Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 23 (2021)

Titel der Ausgabe 
Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 23 (2021)

Erschienen
Stuttgart 2021: Franz Steiner Verlag

 

Kontakt

Institution
Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Wilbert Ubbens Mendestr. 25 D-28359 Bremen E-Mail: <ubbens@arcor.de> Redaktion Buchrezensionen: Jun.-Prof. Dr. Daniel Bellingradt Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Buchwissenschaft Katholischer Kirchenplatz 9 D – 91054 Erlangen E-Mail: <daniel.bellingradt@fau.de>
Von
Daniel Bellingradt, Institut für Buchwissenschaft, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Die Kommunikationsgeschichte hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen: als Thema und als erkenntnisleitende Perspektive, für die Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen wie für die Geschichtsschreibung im Besonderen. Wir unterstellen, dass die Einsicht weiter wachsen wird, welche Bedeutung der Medien- und Kommunikationsgeschichte für unterschiedlichste Forschungsfelder zukommt. Kommunikationsgeschichte, wie wir sie verstehen, fragt nach der Bedeutung der Medien für Menschen und Gesellschaft, nach kommunikativen Wirkungen und nach Entstehung und Strukturwandel von Öffentlichkeit.

Der Kommunikationsgeschichte liegt ein breiter Medienbegriff zugrunde; er schließt die öffentliche Rede ebenso ein wie den Brief, das Denkmal, die Flugpublizistik und Buch, Zeitung und Zeitschriften, Kino und Rundfunk und – nicht zuletzt – die internet-basierten Medien. Kommunikationsgeschichte untersucht neben den Massenmedien auch andere Öffentlichkeiten: Als Beispiele seien Versammlungen und Demonstrationen, die kommunikative Praxis auf Straßen und Plätzen sowie die Rezeption von Anschlägen an Kirchentüren, Toren und Mauern genannt. Kommunikationsgeschichte analysiert historische Kommunikationssituationen, sie untersucht Medienverbünde und bezieht systematisch Kommunikatoren und ihr Publikum ein.

Daher versteht sich das Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte als interdisziplinäres Forum für die Geschichts-, Kultur-, Medien-, Kommunikations- und verwandte Wissenschaften. Es stellt kommunikationshistorische Forschungsergebnisse und Forschungsprojekte der breiteren wie der Fachöffentlichkeit vor. Es dient zugleich als ein Ort für Forschungsdebatten und die Diskussion historiografischer Perspektiven.

Das JbKG erscheint seit 1999. Sein konzeptioneller Aufbau folgt einem vierteiligen Gliederungsprinzip. Der erste Teil ist Aufsätzen vorbehalten. Bevorzugt werden dabei quellennahe, kommunikationshistorische Forschungen, die in ihren Fragestellungen sowohl an den Problemen der Vergangenheit als auch an den Interessen der Gegenwart orientiert sind. Die Miszellen, der zweite Teil, bieten aktuelle Forschungsberichte über die Erschließung, Einordnung und Bewertung wichtiger kommunikationshistorischer Quellenbestände. Eine möglichst breite Information über kommunikationshistorische Publikationen liefert das Jahrbuch in seinem dritten und vierten Teil: Der ausführliche Rezensionsteil enthält kurze prägnante Besprechungen wichtiger Monographien, Sammlungen und Editionen. Die von Wilbert Ubbens (Bremen) bearbeitete Bibliographie der Aufsatzliteratur wertet mehr als 800 internationale Zeitschriften und Jahrbücher aus zahlreichen relevanten Disziplinen aus und konkretisiert nahezu alle Nachweise durch kurze inhaltliche Annotationen. Ein Register erschließt die wichtigen Sachen und Personen, die im Textteil der Aufsätze und Miszellen Erwähnung finden.

Die eingereichten Artikel werden anonym von zwei Berichterstatterinnen bzw. Berichterstattern begutachtet. Die Herausgeber entscheiden abschließend über die Annahme der Artikel.

In recent years, communication history has experienced growing importance: It has become both a significant discipline and a central perspective for historical research. Thus, from our point of view, communication history is important for social sciences in general and historiography in particular: Communication history focuses on the relationship between the media, individuals and society, identifies the effects of communication, and scrutinizes the formation of and changes in public spheres, public life, and public spaces.

The discipline itself is based on a broad understanding of the term »media«, including but not limited to public speeches, letters, monuments, pamphlets and broadsides, books, newspapers, magazines, cinema, radio and - last but not least - online media. It is not confined to mass media but analyses a broad range of media manifestations, such as rituals, public gatherings and demonstrations, street corner orations and the reception of bills posted on church doors, gates and walls.

Since its establishment in 1999, the Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte (Yearbook for Communication History) is an interdisciplinary forum for scholars interested in the history of culture, media, communication and many related fields. With its presentation of new results and recent findings of historical research on the public sphere and on the history of communication the yearbook aims at both the broader public and the scientific community. Furthermore, the yearbook serves as a forum for all kinds of methodological, theoretical and empirical discussions on the historiography of communication.

The yearbook offers four main sections. The first section, Essays, publishes recent research on the history of communication; the research concentrates on primary sources and focuses on both the problems of the past and the interests of the present. The second, Miscellania, reports on the latest research on the publication, classification and evaluation of important archival sources. The yearbook provides a broad overview of publications in communication history in its third and fourth sections. In the third section, Reviews, important monographs, compilations and editions are comprehensively and incisively discussed by distinguished experts. The fourth section, Bibliography, is edited by Wilbert Ubbens (Bremen); he lists references in the literature from more than 800 international journals and yearbooks in numerous relevant disciplines and catalogs; the references are provided with short annotations. An index to subjects and an index to persons offer cross-references to the corresponding passages in the sections Essays and Miscellania.

Submitted articles are anonymously assessed by two reviewers. The final decision on the acceptance of articles is reached by the editors.

Inhaltsverzeichnis

FORUM KOMMUNIKATIONSGESCHICHTE

Das ›Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte‹ widmet sich seit nunmehr 20 Jahren der Vielfalt an möglichen Zugängen und interdisziplinären Perspektiven zu historischer Kommunikation. Die anhaltenden Fragen zu Konturen, Werkzeugen und Denkmustern kommunikationshistorischer Erkenntnisinteressen geben uns Anlass, ein Beitrags-Forum zu begründen, dessen Grundfrage »Was ist Kommunikationsgeschichte« in den nächsten Jahren aus unterschiedlichen Forschungsrichtungen und aus dem Blick auf verschiedene Epochen erörtert werden soll. Die bewusst kurz gehaltenen und mit wenigen Anmerkungen versehenen Beiträge dieses Forums sollen fragende, einordnende und anregende Impulse geben, um »Kommunikationsgeschichte« innerhalb historisch arbeitender Disziplinen konzeptionell zu schärfen. In diesem Sinne werden die einzelnen Beitragenden das eigene (fachliche) Verständnis von Kommunikationsgeschichte vorstellen, begründen sowie Potentiale und Grenzen der eigenen Ansätze erörtern.

Stefanie Averbeck-Lietz (Bremen)
Kommunikationsgeschichte in Zeiten ihrer »Verlustgeschichte« als Herausforderung kommunikationswissenschaftlicher Forschung und Lehre
OPEN ACCESS: https://media.dav-medien.de/sample/9783515131599_p.pdf?v2

Frank Bösch (Potsdam)
Perspektiven der Mediengeschichte im digitalen Zeitalter

AUFSÄTZE

Jonas Bechtold (Bonn)
Ein diplomatisches Bonmot. Zur publizistischen Kritik an frühneuzeitlichen Friedenskongressen und dem Diplomatic Public um 1700
Zusammenfassung: Nach dem Westfälischen Frieden 1648 etablierten sich multilaterale Verhand- lungen als internationales Kongresswesen, das in Europa Frieden wiederherstellen und sichern sollte. Dieses wiederkehrende diplomatische Verhalten rief wiederkehrende Kritik hervor – Kritik, die sowohl inhaltlich als auch sprachlich und stilistisch konstant blieb. Im besonderen Fall wird ein lateinisches Pasquill in Versform vorgestellt, das von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in der Berichterstattung über Friedenskongresse publiziert und verbreitet wurde und die Effizienz eines jeweiligen Kongresses mit spöttischen Versen überzog. Zu diesem Befund wird argumentiert, dass die Verstetigung der Kritik in einem Bonmot-artigen Spottgedicht, das immer wieder neu rekontextualisiert werden konnte, auf ein Diplomatic Public verweist, das multilaterale Verhandlungen genau beobachtete und kommentierte bzw. diese Beobachtungen und Kommentierungen konsumierte und verbreitete. Zudem verweist die textliche Beständigkeit des Pasquills in immer neuen bzw. als neu dargestellten publizistischen Kontexten auf eine Verselbstständigung der Kritik zu einem ebenso selbstverständlich gewordenen internationalen Verhalten: der multilateralen Kongressdiplomatie.
Abstract: After the Westphalian Peace of 1648, several multilateral peace negotiations were estab- lished in international congresses in order to secure and rebuild peace in Europe. This diplomatic reflex provoked recurring criticism, which featured its own distinct characteristics in term of content, language, and style. As an example, this paper presents a Latin pasquille published from the middle of the 17th to the middle of the 18th century in different diplomatic contexts, which criticized the efficiency of a particular peace congress with mocking verses. Based on this source, it is argued that the perpetuation of this criticism in a bonmot-like poem, which could be repeat- edly recontextualized, refers to a »diplomatic public«. Such public would either closely observe and comment on multilateral negotiations or receive such observations and comments. In addi- tion, the persistence of the text of the pasquille in new or newly presented publicist contexts indicates that criticism of international behavior had become just as natural as multilateral congress diplomacy itself.

Joanna Kodzik (Versailles)
Mensch, Natur, Klima: Kommunikation und Rezeption von Wissen aus der Arktis im Mittel- und Osteuropa der Frühen Neuzeit
Zusammenfassung: Seit dem 18. Jahrhundert richtete sich die Aufmerksamkeit des interessierten Publikums mit größerer Intensität auf die wenig erforschte Arktis. Dies war unter anderem deut- schen Walfängern, Entdeckern und Missionaren, insbesondere der Herrnhuter Brüder-Unität, zu verdanken, die in die entlegensten Teile des hohen Nordens zogen und neues Wissen nach Europa brachten. Der vorliegende Beitrag ist der Kommunikation der akademischen und nicht-akademi- schen Akteure in Mittel- und Osteuropa über die europäische Arktis gewidmet. An ausgewählten Beispielen wird gezeigt, wie der Prozess der »culture mobility«, der eine ständige Zirkulation von Menschen, Ideen und Gütern annimmt, die Vorstellungen von Menschen, Natur und Klima in der arktischen Zone unter den Gelehrten, dem Adel und den weniger gebildeten Menschen in der ländlichen Gebieten Osteuropas prägte. Im Fokus steht die Rezeption in Medien wie Buch und gelehrte Zeitschrift. Die Fragen nach den Autoren, dem Zweck der Rezeption und dem Einfluss der Medien auf die Informationsvermittlung leiten den Versuch, standes-, religions- und fachspezifische Charakteristika der Kommunikation herauszuarbeiten. Nicht zuletzt belegt dieser Beitrag die Vernetzung der osteuropäischen Akteure mit Westeuropa, gezeigt an der Rezeption eines nicht selbstverständlichen Wissensbereichs, der Arktis.
Abstract: During the 18th century, reading audiences became increasingly interested in the Arctic hitherto relatively rarely explored. Thanks to German whalers, scholars and missionaries, among them especially the Moravians, who went to the most distant parts of the Far North, new know- ledge about the Arctic reached Europe. The present article is dedicated to the communication among scholars and other actors in Central and Eastern Europe about the European Arctic. A number of examples are analysed to show how the process of »cultural mobility« shaped by continuous circulation of people, ideas and goods, determined the views of scholars, the aristocracy and less well-educated people in rural parts of Central and Eastern Europe, as far as the imaginations of humans, the environment and the climate in the Arctic are concerned. The central focus are media such as books and scholarly periodicals. Questions of authorship, purpose of reception as well as the influence of media on the transfer of information are discussed in order to determine a number of chief characteristics concerning social order, religion and scholarship. The networking efforts by actors from Central and Eastern Europe with their more Western counterparts reveal the former’s own reception of knowledge about the Arctic that little if any attention has been paid to previously.

Michael Homberg (Potsdam)
Frequenzbesetzer. Freie Radios und alternativer Rundfunk in der Bundesrepublik von den siebziger bis zu den neunziger Jahren
Zusammenfassung: In der langen Geschichte des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland fristeten Freie Radios eine Randexistenz. Bis in die achtziger Jahre waren die »Piratensender« sogar illegal. Dennoch provozierte ihr Wirken von Beginn an eine breite gesellschaftliche Reso- nanz. Der Beitrag untersucht, wo, wie und warum ab den siebziger Jahren alternative Radio- experimente aus dem Geiste der Neuen Sozialen Bewegungen entstanden und was deren Protagonisten bewegte, politisch zu wirken. Er analysiert dazu die Vorstellungswelten der Radio- macher und die Programmatik der Sender ebenso wie die Praxis der Radiokollektive im Wandel des Medienverbunds von den siebziger bis zu den neunziger Jahren.
Abstract: In German broadcasting history, pirate radio stations have always been marginalized. Until the 1980s, they were even illegal. However, their actions provoked an impressive social echo. The article investigates, where, how and why alternative (political) radio experiments started in the Federal Republic and in how far they resonated with the new social movements. Thus, the article analyzes the radio pioneers’ motivations and their programmatic concepts as well as the evolution of broadcasting practice in alternative »pirate« and community radio collectives from the 1970s to the 1990s.

MISZELLEN

Johannes Arndt (Münster)
Periodische Presse in der europäischen Frühaufklärung – einige Abstraktionen

Jürgen Wilke (Mainz)
Das ›Berliner Tageblatt‹ und die Gestapo. Erschließung und Problematisierung einer unbekannten Quelle

*BUCHBESPRECHUNGEN / REVIEWS+

Im Open-Access-Besprechungsteil werden 125 Neuerscheinungen zur Kommunikationsgeschichte rezensiert. The reviews section features 125 reviews.

BIBLIOGRAFIE

(Wilbert Ubbens, Bremen)
Die Bibliographie verzeichnet mehr als 2000 kommunikationshistorische Aufsätze aus internationalen Zeitschriften. The bibliography on new literature comprises of about 2000 entries.

Alle Shortcuts zum Jahrbuch finden Sie hier: https://www.steiner-verlag.de/brand/Jahrbuch-fuer-Kommunikationsgeschichte#rahmendaten_basicdata-JB-JKG

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