K. Grewe: Meisterwerke antiker Technik

Cover
Titel
Meisterwerke antiker Technik.


Autor(en)
Grewe, Klaus
Erschienen
Mainz am Rhein 2010: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
168 S.
Preis
€ 34,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Peter Kritzinger, Institut für Altertumswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Klaus Grewe – seit über vier Jahrzehnten in der Erforschung antiker Technikentwicklung tätig – hat sich mit dem zu besprechenden Buch zum Ziel gesetzt, antiken Bauwerken und ihren Schöpfern ein Denkmal zu setzen (S. 8). Da sich kaum schriftliche Zeugnisse erhalten haben, kommt dabei den Überresten antiker Bauwerke natürlich eine herausragende Bedeutung zu. Tatsächlich lassen sich auch heute noch viele Errungenschaften und Leistungen antiker „Ingenieurskunst“ bewundern. Es liegt also nahe, diese beeindruckenden Zeugnisse für sich sprechen zu lassen.

Der kurzen Einleitung folgen acht thematische Kapitel, welche wohl die wichtigsten Bereiche antiken Ingenieurwesens abdecken. Staudämme lassen sich für die gesamte Antike (ab etwa 2600 v.Chr. im Wadi Garawi in Ägypten) beinahe im ganzen Mittelmeerraum belegen 1, von denen einige selbst heute noch in Funktion sind. Abgesehen von den zum Teil beeindruckenden Dimensionen der Staumauern (bis zu 40 Meter hoch und mehrere 100 Meter lang), war auch die Bautechnik auf einem Niveau, das erst im 20. Jahrhundert wieder erreicht wurde; man denke nur an die Bogenstaumauer. Grewe beschreibt exemplarisch in Autopsieberichten konkrete Beispiele von Staumauern in Ägypten, Spanien, Syrien und der Türkei aus unterschiedlichen Epochen (S. 10–24).

Wasserleitungen dienten in der Antike vornehmlich dazu, Häuser, Städte bzw. ganze Landstriche mit Trinkwasser oder – seltener und eingeschränkter – mit Wasserenergie zu versorgen. Der Bau dieser Leitungen stellte an die Bauleiter ganz besondere Herausforderungen, die Grewe vor allem anhand der Eifelwasserleitung nach Köln exemplifiziert (S. 58–65). Aufgrund mangelnder technischer Alternativen waren antike Baumeister gezwungen, das natürliche Gefälle auszunutzen, was dazu führte, dass Wasserleitungen nicht selten über viele Kilometer hinweg durchschnittlich nur wenig über ein Promille Gefälle aufweisen. Eine Folge war die Errichtung imposanter Aquädukte, die Höhen von bis zu 50 Meter (so der Pont du Gard, S. 85–89) erreichen konnten. Alternativ wurden Druckleitungen eingesetzt (S. 48–50), die dabei halfen, unnötige Höhenverluste zu vermeiden. Teilweise wurde das Wasser aber auch durch Berge hindurch verlegt, wobei die Tunnelanlagen mehrere Kilometer lang sein konnten (S. 139–160).

Die Nutzung der Wasserenergie erfuhr vor allem im Römischen Reich einen in der Wissenschaft lange Zeit unterschätzten Höhepunkt. Getreide wurde in geradezu industriellem Ausmaß (so in den Mühlen von Barbegal bei Arles) mit Hilfe von Wasserkraft gemahlen. Turbinentechnik war im Römischen Reich (so in Simitthus in Africa) ebenso wie das Getriebe bekannt, das den Betrieb etwa von Steinsägen ermöglichte (S. 67–72). Zudem wurde Wasser auch für (Heil-)Bäder genutzt, deren Überreste wiederum von der hohen Kunst antiker Baumeister künden (S. 73–76).

Der Transport besaß im „globalisierten“ Imperium Romanum eine geradezu lebenswichtige Bedeutung, weshalb das Transportnetz großzügig ausgebaut wurde. Straßen und Straßenbrücken aus der Antike lassen sich nahezu überall rund um das Mittelmeer nachweisen. Dabei sind eine nicht geringe Anzahl der Brücken gegenwärtig noch in Benutzung, woraus unschwer eine verlorene und nicht mehr erreichte Qualität im Bauwesen zu erkennen ist (S. 91–122). Die großen Römerstraßen waren zumeist mit einem aufwendigen Fundament und einer hochwertigen Pflasterung versehen, die sich ebenfalls verschiedentlich erhalten hat (S. 126). Zudem zeigte ein ausgeklügeltes System (mittels Stadiasmus bzw. Meilensteinen) dem Reisenden die Entfernungen zu den verschiedenen Städten an. Um die Distanzen möglichst klein und den Straßenverlauf weitestgehend gerade zu halten, scheute man auch nicht davor zurück, buchstäblich Berge zu versetzen (S. 125 u. 133). Doch nicht nur für den Landverkehr wurde höchster Aufwand betrieben: Diverse Kanalanlagen sind überliefert, wovon die spektakulärste wohl die Verbindung zwischen Nil und Rotem Meer sein dürfte (S. 161–163). Am Ende des Buches findet sich ein knappes Abkürzungs- bzw. Literaturverzeichnis.

Durch diese und noch weitere Aspekte antiker Ingenieursleistungen führt Grewe seine Leser anhand von Zeugnissen aus der Zeit vom 8. Jahrhundert v.Chr. bis in die Spätantike. Durch den unprätentiösen Stil liest sich das reich bebilderter Buch wie ein archäologischer Führer. In der Tat animiert Grewe seine Leser immer wieder durch knappe, aktuelle, topographische Hinweise zu den jeweiligen Befunden diese persönlich zu besuchen. Die zumeist vom Verfasser beigesteuerten Bilder lenken dabei den Blick der Betrachter auch auf ausgefallene, interessante Details. Ganz ohne Zweifel hat Grewe das selbstgesteckte Ziel erreicht: Das Buch ist eine fesselnde Hommage an antike Ingenieure, das sich vor allem an den interessierten Laien wendet. Allerdings macht die Tatsache, dass Grewe die Überreste antiker Ingenieurskunst ausschließlich aus der Perspektive des praxisorientierten Technikers betrachtet, das Buch auch für Studenten der Altertumswissenschaften durchaus lesenswert.

Anmerkung:
1 Beeindruckend sind allein die Zahlen für die römische Zeit: in der Türkei 30, in Spanien 23, in Nordafrika 34 und in Syrien 23 Staudämme.

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