I. Mennen: Power and Status in the Roman Empire

Cover
Titel
Power and Status in the Roman Empire, AD 193-284.


Autor(en)
Mennen, Inge
Reihe
Impact of Empire 12
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 306 S.
Preis
€ 103,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthäus Heil, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Das Römische Reich erlebte im 3. Jahrhundert n.Chr. dramatische Veränderungen; moderne Historiker haben eine allgemeine Reichskrise diagnostiziert – und andere haben bestritten, dass es eine solche je gab. Seit etwa 20 Jahren wird diese Epoche verstärkt erforscht und kontrovers diskutiert; ein Ende ist noch nicht abzusehen. Einen weiteren Beitrag leistet nun die Dissertation von Inge Mennen, die jedoch – dies sei vorweggenommen – kaum neue Perspektiven aufzuzeigen vermag. Ihr Gegenstand, die Fragen von Macht und Status, ist unstreitig von hoher Bedeutung, doch geht die Arbeit wenig reflektiert an das Thema heran. Zum Ansatz der Untersuchung findet man nicht mehr als dies: „In this study, I explore administration, appointment policies and social hierarchies in the period between AD 193 to 284, in order to define changing status and power relations between the highest ranking representatives of imperial power at the central level“ (S. 2). Selbstverständlich gibt sich die Arbeit einen theoretischen Anstrich, wie es heute üblich ist. In der Einleitung werden – wie zu erwarten – Foucault, Bourdieu und Max Weber zitiert, ansonsten die zentralen Begriffe Macht und Status aber eher zerredet als geklärt; etliche Probleme, die auch für das Folgende grundlegend sind, werden nicht einmal angesprochen – etwa dass Macht in großen Verhältnissen unvermeidlicherweise delegiert werden muss oder dass Macht und Status des Öfteren auseinanderklaffen. Erläuterungsbedürftig ist ebenfalls die zeitliche Eingrenzung der Studie, denn die Verfasserin bezieht auch die Periode der severischen Kaiser (193–235 n.Chr.) ein. Deren epochale Zuordnung ist jedoch umstritten; die Mehrheit der Forschung sieht den Beginn der eigentlichen Krisenphase eher im Machtantritt des Maximinus Thrax im Jahr 235 n.Chr. Zur Begründung heißt es lediglich: „[…] the year 193 inaugurated a period in which many problems challenged imperial power“ (S. 2). Man hätte es gerne genauer gewusst. Auch ein Wort zum Forschungsstand und zur eigenen Position im Forschungsumfeld sucht man vergeblich. Das ist umso bemerkenswerter, als die folgenden Ausführungen fast ganz ohne Quellenstudien auskommen und allein auf der Fachliteratur beruhen – so als gäbe es einen stabilen Forschungsstand, auf dem man eine Sekundäranalyse aufbauen könnte.

Im Einzelnen geht die Studie recht konventionell vor und betrachtet in vier Kapiteln das Kaisertum, den Senat, die hohen Amtsträger mit Ritterrang und die militärischen Befehlshaber. Dieses immer noch sehr große Feld bearbeitet die Verfasserin in einer Mischung aus allgemeinem Überblick und einigen Detailstudien. Die Überblickspassagen geben wieder, was in der Fachliteratur zu finden ist (ohne diese kritisch zu diskutieren); Neues wird hier – zum Teil erklärtermaßen – nicht geboten. Bemerkenswert sind allenfalls einige Sachfehler wie die Behauptung, dass die dona militaria des Caesonius Macer Rufinianus eine Auszeichnung für die Einheit gewesen sei, in der er diente (S. 56; es war eine persönliche militärische Auszeichnung, und eben deswegen wird sie in einer Ehreninschrift erwähnt). Eingelegt sind drei Detailstudien. Die erste betrifft den Senat (S. 55–134). Hier erklärt die Verfasserin die Inhaber der ordentlichen Konsulate, der Proconsulate von Asia und Africa sowie der Stadtpräfektur zum ‚nucleus‘ des Senats; sie untersucht 18 Familien, deren Mitglieder in drei verschiedenen Generationen Ämter aus der genannten Gruppe innehatten – und konstatiert dann Kontinuität. Dass es unter den senatorischen Familien auch in dieser Epoche ein beträchtliches Maß an Kontinuität gab, ist seit langem bekannt1; doch hier geben die Auswahlkriterien das Ergebnis bereits vor, zumal Kontrolluntersuchungen unterbleiben. Zudem war der ordentliche Konsulat eine rein zeremonielle Funktion, und auch die drei übrigen genannten Ämter waren mit Prestige, aber kaum mit realer Macht verbunden.

Die zweite Detailstudie betrachtet den Ritterstand. Hier untersucht die Autorin die Prätorianerpräfektur (S. 159–187), obwohl sie zugibt, dass dieses Amt in gewisser Weise nicht repräsentativ für die Verdrängung von Senatoren durch ritterliche Beamte sei; doch sei hier die Quellenlage günstig (S. 159). Sodann werden die Karrieren der bekannten Prätorianerpräfekten referiert, woraus sich der vage, wenn auch sicher nicht falsche (und nicht neue) Eindruck ergibt, dass die Bedeutung des Amtes zunahm. Schließlich vergleicht die Verfasserin (S. 194–237) die hohen Truppenkommandeure unter Septimius Severus (193–211 n.Chr.) mit denen unter Gallien (Alleinherrschaft 260–268 n.Chr.). Hier bestätigt sich das seit langem bekannte Faktum, dass die Senatoren aus den militärischen Kommandostellen verdrängt und durch aufgestiegene Berufssoldaten aus dem Ritterstand ersetzt wurden, wodurch sich eine immer tiefere Kluft zwischen militärischer Macht und senatorischem Status auftat (S. 246).

Alle Detailstudien beruhen auf prosopographischen Grundlagen. Auch hier hat die Verfasserin ihre Informationen den gängigen Standardwerken entnommen, ohne eigene Recherchen anzustellen. Das führt zu akzeptablen Ergebnissen, wo ihre Vorlagen auf dem aktuellen Stand sind. Einige neuere Erkenntnisse sind ihr jedoch entgangen – nämlich soweit sie noch nicht in Standardwerke eingegangen sind.2 Zudem hat sie Angaben aus Werken von unterschiedlichem Forschungsstand übernommen, ohne die Quellengrundlagen zu reflektieren. So tauchen bei ihr die Daten aus der Inschrift CIL VI 1529 = 41234 sowohl in der Karriere von C. Vettius Gratus Sabinianus als auch in der von C. Vettius Gratus Atticus Sabinianus auf. Offenkundig ist ihr entgangen, dass die Inschrift heute mit guten Gründen nicht mehr dem ersten, sondern dem zweiten Senator zugewiesen wird.

Insgesamt trägt die Studie trotz der Mühe, die die Autorin zweifelsohne aufgewandt hat, nur wenig an Neuem ein. Möglicherweise war sie breiter angelegt, als es die Verfasserin in vernünftiger Zeit bewältigen konnte, zumal der Untersuchungsgegenstand sehr viele, zum Teil überaus komplexe Detailprobleme in sich birgt. Eine klarere Fokussierung und ein genauer durchdachter Ansatz hätten wohl zu einem größeren Erkenntnisgewinn geführt. So wird seit langem eine eingehende Studie zu den aufgestiegenen ritterlichen Beamten und Offizieren vermisst. Man wird weiter warten müssen.

Anmerkungen:
1 Vgl. Michel Christol, Essai sur l’évolution des carrières sénatoriales dans la seconde moitié du IIIe s. ap. J.-C., Paris 1986.
2 So sind z.B. bei L. Valerius Publicola Messala Helvidius Thrasea Priscus Minicius Natalis seit 1998 der volle Name und die gesamte Karriere bekannt (AE 1998, 280); auch für den zweiten ordentlichen Konsul von 234 n.Chr. kennt man mittlerweile den kompletten Namen und die Abstammung (M. Munatius Sulla Urbanus, siehe AE 2005, 88). Die Verfasserin scheint nicht zu wissen, dass Bengt E. Thomasson zu seinen sehr sorgfältigen Statthalterlisten eine Reihe von Nachträgen veröffentlicht hat, deren letzter Stand im Internet abgerufen werden kann (<http://www.radius.nu/lp_addenda_v.shtml>, 04.11.2011). Auch die maßgebliche Neupublikation der Arvalakten wird von ihr nicht berücksichtigt: John Scheid (Hrsg.), Commentarii fratrum Arvalium qui supersunt. Les copies épigraphiques des protocoles annuels de la confrérie Arvale (21 av.–304 ap. J.-C.), Rome 1998.

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