Unter dem Stichwort Exodus. Leben jenseits von Staat und Konsum? bringt der Schwerpunkt des aktuellen Heftes Beiträge zu den neuesten Protest- und Lebensformbewegungen ‒ Commoning, Coworking, Collaborative Consumption, ortsbezogene urbane Initiativen, subsistenzorientierte Landwirtschaftsprojekte, Open Source-Bewegung, Occupy u. a. m. Sie faszinieren, weil sie mit alternativen Formen sozialer Beziehungen experimentieren und neue demokratische Zusammenhänge entstehen lassen; sie irritieren, weil sie – anders als die „alten“ sozialen Bewegungen – kaum die direkte Auseinandersetzung mit den etablierten politischen Institutionen und ihren eingespielten Verfahren suchen. Diese neuen Phänomene des Protests und der alternativen Lebenspraxis lassen sich als Manifestationen einer exemplarischen Gegengesellschaft begreifen. Man kann sie aber auch als Ausdrucksformen einer eskapistischen und regressiven Gemeinschaftssuche deuten, ebenso oder zugleich als Horte erweiterter Freiheitsspielräume. Die Beiträge von Isabelle Fremeaux, Margarita Tsomou, Eva von Redecker und Juliane Rebentisch sowie ein Roundtable mit Daniel Loick, Diedrich Diederichsen, Rahel Jaeggi und Isabell Lorey setzen sich mit Anspruch und Wirklichkeit dieser Bewegungen und Projekte auseinander.
In den „Studien“ greift Judith Butler die Diskussionen über die politische Bedeutung körperlicher Verletzbarkeit auf; Susanne Krasmann analysiert die Praxis des gezielten Tötens mittels Drohnen und zeigt, wie sich der Einsatz von Drohnen jenseits normativ-moralischer Auseinandersetzungen und unterhalb der Schwelle des Rechts als scheinbar angemessene, effektive Antwort auf ein in spezifischer Weise identifiziertes Sicherheitsproblem etabliert. Axel Honneth problematisiert den Begriff der Pathologie beziehungsweise seine gesellschaftsdiagnostischen und -kritischen Verwendungen.
In der Rubrik „Eingriffe“ schließlich stellt Ferdinand Sutterlüty das Werk des „un-Hobbes“ James C. Scott vor; der Literaturwissenschaftler und Philosoph Kenichi Mishima wendet sich nochmals der Konzeption der „muliple modernities“ zu und Cass R. Sunstein erinnert an Albert O. Hirschman.
Studien
Judith ButlerKörperliche Verletzbarkeit, Bündnisse und Street Politics 3
Susanne KrasmannDer Aufstieg der Drohnen. Über das Zusammenspiel von Ethik und Ökonomie in der Praxis des gezielten Tötens 25
Axel HonnethDie Krankheiten der Gesellschaft. Annäherung an einen nahezu unmöglichen Begriff 45
Stichwort: Exodus. Leben jenseits von Staat und Konsum?Hg. von Daniel Loick 61
Isabelle FremeauxExodus und Utopie. Ein Streifzug 67
Margarita TsomouLast Exit. Zum Aufschwung solidarischer Ökonomien im Griechenland der Krise 79
Eva von RedeckerTopischer Sozialismus. Zur Exodus-Konzeption bei Gustav Landauer und Martin Buber 93
Juliane RebentischOption exit. Kleine politische Landkarte des Entzugs 109
Roundtable: Exodus als Streik. Daniel Loick im Gespräch mit Diedrich Diederichsen, Rahel Jaeggi und Isabell Lorey 121
Eingriffe
Ferdinand SutterlütyDie Waffen der Schwachen. Widerstandskulturen im Werk von James C. Scott 131
Kenichi MishimaEine Moderne – viele Modernen. Zwischen normativem Leitbild, Verbrechen und Widerstand 147
Cass R. SunsteinAlbert O. Hirschman – ein origineller Denker unserer Zeit 163
Mitteilungen aus dem IfS