Am 25. Juli erscheint die August-Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ mit Beiträgen von Bill McKibben, Hamid Skif, Jutta Roitsch, William Pfaff, Hans Jakob Ginsburg, Dominic Johnson u.v.a.
Hamid Skif Erinnerung und Gewalt
Schreiben ist unweigerlich Teil einer Erinnerung, und der Weg zur Erinnerung ist gepflastert mit Gewalt – von diesem Ausgangspunkt unternimmt der Schriftsteller Hamid Skif eine gedankliche Reise in die Vergangenheit, die einen Bogen spannt von seinen Erfahrungen aus der algerischen Kolonialzeit bis hin zum Irakkrieg der Gegenwart. Dabei thematisiert Skif in dem auf seinem Beitrag auf dem diesjährigen World-PEN-Kongress beruhenden Text insbesondere die Frage nach der Verantwortung der Schriftsteller im Zeitalter der Globalisierung. „Wo ist denn nun,“ fragt er, „diese Ethik, an der man sich vollmundig und spaltenlang berauscht?“
Bill McKibben Die China-Story
Berichte über China bieten jedem etwas – es gibt zahlreiche Nachrichten über albtraumartige Fabrikzustände, Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltsünden. Aber selbst zusammengenommen bieten diese Erzählungen kein Bild des wirklichen China. Bill McKibben, Wissenschaftsjournalist und Autor zahlreicher Bücher („The End of Nature“), beschreibt in seiner Reportage Szenen aus Chinas industrieller Revolution. Das von ihm entworfene Panorama macht vor allem eines deutlich: „Chinas Recht auf Industrialisierung“ bedeutet zugleich, dass die chinesische Gesellschaft „der unsrigen zu ähneln beginnt“ - mit allen Konsequenzen für Mensch und Umwelt. Deshalb macht es, McKibben zufolge, so viel Sinn, sich mit Blick auf das Wohlstandsniveau „in der Mitte zu treffen.“
Dominic Johnson Kongolesische Katastrophe Der Bürgerkrieg als Kontinentalkrieg
Am 30. Juli werden in der Demokratischen Republik Kongo erstmals allgemeine Wahlen stattfinden, deren friedlicher Ablauf auch von einer in Kinshasa stationierten EU-Eingreiftruppe mit deutscher Beteiligung gesichert werden soll. Dominic Johnson, Afrika-Redakteur der „tageszeitung“, analysiert die kriegerische Vorgeschichte der Demokratisierung – von der Ermordung Lumumbas über die langjährige Mobutu-Herrschaft bis zum kontinentalen Bürgerkrieg. Seine Warnung: Wenn das Land nach dem Krieg genauso regiert wird wie vor dem Krieg, „gibt es weder einen dauerhaften Frieden noch eine funktionierende Demokratie.“
Hans Jakob Ginsburg Olmerts Dilemma
Die Situation im Nahen Osten eskaliert: Nach der Entführung israelischer Soldaten ist Israel in den Gazastreifen und erstmals seit sechs Jahren auch in den Libanon einmarschiert. Hans Jakob Ginsburg, Journalist in Düsseldorf, fragt nach den Ursachen, Motiven und Perspektiven der israelischen Außenpolitik. Sein Beitrag zeichnet zugleich die politische Karriere des neuen Ministerpräsidenten, Ehud Olmert, nach – vom innerparteilichen Kampf gegen Menachem Begin in den 60er Jahren über seine Zeit als Bürgermeister Jerusalems bis zur Gründung der Kadima.
Jutta Roitsch Föderaler Schlussakt Von der kreativen Kooperation zum ruinösen Wettbewerb
Großer Wurf oder Abdriften in Kleinstaaterei? Jutta Roitsch, langjährige Redakteurin der „Frankfurter Rundschau“, diskutiert die Föderalismusreform – und damit den bisher am weitesten gehenden Eingriff ins Grundgesetz. Dabei befürchtet Roitsch, dass die Änderungen im Strafvollzug, Umweltrecht, Beamtenbesoldung und insbesondere im Bereich Bildung verheerende Folgen für die bundesdeutsche staatliche Ordnung zeitigen werden: Der „ruinöse Wettbewerb“ der Länder werde das Gefälle zwischen reichen und armen Ländern drastisch erhöhen – von einer „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ könne künftig immer weniger die Rede sein.
Anuscheh Farahat, Stefanie Janczyk, Annett Mängel, Barbara Schönig Exklusive Emanzipation Zur Frauen- und Familienpolitik der großen Koalition
Mit dem von der großen Koalition beschlossenen Wechsel vom Erziehungs- zum Elterngeld scheint ein emanzipatorischer Traum in Erfüllung zu gehen. Doch ist Jubel wirklich angebracht? Die Autorinnen kritisieren, dass das neue Gesetz – den medial vorherrschenden Annahmen zum Trotz – sowohl die klassische Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern fortschreibt als auch sozial unausgewogen ist: Während Besserverdienende die eindeutigen Gewinner der Reform sind, verschlechtert sich zugleich die finanzielle Förderung für hunderttausende Haushalte. Sieht so ein „1:0 für die Familie“ (Ursula von der Leyen) aus?
Edelbert Richter Neomerkantilismus – ein deutscher Sonderweg
Die schwache Binnennachfrage ist in der Bundesrepublik inzwischen weitgehend als Wachstumsbremse identifiziert. Dass sie ein direktes Resultat der Exportorientierung ist, wird dabei geflissentlich ausgeklammert. Edelbert Richter, Autor und langjähriges MdB, zeigt, wie die in Deutschland traditionelle Dominanz des Exports und die politische Betonung der Geldwertstabilität – der „währungs- und fiskalpolitische Merkantilismus“, wie die Bundesbank urteilte – die Blockade der Binnenkonjunktur immer wieder neu erzeugt.
Jörg Goldberg Baustelle Entwicklungspolitik
Die internationale Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit befindet sich im Umbruch. Jörg Goldberg, lange Jahre als entwicklungspolitischer Berater in Sambia tätig, untersucht die mit der „Pariser Erklärung“ von 2005 verbundenen neuen Ansätze – gerade auch mit Blick auf die Umsetzung lokaler Projekte. Im Mittelpunkt der Reformen der bundesdeutschen Entwicklungszusammenarbeit muss, so Goldberg, die Förderung von institutionellen, organisatorischen und technischen Kapazitäten vor Ort stehen.
Außerdem:
William Pfaff kommentiert die Krise in Nahost Rolf Mützenich fragt nach dem Unterschied zwischen „guten und bösen Nuklearmächten“ Kai Mosebach kritisiert das Durchwursteln bei der Gesundheitsreform Bernard Schmid skizziert Ségolène Royals Strategie auf dem Weg zur französischen Präsidentschaftswahl 2007 Bernd Parusel porträtiert die neue Vorsitzende der norwegischen „Fortschrittspartei“, Siv Jensen Jan-Werner Müller untersucht die Kapriolen des „mitfühlenden Konservatismus“ Carolin Rüger fragt nach der Zukunft der EU-Verfassung Friederike Boll und Anne Neuendorf diskutieren die Perspektiven der aktuellen Studentenproteste
Inhalt:
KOMMENTARE UND BERICHTE
Gesundheitsreform 2006: Durchwursteln als Strategie von Kai Mosebach S. 901
Von guten und bösen Nuklearmächten von Rolf Mützenich S. 905
Royal auf Wählerfang von Bernard Schmid S. 909
Norwegens rechte Versuchung von Bernd Parusel S. 912
Mitfühlender Konservatismus von Jan-Werner Müller S. 915
EU-Verfassung zur Wiedervorlage von Carolin Rüger S. 919
Studium als Humankapitalinvestition von Friederike Boll und Anne Neuendorf S. 922
MEDIENKRITIK
Grenzüberschreitungen von Günter Giesenfeld S. 925
KOLUMNE
Nahost außer Kontrolle von William Pfaff S. 926
ANALYSEN UND ALTERNATIVEN
Erinnerung und Gewalt von Hamid Skif S. 929
Die China-Story von Bill McKibben S. 943
Kongolesische Katastrophe Der Bürgerkrieg als Kontinentalkrieg von Dominic Johnson S. 959
Olmerts Dilemma von Hans Jakob Ginsburg S. 969
Föderaler Schlussakt Von der kreativen Kooperation zum ruinösen Wettbewerb von Jutta Roitsch S. 977
Exklusive Emanzipation Zur Frauen- und Familienpolitik der großen Koalition Von Anuscheh Farahat, Stefanie Janczyk, Annett Mängel und Barbara Schönig S. 985
Neomerkantilismus – ein deutscher Sonderweg von Edelbert Richter S. 995
Baustelle Entwicklungspolitik von Jörg Goldberg S. 1006
WIRTSCHAFTSINFORMATION
Im Osten nichts Neues von Reinhold Kowalski S. 1014
DOKUMENTE ZUM ZEITGESCHEHEN
Auf zum G8-Gipfel in Heiligendamm Erklärung der „Bundeskoordination Internationalismus“ (BUKO) vom 28. Mai 2006 S. 1017
CHRONIK
Chronik des Monats Juni 2006 S. 1021
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