichst einheitliche Definition vorzuschlagen, die auf den Quellenbegriff des métoikos verzichtet, da dieser nach Luppa durch die vielen verschiedenen Definitionen in der Forschung an Erkenntniswert verloren habe. Stattdessen wird als neuer Begriff „ansässige Fremde“ vorgeschlagen, um so der Heterogenität der untersuchten Gruppe(n) gerecht zu werden. Aufgrund der von Luppa postulierten terminologischen Schwierigkeiten bezüglich des Metöken-Begriffs in der Forschung soll die zu untersuchende Gruppe nicht anhand von Statusbezeichnungen wie metoikía abgesteckt werden, sondern mittels des gemeinsamen Merkmals der dauerhaften Wohnsitznahme in Athen.
Die Bearbeitung ihres Materials gliedert die Autorin dabei in drei große thematische Blöcke: „Vorbemerkungen“ (S. 20–85), „Intrinsische Merkmale“ (S. 86–206) und „Extrinsische Merkmale“ (S. 207–377). In den „Vorbemerkungen“ beschäftigt sich Luppa mit Themen wie der Wahrnehmung von Fremden in der griechischen Perspektive und der historischen Entwicklung des Status der Fremden in Athen anhand Zäsuren wie den Kleisthenischen Reformen und dem Perikleischen Bürgerrechtsgesetz und auch der Demographie der Fremden.
Im Abschnitt zu den intrinsischen Merkmalen der ansässigen Fremden befasst sich Luppa mit den inhärenten Eigenschaften der Fremden, worunter Herkunft, Motivation des Gangs nach Athen, die Frage ob freigeboren oder freigelassen, Geschlecht und Bürgerrecht in anderen Poleis fallen. Dabei zeigt sie auf, dass die intrinsischen Merkmale im Großen und Ganzen keine allzu schwerwiegenden Auswirkungen auf den Status einer fremden Person in Athen hatten und das unabhängig von einer griechischen oder ‚barbarischen‘ Herkunft. Ähnliches gilt für die Motivation der Fremden nach Athen zu kommen, wobei Luppa eine Korrelation zwischen einer besonders häufigen Verleihung von Ehrungen und Privilegien und politischer motivierter Flucht als Migrationsgrund hervorhebt, insbesondere, wenn dies für die Athener politisch opportun war. Als intrinsischen Faktor mit dem größten Einfluss stellt sie den Status als freigelassenen Fremden heraus. Denn einerseits beschränkte die Freilassung die Wahl des prostátēs auf den ehemaligen Besitzer (sofern dieser Bürger war) und andererseits standen die durch paramonḗ-Verpflichtungen gekennzeichneten apeleútheroi (im Gegensatz zu den verpflichtungsfreien exeleútheroi) weiterhin in starker Abhängigkeit von ihren ehemaligen Besitzern, so dass nach Luppa die Grenze nicht zwischen (freigeborenen) Fremden und Freigelassenen gezogen wurde, sondern zwischen ansässigen Fremden und apeleútheroi. Ob der symbolische Wert des triṓbolon – auch wenn es sich um eine einmalige Zahlung gehandelt haben mag – so niedrig war, wie die Verfasserin ihn veranschlagt, mag man auch anders sehen.
Der abschließende analytische Abschnitt zu den extrinsischen Merkmalen widmet sich in erster Linie den In- und Exklusionsmechanismen, die sich auf den Feldern des Militärs, der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Politik, des Recht ergaben und wie diese durch Privilegierungen und Ehrungen verändert wurden. Im Aufbau dieses Teils der Arbeit zeigen sich durchaus kleinere Schwächen. Einerseits kann man sich im Wirtschaftskapitel fragen, inwiefern es sich bei den aufgeführten Abgaben – insbesondere bei den eisphoraí und den Leiturgien – um wirtschaftliche Aspekte handelt oder nicht viel mehr auch um politische Aspekte. In erster Linie betrifft es jedoch das Kapitel zur gesellschaftlichen Stellung der ansässigen Fremden. Das Kapitel betrachtet einerseits die Vernetzungsmöglichkeiten der Fremden mit den Bürgern, andererseits aber auch die Konsequenzen der wirtschaftlichen und religiösen In- und Exklusionsmechanismen. Warum jedoch die politische und rechtliche Stellung nicht berücksichtigt wird, erscheint nicht einleuchtend, denn einerseits sind Politik/Recht und Gesellschaft kein Gegensatz und andererseits hätte eine Einbeziehung der postulierten, indirekten politischen Einflussmöglichkeiten das Argument der Autorin gestärkt, dass die Fremden ein zentraler Bestandteil der athenischen Gesellschaft waren.
Im Kontext des Politischen betont Luppa, dass die Fremden wie von der Forschung betont von der Teilhabe an den politischen Institutionen ausgeschlossen waren, jedoch durch informelle Netzwerke zu athenischen Bürgern durchaus Einfluss auf die Politik ausüben konnten. Hier ist es jedoch notwendig zu betonen, dass diese Option wohl nur einer geringen Anzahl von Fremden mit den entsprechenden Kontakten offenstand, wie auch, dass sich nur schwer ermessen lässt, wie weitrechend dieser Einfluss letztlich war. Auch ob man dem letztlich sehr positiven Bild der Rechtsstellung der ansässigen Fremden, das die Autorin zeichnet, vollumfänglich zustimmen möchte, sei dahingestellt. Betont sie auf jeden Fall zu recht, dass die ansässigen Fremden im Gegensatz zu den nichtansässigen Fremden eine erheblich größere Rechtssicherheit genossen, bleibt die Stärkung der Stratifikation unterbetont, die sich aus unterschiedlichen Rechtsprechungen und Strafmaßen auch für dieselben Verbrechen resultiert. Luppas Ausführungen zu den verschiedenen Privilegien und Ehrungen zeigen hingegen überzeugend die von ihr betonte Heterogenität der ansässigen Fremden auf, indem die aus ihnen resultierenden unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten der Fremden vorgeführt werden. Zu widersprechen ist jedoch Luppas Deutung, dass eingebürgerte Nichtathener weiterhin den Fremden zuzurechnen seien und nicht den Bürgern. Festgemacht wird diese Deutung am Ausschluss der Neubürger vom Archontat und von manchen Priesterschaften. Lässt sich das Argument der Priesterschaften teilweise dadurch entkräften, dass auch die Mehrheit der ‚eingeborenen‘ Athener von manchen Priesterschaften aufgrund von deren Erblichkeit ausgeschlossen waren, so bleibt das Argument zum Archontat bestehen. Dies verkennt jedoch das Gewicht der Rechte, welche die Neubürger gegenüber den Fremden besaßen und sie von ihnen unterschied. Sie konnten ohne Privilegierung Grundbesitz erwerben, sie konnten rechtsgültige Ehen mit Athenerinnen schließen, sie waren rechtlich ihren Mitbürgern gleichgestellt und vor allem konnten sie direkt an den demokratischen Institutionen der Volksversammlung und der Dikasterien teilhaben.
Die Arbeit schließt mit einem knappen Fazit (S. 378–385). Erneut werden die starke Heterogenität und die hohe Binnendifferenzierung der ansässigen Fremden überzeugend hervorgehoben, und die Problematik des in Quellen und Forschung uneindeutigen Metöken-Begriffs aufgezeigt. Zwar ist Luppas Vorschlag ihn durch „ansässige Fremde“ zu ersetzen durchaus attraktiv und nachvollziehbar, jedoch wird sich zeigen müssen, ob er sich durchsetzen kann. Denn einerseits verabschiedet sich die Forschung bekanntermaßen nur ungern und langsam von liebgewonnen Begriffen und andererseits dürfte die auch in den Quellen feststellbare Verwendung des Metöken-Begriffs als Sammelbegriff für alle ansässigen Fremden, wie Luppa auch selbst feststellt (S. 384), dies weiter erschweren.
Anmerkungen:
1 Exemplarisch: Mogens Herman Hansen, Die Athenische Demokratie im Zeitalter des Demosthenes. Struktur, Prinzipien und Selbstverständnis, Berlin 1995, S. 119–127; Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie, 4. Aufl., Paderborn 1995, S. 102–105, S. 174–178; oder auch Winfried Schmitz, Die griechische Gesellschaft. Eine Sozialgeschichte der archaischen und klassischen Zeit, Heidelberg 2014, S. 141–154.
2 Exemplarisch: David Whitehead, The Ideology of the Athenian Metic, Cambridge 1977; Mustafa Adak, Metöken als Wohltäter Athens. Untersuchungen zum sozialen Austausch zwischen ortsansässigen Fremden und der Bürgergemeinde in klassischer und hellenistischer Zeit (ca. 500–150 v. Chr.), München 2003. Siehe ausführlich die einschlägige Literatur im umfangreichen Literaturverzeichnis des vorliegenden Werks.