B. Kühnel: Die Geburtskirche in Bethlehem

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Titel
Die Geburtskirche in Bethlehem. Die kreuzfahrerzeitliche Auskleidung einer frühchristlichen Basilika


Autor(en)
Kühnel, Bianca; Kühnel, Gustav
Erschienen
Regensburg 2019: Schnell & Steiner
Anzahl Seiten
192 S.
Preis
€ 39,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Wozniak, Seminar für Mittelalterliche Geschichte, Eberhard Karls Universität Tübingen

Die Geburtskirche in Bethlehem, eine der Hauptkirchen des Christentums, wird von griechisch-orthodoxen, franziskanischen und armenischen Kirchenvertretern betreut. Erstmals hatte Gustav Kühnel sich 1979 den mittelalterlichen Wandmosaiken dieser Basilika genähert und später die Erlaubnis erhalten, sie vorsichtig zu reinigen.1 Seither versuchte er die Verantwortlichen zu überzeugen, das aus dem 15. Jahrhundert stammende Dach der Geburtskirche zu erneuern. Erst 2010 wurde eine Einigung erzielt, mit der das Dach der Kirche, die 2012 zum UNESCO-Welterbe ernannt wurde, grundlegend saniert werden konnte. In die begleitenden Restaurierungsarbeiten wurden auch die Mosaiken mit eingeschlossen, die, nachdem sie weit über eine Reinigung hinausgehend restauriert werden konnten, nun wieder in vollem Glanz erstrahlen.

Die bedeutende frühchristliche Kirche erhielt im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts eine neue mittelalterliche Ausgestaltung. Die dabei kreierte Mosaikausstattung stammt ausnahmslos aus der Kreuzfahrerzeit und wurde später nicht mehr verändert (S. 9, 15). Während der Restaurierungsarbeiten konnten auch die Mosaiken bezüglich der kunsthistorischen und paläographischen Befunde noch einmal neu betrachtet werden, was in die vorliegende Publikation mit einfloss, die von Bianca Kühnel von der Hebrew University Jersualem auf Basis der Materialien Gustav Kühnels erstellt wurde.2

Das Buch besteht aus fünf großen Teilen. Im Kapitel „I. Geschichtlicher Kontext: Die Inschriften“ (S. 19–33) werden die drei zentralen Inschriften beschrieben, denn an „der einzigartigen Bedeutung der kreuzfahrerzeitlichen Auskleidung der Geburtskirche haben nicht zuletzt die begleitenden Inschriften Anteil.“ (S. 16). Obwohl von der Inschrift des Königs Amalrich (1136–1174) nur noch wenige Buchstaben erhalten sind, überliefern zwei voneinander unabhängige Pilgerberichte der Jahre 1335 und 1461 den vollständigen Text. Bei zwei anderen Inschriften sind konkrete Datierungen enthalten: In der Votivinschrift einer Säulenmalerei wird das Jahr 1130 genannt, in der griechischsprachigen Inschrift, die sich auf Kaiser Manuel Komnenos (1143–1180) bezieht, das byzantinische Jahr „Sept. 1168–Aug. 1169“. Diese Inschrift enthält zudem eine Künstlersignatur: Genannt wird in lateinisch Basilius pictor, dessen Name um „Diakon“ auf syrisch ergänzt ist, was die besondere Bedeutung syrischer Christen (suriani) innerhalb der griechisch-orthodoxen Gemeinschaften im religiös-kulturellen Leben des Königreiches Jerusalem unterstreicht. Nach den Autoren verweist bereits die Namensnennung des Basilius pictor auf die Kontinuität byzantinischer Handwerkskunst im Heiligen Land während der Kreuzzüge.

Im Kapitel „II. Das Ausstattungsprogramm“ (S. 31–124) werden ausführlich die kunsthistorischen Beobachtungen mitgeteilt, die zur „Inszenierung des locus sanctus“ (S. 34–55) verwendet wurden. Ausgehend vom zentralen Motiv der Geburt Christi in der Grotte werden hier zahlreiche narrative Szenen vorgestellt, die teilweise vorhanden, teilweise aus früheren Berichten bekannt sind. Die Bildprogramme weisen Bezüge zu nordgriechischen und mazedonischen Kirchen auf, aber auch zur byzantinischen Provinzialkunst besonders auf Zypern. Das Bildprogramm bestand ursprünglich aus dichtgedrängten, unmittelbar aneinander anschließenden Szenen aus dem Leben von Jesus und Maria, von denen aber nur Fragmente erhalten sind. Zu den erhaltenen Szenen zählen die Himmelfahrt Christi, die Verklärung Christi, der ungläubige Thomas und der Einzug in Jerusalem. Hinzu kommen genealogische Abbildungen der Ahnen Christi, wie Jakob, Mattan, Eleasar, Eliud, Achim, Zadok oder Azor.

Der größte Teil der Seitenwände ist jedoch den kirchlichen Konzilien gewidmet, die in anikonischer Form als in Scheinarchitektur eingebettete Texte präsentiert wurden. In sogenannten Konzilssynopsen wurden die wichtigsten Beschlüsse des jeweiligen Konzils präsentiert. Die Mosaike der Konzilien sind nach oben begrenzt von Mosaiken schreitender Engel und nach unten durch die auf die Säulen des Langhauses gemalten Heiligen. Zwischen den Konzilsdarstellungen sind Mosaike fantastisch geformter Kandelaber oder ein kunstvolles Gemmenkreuz platziert. Auf der Nordwand sind sechs Regionalsynoden des 3. und 4 Jahrhunderts abgebildet, auf der Südwand die sieben ökumenischen Konzilien des 4. bis 8. Jahrhunderts. An dieser Stelle (S. 76–87) bietet die Darstellung zwar redundant die Übersetzung der ab S. 166 abgedruckten und übersetzten Konzilstexte, für den Lesefluss ist diese Lösung jedoch unumgänglich. Am Ende des Kapitels werden die Ergebnisse zur Deutung des Bildprograms, der Geschichte und Autorenschaft noch einmal umfangreich zusammengefasst.

Im Kapitel „III. Die stilistische und technische Konsistenz der Ausstattung“ (S. 125–154) stehen dann die materiellen Aspekte der Mosaiken im Vordergrund, die bis 1983 aufgrund einer dicken Schmutzschicht immer nur eingeschränkt interpretiert und datiert werden konnten. Mittlerweile können die unterschiedlichen Hände einer großen Werkstatt zugeordnet und paläographisch alle Mosaike ins 12. Jahrhundert datiert werden.

In den anschließenden „Schlussbetrachtungen, Ort und Geschichte – Ein visueller Diskurs der Kreuzfahrerzeit an der Stätte von Christi Geburt“ (S. 155–158) werden noch einmal kurz die Ergebnisse zusammengetragen. Darauf folgt im Anhang „Die zweisprachige Inschrift im Bema und die Konzilsinschriften im Mittelschiff – Eine neue Edition“ (S. 159–180) ein Beitrag aus der Feder des Altphilologen Erich Lamberz. Dieser liefert eine seitenweise formatierte Transkription der Inschriften samt deutschsprachiger Übersetzung, die hilfreich sind, aber editorische Überlegungen nur teilweise aufgreifen, denn es fehlen genauere Angaben zu Größe, Lage oder Buchstabenhöhen und der Anmerkungsapparat führt die zugrunde liegenden Drucke, Handschriften und früheren Dokumentationen nur sehr sparsam an. Ideal wäre eine Nebeneinanderdarstellung von Abbildungen der Inschriften vor und nach der Restauration gewesen. Bei neun der 15 Mosaiken wird zumindest eine Abbildung gegeben. Trotz dieser Einschränkungen bietet der Anhang aber eine wichtige Grundlage für die künftige Forschung zu den Inschriften der Geburtskirche. Mit einer ausführlichen Bibliografie (S. 181–190), einem „Verzeichnis der Abbildungen“ (S. 190) und dem Index (S. 191 f.) endet der mit 59 farbigen Abbildungen ausgestattete Band. Wollte man nach Monita suchen, wäre anzumerken, dass im Index Basilius pictor fehlt oder dass sich zwischen dem Detailbild der Gewandfalten eines Engels (Abb. 53) und dessen Übersichtsbild (Abb. 52) keine Übereinstimmung feststellen lässt.

Fazit: Für die Geburtskirche in Bethlehem wurde nach den bahnbrechenden Forschungen Gustav Kühnels in den 1980er-Jahren nun eine aktualisierte Fassung für ein größeres Publikum vorgelegt. Der üppig ausgestattete, vollfarbige Band präsentiert die Früchte der Forschungen der letzten drei Dekaden und wird künftig einen Meilenstein bei der Beschäftigung mit diesem zentralen Bauwerk der Christenheit darstellen.

Anmerkungen:
1 Gustav Kühnel, Wall painting in the Latin kingdom of Jerusalem, Berlin 1988.
2 Anastasia W. Keshman, Crusader Wall Mosaics in the Holy Land. Gustav Kühnel’s Work in the Church of the Nativity in ‎Bethlehem, in: Arte Medievale, serie IV, III (2013), S. 257–271.

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