I. Worthington: Alexander the Great

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Titel
Alexander the Great. A reader


Herausgeber
Worthington, Ian
Erschienen
London u.a. 2003: Routledge
Anzahl Seiten
XVI, 332 S.
Preis
£ 19,99 / € 32,51
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sabine Müller, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Justus-Liebig-Universität Gießen

Ian Worthington, Professor für Griechische Geschichte an der University of Missouri-Columbia, hat sich mit zahlreichen Veröffentlichungen zur Laufbahn Alexanders, insbesondere zum Harpalosfall, einem Sammelband zu Demosthenes und Quelleneditionen der attischen Redner Deinarch, Hypereides und Lykurg einen Namen als Experte für griechische Geschichte des 4. Jahrhunderts v.Chr. gemacht.1 Mit "Alexander the Great. A reader" legt er als Herausgeber einen Sammelband vor, der sich als eine Art einführendes Handbuch vor allem an die Adresse von Studenten richtet, die sich mit den Problemfeldern in der Alexanderforschung auseinander setzen wollen.

Der Band ist in 11 Sachkapitel gegliedert, denen jeweils eine knappe Einführung in die Thematik, kurze ausgewählte Quellenzitate in englischer Übersetzung und weiterführende Literaturhinweise vorangestellt sind. Die Themen umfassen die Problematik der Quellenlage als einleitenden Punkt und behandeln dann die wichtigsten Aspekte der Regentschaft Alexanders: sein Erbe, seine Ziele, die Beziehung zu den griechischen Staaten, die Herrschaft in Asien, den Indienzug und seine letzten Jahre, Alexander als Feldherr, die These von seiner angeblichen Idee einer "unity of mankind", die Frage der Vergöttlichung, die Rolle von Verschwörungen während seiner Regierungszeit und als abschließendes Kapitel die Beurteilung, inwieweit sein Beiname "der Große" historisch zu rechtfertigen ist.

Worthingtons in seinem Vorwort erörtertes Ziel ist es, anhand einer Gegenüberstellung unterschiedlicher Forschermeinungen in bekannten Aufsätzen aufzuzeigen, "that there is no single approach to Alexander" (S. viii). Es solle dem Leser überlassen werden, sich mit Hilfe des zitierten Quellenmaterials und der Forschungsthesen eine eigene Meinung über Alexander als Person, Herrscher und Feldherr zu bilden.

Für diese Meinungsbildung stellt Worthington allerdings in dem Vorwort bereits Weichen, indem er die Wahl aufzeigt, "to accept the picture of a dashing king enjoying spectacular successes and establishing a great empire, or … adopt a more cynical evaluation of him, one based on the downside of his reign [...] an Alexander, [...] who was guilty of drunken, paranoic, acts of murder, [...] whose megalomania led him to believe in his own divinity, and whose failure to produce an uncontested heir led to the disintegration of his empire?" (S. vii) In dieser Fragestellung liegt die Problematik des Bandes verankert, in dem zwei extreme Forschungspositionen, die Thesen von Alexanderapologeten - wie beispielsweise Tarn, Fuller und Hammond - und die der Vertreter eines Negativbildes des Makedonenkönigs - wie Worthington und Badian - unkommentiert gegenübergestellt werden, ohne dass der Mittelweg, der auch in der Forschung beschritten und in Kapitel 5 mit dem hervorragenden Aufsatz von Michel Austin über die Beurteilung von Alexanders Eroberungszug in der antiken Historiographie ansatzweise aufgezeigt wird (S. 118-135), als wirkliche Alternative präsentiert wird.

Die Beschränkung der Kriterien der Alexanderforschung auf das Persönlichkeitsbild des Königs wurde schon 1978 von Wirth kritisiert 2 und ist zudem ein Maßstab, der den breit gefächerten Themenschwerpunkten des Bandes ebenso wie den beinhalteten Aufsätzen nicht gerecht wird, allerdings mit der Methodik Worthingtons zu erklären ist, der als Hauptvertreter der von Holt kritisierten "new orthodoxy" der Alexanderforschung (S. 319) dessen Handlungsweisen weniger unter dem politischen Aspekt zu erklären, sondern unter dem Gesichtspunkt der Irrationalität mit Alexanders Paranoia, Brutalität und Größenwahn zu analysieren versucht.3

Ein Sammelband ist per se selektiv, die Selektion erscheint indes gelungen, wenn wie in Kapitel 8 eine veraltete Forschungsmeinung von Tarn über Alexanders vermeintlich angestrebte Menschheitsverbrüderung (S. 202-207) mit einer quellenkritischen Analyse der modernen Forschung, Bosworths Artikel über Alexanders Politik der Ausbalancierung des makedonischen gegen das persische Element seines Hofes (S. 208-235), kontrastiert wird.

Ebenso stimmig ist die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Forschungsmeinungen zum problematischen Thema der Vergöttlichung Alexanders, deren Bandbreite von der völligen, mehr emotional als argumentativ belegten Negierung Tarns über die Analyse Badians, in welchem Maße Alexander die achaimenidische Tradition für seine Legitimation als isotheos zu nutzen versuchte, bis zu der sachlichen Widerlegung der Vergöttlichungsthese durch Cawkwell reicht.

Hilfreich und in nüchterner Neutralität ist auch die Auswahl der Aufsätze zur Thematik der Beziehung zwischen Makedonien und den griechischen Staaten von der Schlacht bei Chaironeia bis zu Alexanders Tod und über Alexanders Herrschaft in Asien gehalten, wenn andererseits diesbezüglich auch die Kontroverse fehlt.

Problematisch erscheint in Anbetracht der Zielsetzung und Fragestellung des Bandes ein Kapitel wie das zehnte über den bedeutungsvollen Aspekt der Verschwörungen in Alexanders Regime, der nur von einer Stellungnahme abgedeckt wird, Badians ausführlichem Aufsatz, dessen kritische Verurteilung des Makedonenkönigs als Intriganten eine Gegenüberstellung mit Heckels auf Plutarch basierender These über eine Intrige der Hofkreise gegen Philotas 4 im Interesse des betonten Forschungsspektrums wünschenswert gewesen wäre.

Die Beschränkung des Bandes auf englischsprachige Aufsätze zeigt sich bei der Beschäftigung mit Philipps letzten Plänen ebenso als Manko wie in dem Kapitel über Alexander als Feldherrn, da den Aufsätzen von Fuller und Fredricksmeyer die Ergänzung durch die kritischen und ausführlichen Analysen Wirths über Alexanders Jahre als Kronprinz und seine problematische Beziehung zum Heer fehlt, die in der internationalen Alexanderforschung Maßstäbe gesetzt haben.5

Insgesamt ist zu sagen, dass Worthingtons Sammelband dem Anspruch, verschiedene Forschungsansätze in den behandelten Themenfeldern aufzuzeigen, nicht immer gerecht wird und zudem von einer Prämisse ausgeht, die ein einseitiges Alexanderbild fördert und den Mittelweg, die Analyse der politischen Hintergründe statt der überholten Beschränkung auf das Persönlichkeitsbild, von vornherein ausschließt.

Anmerkungen:
1 Es seien exemplarisch zu nennen: Worthington, I.: The first flight of Harpalus reconsidered, in: Greece & Rome 31 (1984), S. 161-169; Plutarch Demosthenes 25 and Demosthenes' cup, in: Classical Philology 80 (1985), S. 229-233; How "great" was Alexander?, in: The Ancient History Bulletin 13 (1999), S. 39-55; Ventures into Greek history, Oxford 1994; Demosthenes. Statesman and orator, London 2000; Dinarchus, Hyperides and Lycurgus (Oratory of Classical Greece 5), Austin 2001.
2 Wirth, G.: Anmerkungen zur Schlacht von Issos, in: Studia in honorem Veselini Beševliev, Sofia 1978, S. 435-449.
3 "History is riddled with megalomaniacs who along the way suffered from divine pretensions …", S. 310.
4 Heckel, W.: The conspiracy against Philotas, in: Phoenix 31 (1977), S. 9-21. Als ein weiterer wichtiger Aufsatz zum Themenkomplex Alexander als Feldherr ist auch eine Veröffentlichung zu nennen, die sich mit den Formen der mangelnden Disziplin im makedonischen Heer befasst: Carney, E. D.: Macedonians and mutiny: Discipline and indiscipline in the army of Philip and Alexander, in: Classical Philology 91 (1996), S. 19-44.
5 Wirth, G., Studien zur Alexandergeschichte, Darmstadt 1985, insbes. S. 168-203; Philipp II. Geschichte Makedoniens 1, Stuttgart 1985; Der Brand von Persepolis. Folgerungen zur Geschichte Alexanders des Großen, Amsterdam 1993.

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