M. A. Speidel: Heer und Herrschaft im Römischen Reich

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Titel
Heer und Herrschaft im Römischen Reich der hohen Kaiserzeit.


Autor(en)
Speidel, Michael A.
Reihe
Mavors. Roman Army Researches 16
Erschienen
Stuttgart 2009: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
706 S.
Preis
€ 128,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Josef Löffl, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Universität Regensburg

Bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte und dem Wesen des exercitus Romanus begegnet dem interessierten Leser im Laufe seines Studiums ein bestimmtes Repertoire an Autoren, deren Arbeiten in der militärhistorischen Forschung zweifelsohne als richtungweisend zu bezeichnen sind. Der Name Speidel zählt nicht nur zu diesem Kreis der „üblichen Verdächtigen“ der römischen Militärgeschichte, sondern repräsentiert zugleich zwei Vertreter dieser Forschungsrichtung, die mit dem hier vorliegenden Werk in Verbindung stehen: Bei der Publikation „Heer und Herrschaft im römischen Reich der hohen Kaiserzeit“ handelt es sich um einen 32 Aufsätze umfassenden Sammelband von Michael A. Speidel, der zugleich Band 16 der von Michael P. Speidel herausgegeben „Mavors Roman Army Researches“ darstellt. Die hier zum ersten Mal vereinten Beiträge entstanden im Zeitraum zwischen 1992 und 2008, wobei der Autor durch eine aktualisierende Überarbeitung dafür Sorge trug, dass die Publikation generell dem Forschungsstand des Jahres 2008 entspricht. Der Sammelband verfügt über einen Quellenindex (S. 681–688), der in übersichtlicher Gliederung literarische Zeugnisse, epigraphisches Material sowie Papyri, Ostraka und Schreibtafeln aufführt. Des Weiteren erleichtert ein Namen- und Sachindex (S. 689–706) den schnellen Zugriff.

Die größtenteils in deutscher, aber auch in englischer und in einem Fall in französischer Sprache verfassten Beiträge verteilen sich auf fünf Hauptkapitel, deren erstes mit „Kaiser, Heer und Reich“ (S. 17–210) bezeichnet ist. Obwohl der Titel des Sammelbandes eine ausschließliche Auseinandersetzung mit dem römischen Militärwesen der hohen Kaiserzeit vermuten lässt, zeigt bereits dieser Abschnitt eindrucksvoll auf, dass Speidel den Blick über den Tellerrand der fachspezifischen Epochengrenzen vornimmt, um so die Entwicklung des Verhältnisses zwischen dem exercitus Romanus und seinem Oberfehlshaber systematisch aufzuzeigen. Mit den Beiträgen über die militärische Neuordnung des Augustus (S. 19–51) und seinem Wirken im Bereich des Finanzwesens (S. 53–84) setzt zugleich eine innere Chronologie dieses Kapitels ein, die der Autor mit einem Aufsatz über die Provinzordnungsmaßnahmen des Septimius Severus bis ins 3. Jahrhundert n.Chr. fortführt.

Während im Aufsatz „Augustus’ militärische Neuordnung und ihr Beitrag zum Erfolg des Imperium Romanum“ die Maßnahmen thematisiert werden, mit deren Hilfe der divi filius den Staat aus dem Würgegriff der spätrepublikanischen Revolutionsheere befreite und diese in Form der kaiserzeitlichen Berufsarmee zur Stütze des Imperium Romanum transformierte, behandelt der folgende Beitrag die spezielle Handhabung der Finanzfragen durch den princeps. Bereits die Kombination dieser beiden Artikel erlaubt es dem Leser, sich ein strukturiertes und dem neuesten Stande der Forschung entsprechendes Bild über die Genese jener besonderen Beziehung zwischen Kaiser und Armee zu machen, welche im Fokus dieses Sammelbandes steht. Neben einem numismatischen Beitrag, in dem die Münzzirkulation im exercitus Romanus an Hand ausgewählter Beispiele behandelt wird (S. 85–108), und einem Aufsatz über germanische Verbände in der römischen Armee (S. 109–120) findet sich im ersten Kapitel beispielsweise auch ein Abschnitt über das militärische Wirken Traians (S. 121–165).

Im Kapitel „Militärischer Alltag und Verwaltung“ (S. 211–346) bearbeitet Speidel aus der Perspektive der Papyrologie zunächst den römischen modus operandi im Bereich der Rekrutierung (S. 213–234) und behandelt dann im Beitrag „Dressed for the occasion“ (S. 235–248) das hohe Maß an Variabilität im Textilwesens der Armee, wobei experimental-archäologische Erkenntnisse leider sträflich vernachlässigt werden. Äußerst aufschlussreich sind hingegen Speidels Aufsätze über die Heeresversorgung im Rahmen der Partherkriege des Septimius Severus (S. 255–271) und über den Begriffswandel im Bereich der Heeresverwaltung (S. 273–281), wobei das facettenreiche Wesen letzterer zusätzlich im Beitrag „Einheit und Vielfalt in der römischen Heeresverwaltung“ (S. 283–304) aufgearbeitet wird. Abgerundet wird dieser Abschnitt durch einen Artikel zur Vindolana Tablet II 154 (S. 305–315) und einen Aufsatz zur honesta missio (S. 317–346).

Von großer Bedeutung für den Sammelband sind die im Kapitel „Rangordnung und Sold“ (S. 347–470) zusammengefassten Beiträge, wobei gerade dem Leser der „Rangordnung“ von Domaszewskis der immense Wert jener Aufsätze unmittelbar bewusst wird. Der Abschnitt beginnt mit einem Artikel über die Entwicklung der Soldzahlungen im exercitus Romanus der Kaiserzeit bis hin zur Epoche der Soldatenkaiser (S. 349–380), auf den Beitrage über den Zusammenhang zwischen Soldhöhe und Rang in der römischen Armee (S. 395–406) sowie über die Entwicklung des Soldes in Verbindung mit der vorherrschenden ökonomischen Situation im Imperium Romanum (S. 407–437) folgen. Im Artikel „Specialisation and promotion in the Roman imperial army“ (S. 439–449) arbeitet Speidel präzise heraus, dass besondere Befähigungen römischer Soldaten deren Aufstieg in der Militärhierarchie keineswegs beschleunigten.

Zu Beginn des Kapitels „Heer und Herrschaftsraum“ (S. 471–649) thematisiert der Autor das Verhältnis zwischen den Armeeangehörigen und der Zivilwelt (S. 473–500). Nach Beiträgen über die militares viae (S. 501–513) und zur Bedeutung des exercitus Romanus als Kulturträger (S. 515–544) widmet sich Speidel in drei aufeinanderfolgenden Aufsätzen dem Beginn der kaiserzeitlichen Herrschaft Roms im Alpenraum (S. 545–562), in der Kommagene (S. 563–580) und in Kappadokien (S. 581–594). Abgeschlossen wird dieser Abschnitt durch einen Artikel über den exercitus Cappadocius (S. 595–631) und einen epigraphischen Beitrag über die Ausdehnung der römischen Einflusssphäre am Roten Meer (S. 633–649). Das lediglich zwei Aufsätze umfassende letzte Kapitel „Heer und Erinnerung“ (S. 651–677) bleibt zwar im Umfang hinter den anderen Abschnitten zurück, doch inhaltlich beleuchtet es einen Aspekt, der in Publikationen zur römischen Armee vielfach außer Acht gelassen wird: In einem Beitrag über die Schlacht von Cannae (S. 653–666) und im Artikel „Die thebäische Legion und das spätrömische Heer“ (S. 667–677) setzt sich der Autor mit der den exercitus Romanus betreffenden Mythen- und Legendenbildung auseinander.

Wie kaum eine andere Publikation bietet Speidels Sammelband vielfältige Zugangsmöglichkeiten zur Thematik: Gerade die hier zusammengeführten Perspektiven der Epigraphik, Papyrologie und Numismatik zeigen dem Leser in eindrucksvoller Weise die Einsatzbreite jener methodischen Ansätze in der Untersuchung der römischen Armee auf. Neben dem Einsatz in der Forschung ist diese Arbeit auch dem interessierten Studierenden uneingeschränkt zu empfehlen. Lediglich der horrende Preis bleibt als Wermutstropfen zu erwähnen: Es wäre wünschenswert, dass dieses Werk ebenfalls eine Veröffentlichung als kostengünstigere Paperbackausgabe erführe, um so auch als Leitfaden zum exercitus Romanus während des Studiums fungieren zu können.

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