L. Burckhardt: Militärgeschichte der Antike

Cover
Titel
Militärgeschichte der Antike.


Autor(en)
Burckhardt, Leonhard
Reihe
C. H. Beck Wissen 2447
Erschienen
München 2008: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
Preis
€ 7,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andrea Schütze, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Mit seiner „Militärgeschichte der Antike“ möchte Leonhard Burckhardt den Lesern einen Einstieg in einen überaus vielschichtigen Aspekt der Menschheitsgeschichte ermöglichen: den Krieg. Gerade in der modernen westlichen Zivilgesellschaft erscheint der Krieg als weitgehend überwunden und ferner denn je zuvor. Nicht selten befremdet uns daher heute die Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit des Umgangs mit Krieg und Gewalt in der Antike.1 Der zunehmende Verlust zeitgenössischer Kriegserfahrung in der Gegenwart verleitet zu der trügerischen Vorstellung einer historischen Entwicklung gegenüber früheren Jahrhunderten und Jahrtausenden des Krieges hin zu einem friedlicheren politischen Zustand.2 Mit dieser scheinbaren Kriegsferne geht ein gesteigertes Interesse auch an den antiken Kriegen einher, das nicht zuletzt der vielfältigen medialen Aufarbeitung zu verdanken ist.3 Ihm tragen auch die zahlreichen jüngst publizierten Einführungswerke zur antiken Kriegsführung Rechnung. Burckhardt gibt sie am Ende seines Bändchens in sicherlich nicht abschließender4, aber doch repräsentativer Auswahl dem Leser (nebst Register und Bildnachweis) an die Hand.

Die erhöhte Publikationsfrequenz mag es angezeigt erscheinen lassen, nach der Berechtigung einer weiteren Publikation auf diesem Feld zu fragen: Die Frage, ob dieses Werk dem Leser als Einstiegslektüre ans Herz gelegt werden kann, lässt sich jedoch eindeutig bejahen. Sicherlich hat Burckhardt in seiner Militärgeschichte, die sich über zwölf Kapitel von der griechischen Archaik bis zur römischen Spätantike erstreckt, das sprichwörtliche Rad nicht neu erfunden. Viele vermittelte Informationen könnten im Querlesen anderer Arbeiten gleichfalls erworben werden. Doch gerade darin liegt der unbestreitbare Vorteil für den Leser dieses Buches: Was erst die mühevolle Lektüre verschiedener Einführungswerke vermitteln würde, liefert Burckhardt kompakt in einem kleinen Band – ein übersichtliches, leicht memorierbares historisches Raster zur Kriegsgeschichte, das den Einsteiger befähigt, alle weiteren Informationen verständlich einzuordnen, ohne die Orientierung zu verlieren. Darin besteht oft gerade das für den Einsteiger größte Problem: Nicht wenige Publikationen exemplifizieren und bilden thematische Schwerpunkte, versäumen aber gleichzeitig den Leser einen historischen Überblick zu geben, in den der Lernende die neu erworbenen Informationen einbauen könnte. Genau diese sichere historische Orientierung bietet der kleine Band. Möglicherweise hätte man sich das ein oder andere, wie beispielsweise die Darstellungen zum Peloponnesischen Krieg oder zu den Diadochenkriegen, vertiefter gewünscht; andere Punkte, wie etwa der Alexanderzug oder einzelne Schlachtbeschreibungen, hätten meines Erachtens teilweise einer zusätzlichen Visualisierung durch Karten oder Pläne bedurft. In der Gesamtschau dieses Werkes fallen allerdings diese Wünsche weniger ins Gewicht, denn Burckhardts geschickte Darstellungsweise vermag dies weitgehend auszugleichen.

In didaktisch vorbildlicher Weise mit ineinander greifenden Kapiteln und durchgehenden Entwicklungssträngen wälzt sich immer größer, immer mächtiger werdend der Krieg durch die Jahrhunderte antiker Geschichte, vom archaischen Zeitalter Homers bis zum Untergang des Weströmischen Reiches. Krieg zeigt sich dem Leser nicht als ein rein historisch-technisches Kontinuum, sondern als eine in ihren Dimensionen anwachsende Realität sowie als politisches und soziales Phänomen; er begann als adliges Vorrecht, bot dann über das daraus resultierende Prestige auch für zunächst ausgeschlossene soziale Gruppierungen eine gesellschaftliche Aufstiegschance und verkam schließlich zum Rekrutierungs- und Finanzierungsproblem. Schön gelöst erweist sich der klare Aufbau der Kapitel, die jeweils zeitlichen Epochen entsprechen. Nach einem kurzen militärgeschichtlichen Abriss, der stets im historischen Gesamtkontext verankert bleibt, werden die militärtechnischen Besonderheiten sowie die damit verknüpften sozialen Entwicklungen herausgearbeitet. Durch diesen einfachen und überzeugenden Aufbau wird der Leser an einer durchgehenden Zeitschiene entlanggeführt, die ihm Vieles in der Kriegsentwicklung verstehen lässt, das sonst gerade für den Einsteiger wohl nur schwer fassbar wäre.

Das für das antike Kriegsverständnis so elementare Prinzip domi militaeque wird in unserem Sprachgebrauch häufig mit dem heute als Antithese verstandenen Begriffspaar Krieg und Frieden parallelisiert. Krieg erfuhr in der Antike jedoch keine vollständige Abkoppelung vom zivilen Bereich, wie dies diese Antithese nahelegt. Burckhardt zeigt im Gegenteil klar verständlich die intensiven Verflechtungen des Krieges mit der zivilen antiken Gesellschaft auf, die Krieg nicht allein destruktiv, sondern mitunter auch konstruktiv wahrnahm.5 Seine Militärgeschichte entfaltet vor dem Leser die unterschiedlichen, auch nur mittelbaren Verknüpfungen zwischen der Welt des Krieges und der der Zivilisten bis hin zum handfesten Problem kriegsbedingter Finanzierungskrisen.6 Zudem erfährt der Leser, dass militärische Entwicklungen kein in sich geschlossener Vorgang, sondern auch Ergebnis einer quasi militärisch geführten Kommunikation mit dem Feind bzw. den Zivilisten waren. In diesen Zusammenhang gehört die immer wieder anklingende Thematik der medialen und kommunikativen Bedeutung von Waffen, wie beispielsweise der Helmputz, der im Zeitverlauf stetig anwachsende Maschinenpark antiker High-Tech-Waffen oder auch der weiterhin prestigeträchtige Einsatz von Kriegselefanten, selbst als ihre militärische Effektivität bereits im Schwinden begriffen war.

Burckhardt entwirft ein faszinierendes Geflecht des antiken Krieges, das nicht nur geeignet ist, die Epochen der Antike und die sozialen Dimensionen der Kriegsgeschichte zu durchdringen, sondern auch in seiner über Jahrtausende entwickelten Komplexität die Hoffnung auf Realisierung des alten Menschheitstraumes von einem „ewigen Frieden“ allzu illusorisch erscheinen lässt. Dies zudem auf kaum mehr als 100 Seiten zu vermitteln, darf als besondere Leistung des Bändchens betrachtet werden, das in summa als gelungene Einführungsliteratur bewertet werden kann.

Anmerkungen:
1 Vgl. Burchkardt, S. 7: „In der griechischen und römischen Welt gehörten Krieg und Militärwesen mit verstörender Selbstverständlichkeit zum Dasein“; vgl. auch Paul Zanker, Die Frauen und Kinder der Barbaren auf der Markussäule, in: John Scheid / Valérie Huet (Hrsg.), Autour de la colonne Aurélienne. Geste et image sur la colonne de Marc Aurèle à Rome, Turnhout 2000, S. 163–174, hier 168: „Die schaulustigen Römer weideten sich, wie man folgern darf, gerne am Unglück der Barbaren“. Zanker zeigt im weiteren Verlauf dieses Beitrages eine kulturell bedingte Ursächlichkeit dieser unterschiedlichen Realitätswahrnehmung. Eher problematisch erscheinen mir hingegen gerade im Zusammenhang mit modernen Inszenierungen (Gladiator, ROM) als antik empfundene moderne Wahrnehmungen, vgl. als ein Beispiel für viele gleichartige Stellungnahmen: Helmut Krausser, Zombie im Circus Maximus. Das Sandalen-Genre erweckt Regisseur Ridley Scott im US-Film „Gladiator“ zu neuem Leben – und erzählt hinreißend vom grausamen Arenakampf Mann gegen Mann, in: Spiegel 2000/21, S. 260–263, hier 263: „Man versteht plötzlich, wie die Menschen jener Ära ein Gemetzel hinreißend finden konnten.“
2 Die besondere Schocksituation, die das Ereignis vom 11. September 2001 auslöste, beruhte nicht zuletzt im Empfinden von Kriegsferne und dem Gefühl der Sicherheit, vgl. Klaus Schwabe, Weltmacht und Weltordnung. Amerikanische Außenpolitik von 1898 bis zur Gegenwart, Paderborn u.a. 2006, S.468 oder Herfried Münkler, Asymmetrische Gewalt. Terrorismus als politisch-militärische Strategie, in: Ders., Über den Krieg. Stationen der Kriegsgeschichte im Spiegel ihrer theoretischen Reflexion, 2. Aufl., Weilerswist 2003, S. 252–264. Allein schon die Vorstellung, Europa lebe seit 1945 in Frieden, ist grundsätzlich eine irrige, weil sie die nach 1945 real empfundene massive Bedrohung eines globalen Atomkrieges ausblendet, die bis in die 1980er-Jahre des 20. Jahrhunderts hineinreichte, ganz zu schweigen von den Kriegen in Ex-Jugoslawien während der 1990er-Jahre.
3 Die mediale Präsenz der antiken Kriegsgeschichte ist sicher nicht so gering, wie Burckhardt sie einschätzt („wenn sie überhaupt vorkommt“, S. 8).
4 Vielleicht hätten auch der von Gerfried Mandl und Ilja Steffelbauer herausgegebene Band (Krieg in der Antiken Welt, Essen 2007) und ganz besonders Thomas Ganschows anregende Einführung (Krieg in der Antike, Darmstadt 2007) eine Aufnahme verdient.
5 Vgl. hierzu die Beiträge von Wolfram Martini, Raum und Ritual im römischen Triumph. Die Wegstrecke des Triumphzugs, in: Helmut Krasser / Dennis Pausch / Ivana Petrovic (Hrsg.), Triplici invectus triumpho. Der römische Triumph in augusteischer Zeit, Stuttgart 2008, S. 75–94 und Sven Th. Schipporeit, Wege des Triumphes. Zum Verlauf der Triumphzüge im spätrepublikanischen und augusteischen Rom, ebd., S. 95–136.
6 Vgl. Burckhardt, S. 37. Vgl. dazu insgesamt den von Friedrich Burrer und Holger Müller herausgegebenen Sammelband „Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der Antike“ (Darmstadt 2008) mit zahlreichen weiteren Beiträgen.

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