Byzanz. Der Aufstieg Istanbuls zur Hauptstadt zweier Weltreligionen

Cover
Titel
Byzanz. Eine Biographie. Der Aufstieg Istanbuls zur Hauptstadt zweier Weltreligionen


Herausgeber
Sebag Montefiore, Sebastian
Erschienen
München 2016: Polyband/WVG
Anzahl Seiten
150 Minuten
Preis
14,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Patrick Reinard, Universität Trier

Die DVD bietet drei separate Filme, die mit 1. Byzanz, 2. Konstantinopel und 3. Istanbul betitelt sind. Jeder Film ist ca. 50 Minuten lang. Diese Filme wurden ursprünglich im TV als Dokumentationsreihe ausgestrahlt und nun nochmals auf einer DVD veröffentlicht. Zusatzmaterial bietet diese nicht. Leitfrage der Dokumentation ist: Wie konnte Byzanz zur „Hauptstadt“ zweier monotheistischer Weltreligionen werden?

Die drei Filme sind chronologisch aufgebaut. „Byzanz“ behandelt die Geschichte der Stadt von Konstantin bis zum Ikonoklasmus (4.–9. Jh.). Neben Konstantin dem Großen und der Neugründung werden besonders die Zeit von Iustinian I. und Theodora sowie die Belagerungen von 626, als Awaren, Slawen und Perser die Stadt erobern wollten, und die von 717, als die Araber vor den Mauern erschienen, ausführlich behandelt. Dabei bleibt die Darstellung recht allgemein, auf die handelnden Personen sowie den weiteren geschichtlichen Kontext wird für die Ereignisse von 626 und 717 nicht eingegangen. Der Bilderstreit wird leider nur anhand von zwei zerschlagenen Reliefs thematisiert. Die politische und theologische Komplexität, auch hinsichtlich der Beziehungen zur Westkirche, wird lediglich oberflächlich gestreift. Nach knappen Bemerkungen springt die Darstellung zu den Exkommunikationen des Jahres 1054.

Der zweite Film „Konstantinopel“ greift die Historie der Stadt ab dem Jahr 1054 auf und endet mit der Eroberung durch Mehmed II. im Jahr 1453. Die Geschichte der Eroberung wird anhand der beiden Herrscher Mehmed und Konstantin XI. geschildert, ohne jedoch auch hier den weiteren Kontext zu präsentieren. Weitere Themen des zweiten Films sind die Schlacht von Mantzikert gegen die Seldschuken (1071) sowie die Kreuzzüge. Auch hier ist die komplexe Geschichte stark vereinfacht: Auf das Bittgesuch des Kaisers Alexios I. Komnenos an Papst Urban (1095) vor dem ersten Kreuzzug folgt – nach knappen Ausführungen über das Verhalten der Lateiner in Byzanz – sogleich die Schilderung des vierten Kreuzzuges, der darstellerisch besonders mit Enrico Dondolo verknüpft wird. Die 1204 in der Stadt erfolgten Zerstörungen werden anhand des Studionklosters erläutert. Etwas unglücklich und konstruiert mutet der Versuch an, die kirchlichen Unterschiede sowie die oströmische Wahrnehmung der Lateiner als Barbaren mittels der Waräger-Garde zu exemplifizieren. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass es nur darum ging, die berühmten Runen-Graffiti in der Hagia Sophia im Film präsentieren zu können. Der zweite Film endet mit kurzen Ausführungen zu den Osmanen, ihrem Ursprung und ihrer kulturellen Offenheit, die als wichtiger Unterschied zu Byzanz benannt wird.

Der dritte Film „Istanbul“ spannt einen Bogen von Selim I. und seinem Sohn Süleyman I. bis zum 1. Weltkrieg und der Geschichte Atatürks. Im Gegensatz zu den Filmen zu Spätantike und Mittelalter ist die chronologische Darstellung hier enger an einzelne Herrscherpersönlichkeiten (z.B. noch Murad II. oder Mahmud II.) bzw. an Personen aus deren Umfeld (z.B. Ibrahim Pascha, Roxelane, Joseph Nasi, Enver Pascha) gebunden. Thematisch werden besonders die Palastintrigen, der Harem und das Prinzenmassaker nach dem Herrschaftsantritt von Murad II. sowie die Bedeutung der Janitscharen hervorgehoben. Der Dokumentation gelingt es sehr gut, den Niedergang des Osmanischen Reiches bis ins 19./20. Jahrhundert hinein darzustellen. Abschließend werden die politisch-wirtschaftlichen Interessen Großbritanniens und Russlands ausführlich thematisiert, welche beide Großmächte dazu motivierte, Einfluss auf das Osmanische Reich zu gewinnen. Eine kurze Skizze der Geschichte des Türkischen Befreiungskrieges sowie der Person Mustafa Kemal Atatürks, der Ankara schließlich in Abgrenzung zur osmanischen Symbolbedeutung Istanbuls zur neuen Hauptstadt der Türkei machte, beschließt die Darstellung.

Die lange Geschichte Istanbuls wird oberflächlich „erzählt“, man beschränkt sich lediglich auf einzelne historische „Highlights“, lässt aber andere wichtige Entwicklungen (z.B. das Problem des Doppelkaisertums, Monophysitismus und Monotheletismus, Makedonische Renaissance) oder herausragende historische Persönlichkeiten – selbst dann, wenn man wichtige Ereignisse schildert, die mit ihrem Wirken verknüpft sind (z.B. Heraclius, Romanos IV. Diogenes, Michael Psellos, Irene von Athen u.a.) – weg. Aufgrund des Formates und des Zielpublikums, die Produktion ist – wie bereits gesagt – an ein TV-Publikum adressiert, verwundert dies freilich nicht.

Herausragend ist die Art der Präsentation, die bewusst schlicht und einfach gehalten ist. Der Historiker Sebastian Sebag Montefiore führt durch die drei Filme bzw. durch die Stadt. Man verzichtet auf die inzwischen in Dokumentationen allgegenwärtigen Animations- und Schauspielszenen. Stattdessen lässt man die Stadt, die Bauwerke und die Kunstdenkmäler für sich sprechen. Auch wissenschaftliche Experten – Jonathan Bardill, Robin Cormack, Nina Ergin, Peter Frankopan und Sean McMeekin – kommen nur gelegentlich und kurz zur Sprache und werden von Montefiore stets an archäologisch-kunsthistorischen relevanten Orten interviewt. Die Monumente der Stadt stehen klar im Mittelpunkt; präsentiert werden u.a. die Hagia Sophia, die Cisterna Basilica, die Sergios- und Bakchos-Kirche, die Hagia Eirene, der Topkapı-Palast, die Fatih-Moschee, die Theodosianischen Stadtmauern, die Chora-Kirche, der Galataturm, die Rumeli Hisarı, die Anadolu Hisarı, die Eyüp-Sultan-Moschee oder die Georgskathedrale. Die Bilder des modernen Istanbuls sowohl von den großen Plätzen – wie etwa dem Hippodrom – als auch von kleinen, abgelegenen Gassen, Fischmärkten oder Hafenvierteln fangen Atmosphäre und Ambiente der Stadt sehr gut ein. Einen faszinierenden Anblick bieten die zahlreichen Luftbilder.

Beklagenswert sind kleine Versehen, die durch die deutsche Synchronisation entstanden sind. Nicht Septimus Severus, sondern Septimius Severus belagerte Byzanz im Jahr 196 n. Chr. und der Bilderstreit wurde nicht in den 1840er-, sondern in den 840er-Jahren beigelegt. Ebenfalls anmerken darf man, dass der mittige Obelisk des Hippodroms unter Theodosius dem Großen, nicht unter Konstantin dem Großen, in die Stadt kam.

Zum Reflektieren über die jüngste Vergangenheit regt eine Szene an, in welcher die blutige Eliminierung der Janitscharen durch Artillerie-Regimenter Mahmuds II. referiert wird. Während der Zuschauer eine aktuelle türkische Militärparade samt Panzer, Hubschrauber und Raketenwerfer sieht, berichtet der Erzähler über das Ende der Janitscharen: „Die Artillerie war dem Großwesir treu ergeben“.

Insgesamt darf man sagen, dass die DVD nicht für den schulischen oder universitären Unterricht geeignet ist. Sie ist als TV-Doku konzipiert und soll ein Fernsehpublikum ansprechen. Dies gelingt sehr gut! Die eindrucksvollen Bilder und das „Einfangen“ des Stadtambientes wecken bei dem Zuschauer das Interesse an der Geschichte Istanbuls.