H.-C. Kraus: Englische Verfassung und politisches Denken 1689 bis 1789

Cover
Titel
Englische Verfassung und politisches Denken im Ancien Régime 1689-1789.


Autor(en)
Kraus, Hans-Christof
Reihe
Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 60
Erschienen
München 2006: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
817 S.
Preis
€ 89,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Roland Ludwig, Hanau

Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um die Habilitationsschrift von Hans-Christof Kraus, der mittlerweile Inhaber eines Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte in Passau ist. Hans-Christof Kraus hat eine weitgehend traditionell orientierte Geschichte des Transfers politischer Ideen vom Inselreich England auf den Kontinent geschrieben. Der zeitliche Rahmen der Arbeit ergibt sich aus den herausragenden Daten der Glorreichen Revolution von 1689 in England und dem Beginn der Französischen Revolution im Jahr 1789. Der Untersuchungsgegenstand sind Schriften aus England, Frankreich und der deutschsprachigen Welt, die sich in dem genannten Zeitraum mit einem zentralen Thema des politischen Diskurses beschäftigten: der englischen Verfassung. Kraus berücksichtigt nicht nur das eindeutig politische Schrifttum, sondern auch Reiseberichte und Landeskunden.

Dabei ist Kraus´ Vorgehensweise breit angelegt; er zieht neben den allseits bekannten klassischen Autoren wie Montesquieu, Blackstone oder Hume für die deutsche Englandrezeption so manchen heute nahezu unbekannten Autor heran. Dass unter der Vielzahl der in fleißiger Aneinanderreihung untersuchten Texte auch eine Reihe von englandkritischen zu finden sind, vermag kaum zu verwundern, wenn man die konfessionelle Spaltung Deutschlands bedenkt. Die Quintessenz der Kraus´schen Arbeit ist letztendlich, dass es neben der Anglophilie des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum auch eine ebenso stark vorhandene Englandkritik gab. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verlor das konfessionelle Argument an Bedeutung und es traten neben die katholischen Vorbehalte die Kritik an der politischen Korruption in England, die Ablehnung des politischen Parteiwesens generell und der Vorwurf eines geringen Maßes der Trennung der Staatsgewalten. Bei manchen Autoren überwog das Misstrauen gegenüber einer demokratischen Fassade, hinter der sich angeblich eine Despotie befinden würde, oder wie bei Johann Reinhold Forster, der die englische Verfassung zu einer verkommenen „Scheinveranstaltung eines verdeckten Absolutismus“ (S. 659) erklärte.
Kraus stellt gerade für die Jahre kurz vor 1789 die Formelhaftigkeit des konventionellen Lobliedes auf die englische Verfassung fest. Eine Formelhaftigkeit, die vielfach in der konkreten Schilderung des politischen Alltags so stark konterkariert wurde, dass bei einigen Autoren von einer englandfreundlichen Einstellung nur noch schwerlich gesprochen werden kann.

Bei anderen Beobachtern hatte England aber noch immer eine Vorbildfunktion, es gab Lob für die Herrschaft der Gesetze, für den hohen Grad der sozialen Mobilität, für die Pressefreiheit und den „public spirit“, aber auch die Ministerverantwortlichkeit und die Existenz politischer Opposition fanden Zustimmung. Immer wieder entdeckt Kraus eine außerordentlich gute Englandkenntnis in den deutschsprachigen Publikationen des 18. Jahrhunderts. Kraus arbeitet akribisch und manchmal etwas schematisch bestimmte Fragen ab: So tauchen in der Kraus´schen Fleißarbeit immer wieder Punkte auf, ob etwa der Autor das Inselargument einsetzte oder nicht, oder wie er es mit Montesquieus (bzw. Paul Rapin de Thoyras) These von der germanischen Urfreiheit in England hielt, das heißt der These vom Ursprung der englischen Freiheit aus den germanischen Wäldern; usw.

Die anglophile Haltung der in Bedrängnis geratenen Hugenotten, die Kraus als den Beginn der Debatte eruiert, ist zweifellos kein Novum in der Forschung. Nichtsdestotrotz ist Kraus zuzustimmen, wenn er die Bedeutung der Hugenotten für die europäische Dimension der Debatte (S. 87) und besonders die von Rapin de Thoyras als eines herausragenden (und manchmal unterschätzten) Vertreters der politischen Anglophilie auf dem Kontinent (S. 142), der bereits fast alle zentralen Elemente der politischen Anglophilie (S. 143) artikulierte, hervorhebt.

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