Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 19 (2017)

Titel der Ausgabe 
Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 19 (2017)
Weiterer Titel 

Erschienen
Stuttgart 2017: Franz Steiner Verlag
Erscheint 
Jährlich 1 Band
ISBN
ISBN 978-3-515-11975-7
Anzahl Seiten
336 S.

 

Kontakt

Institution
Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Wilbert Ubbens Mendestr. 25 D-28359 Bremen E-Mail: <ubbens@arcor.de> Redaktion Buchrezensionen: Jun.-Prof. Dr. Daniel Bellingradt Universität Erlangen-Nürnberg Institut für Buchwissenschaft Katholischer Kirchenplatz 9 D – 91054 Erlangen E-Mail: <daniel.bellingradt@fau.de>
Von
Bellingradt, Daniel

Die Kommunikationsgeschichte hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen: als Thema und als erkenntnisleitende Perspektive, für die Geistes- und Sozialwissenschaften im Allgemeinen wie für die Geschichtsschreibung im Besonderen. Wir unterstellen, dass die Einsicht weiter wachsen wird, welche Bedeutung der Medien- und Kommunikationsgeschichte für unterschiedlichste Forschungsfelder zukommt. Kommunikationsgeschichte, wie wir sie verstehen, fragt nach der Bedeutung der Medien für Menschen und Gesellschaft, nach kommunikativen Wirkungen und nach Entstehung und Strukturwandel von Öffentlichkeit.

Der Kommunikationsgeschichte liegt ein breiter Medienbegriff zugrunde; er schließt die öffentliche Rede ebenso ein wie den Brief, das Denkmal, die Flugpublizistik und Buch, Zeitung und Zeitschriften, Kino und Rundfunk und – nicht zuletzt – die internet-basierten Medien. Kommunikationsgeschichte untersucht neben den Massenmedien auch andere Öffentlichkeiten: Als Beispiele seien Versammlungen und Demonstrationen, die kommunikative Praxis auf Straßen und Plätzen sowie die Rezeption von Anschlägen an Kirchentüren, Toren und Mauern genannt. Kommunikationsgeschichte analysiert historische Kommunikationssituationen, sie untersucht Medienverbünde und bezieht systematisch Kommunikatoren und ihr Publikum ein.

Daher versteht sich das Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte als interdisziplinäres Forum für die Geschichts-, Kultur-, Medien-, Kommunikations- und verwandte Wissenschaften. Es stellt kommunikationshistorische Forschungsergebnisse und Forschungsprojekte der breiteren wie der Fachöffentlichkeit vor. Es dient zugleich als ein Ort für Forschungsdebatten und die Diskussion historiografischer Perspektiven.

Das JbKG erscheint seit 1999. Sein konzeptioneller Aufbau folgt einem vierteiligen Gliederungsprinzip. Der erste Teil ist Aufsätzen vorbehalten. Bevorzugt werden dabei quellennahe, kommunikationshistorische Forschungen, die in ihren Fragestellungen sowohl an den Problemen der Vergangenheit als auch an den Interessen der Gegenwart orientiert sind. Die Miszellen, der zweite Teil, bieten aktuelle Forschungsberichte über die Erschließung, Einordnung und Bewertung wichtiger kommunikationshistorischer Quellenbestände. Eine möglichst breite Information über kommunikationshistorische Publikationen liefert das Jahrbuch in seinem dritten und vierten Teil: Der ausführliche Rezensionsteil enthält kurze prägnante Besprechungen wichtiger Monographien, Sammlungen und Editionen. Die von Wilbert Ubbens (Bremen) bearbeitete Bibliographie der Aufsatzliteratur wertet mehr als 800 internationale Zeitschriften und Jahrbücher aus zahlreichen relevanten Disziplinen aus und konkretisiert nahezu alle Nachweise durch kurze inhaltliche Annotationen. Ein Register erschließt die wichtigen Sachen und Personen, die im Textteil der Aufsätze und Miszellen Erwähnung finden.

Die eingereichten Artikel werden anonym von zwei Berichterstatterinnen bzw. Berichterstattern begutachtet. Die Herausgeber entscheiden abschließend über die Annahme der Artikel.

In recent years, communication history has experienced growing importance: It has become both a significant discipline and a central perspective for historical research. Thus, from our point of view, communication history is important for social sciences in general and historiography in particular: Communication history focuses on the relationship between the media, individuals and society, identifies the effects of communication, and scrutinizes the formation of and changes in public spheres, public life, and public spaces.

The discipline itself is based on a broad understanding of the term »media«, including but not limited to public speeches, letters, monuments, pamphlets and broadsides, books, newspapers, magazines, cinema, radio and - last but not least - online media. It is not confined to mass media but analyses a broad range of media manifestations, such as rituals, public gatherings and demonstrations, street corner orations and the reception of bills posted on church doors, gates and walls.

Since its establishment in 1999, the Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte (Yearbook for Communication History) is an interdisciplinary forum for scholars interested in the history of culture, media, communication and many related fields. With its presentation of new results and recent findings of historical research on the public sphere and on the history of communication the yearbook aims at both the broader public and the scientific community. Furthermore, the yearbook serves as a forum for all kinds of methodological, theoretical and empirical discussions on the historiography of communication.

The yearbook offers four main sections. The first section, Essays, publishes recent research on the history of communication; the research concentrates on primary sources and focuses on both the problems of the past and the interests of the present. The second, Miscellania, reports on the latest research on the publication, classification and evaluation of important archival sources. The yearbook provides a broad overview of publications in communication history in its third and fourth sections. In the third section, Reviews, important monographs, compilations and editions are comprehensively and incisively discussed by distinguished experts. The fourth section, Bibliography, is edited by Wilbert Ubbens (Bremen); he lists references in the literature from more than 800 international journals and yearbooks in numerous relevant disciplines and catalogs; the references are provided with short annotations. An index to subjects and an index to persons offer cross-references to the corresponding passages in the sections Essays and Miscellania.

Submitted articles are anonymously assessed by two reviewers. The final decision on the acceptance of articles is reached by the editors.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Flemming Schock (Leipzig):
Der vortreffliche Herr Brückmann. Korrespondenz und Naturforschung in den ›Hamburgischen Berichten von neuen Gelehrten Sachen‹ (1732–1759) / The admirable Mr. Brückmann. Correspondence and natural sciences in the ›Hamburgischen Berichte von neuen Gelehrten Sachen‹ (1732-1759).

Der Artikel versteht sich als Baustein für eine Untersuchung der Briefkorrespondenz in gelehrten Zeitschriften der Aufklärung. Anhand der Briefe des Wolfenbütteler Arztes und vielseitigen Naturforschers Franz Ernst Brückmann (1697–1753) an die ›Hamburgischen Berichte von neuen Gelehrten Sachen‹ werden exemplarisch die Wissensinhalte der Zuschriften analysiert, die Mechanismen der Briefnetzwerke und die Motive der Kommunikation – gerade auch mit Blick auf ein mediales »self–fashioning« der Gelehrten.

The article contributes to the study of the epistolary correspondence within German learned journals of the enlightenment. It analyzes the content, the mechanisms of the networks of letters and the motives of communication – especially with respect to a learned »self–fashioning« –, using the letters of the Wolfenbüttel doctor and versatile naturalist Franz Ernst Brückmann (1697–1753) to the ›Hamburgischen Berichte von neuen Gelehrten Sachen‹ as an example.

Thomas Gräfe (Vlotho):
Die Antisemitismusumfrage Hermann Bahrs unter europäischen Intellektuellen 1893/94 / Hermann Bahr’s interview series on anti-Semitism 1893/94.

Der Beitrag widmet sich der 1893 von dem österreichischen Journalisten Hermann Bahr durchgeführten Antisemitismusumfrage unter europäischen Intellektuellen, in- dem er erstmals eine Gesamtauswertung dieser Quelle unter sozial-, kommunikations- und diskursgeschichtlichen Aspekten vornimmt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Identifizierung hegemonialer Meinungen, der Rolle von Emotionen und Performanz, dem Gebrauch zeittypischer Diskursregeln sowie dem Vergleich mit den Ergebnissen späterer Intellektuellenbefragungen. Obwohl die Interviews eine große Spannbreite antisemitischer und anti-antisemitischer Meinungsäußerungen aufweisen, konnten sich fast alle Teilnehmer beider Lager nur eine Lösung der »Judenfrage« durch Assimilati- on vorstellen. Dieser Konsens löste sich jedoch in späteren Umfragen auf.

In 1893, the Austrian journalist Hermann Bahr carried out a series of interviews with European intellectuals asking them for their opinion on anti-Semitism. The interviews were published in the Vienna ›Deutsche Zeitung‹ and in a book a year later. The pur- pose of this essay is to deliver the first comprehensive analysis of this source with the focus on the identification of hegemonic opinions, the role of emotions and the use of contemporary discourse rules. In spite of a heated debate between anti-Semites and their opponents, almost all participants agreed that assimilation was the only solution to the »Jewish Question«. But this consensus lost ground to ethnopluralism in later opinion polls.

Maria Löblich (Berlin):
Das notwendige Scheitern von Medienpolitik. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und seine Abwehr der Presseregulierung zwischen 1968 und 1976 / The inevitable failure of media policy. The Federation of German Newspaper Pub- lishers and its opposition to press regulation between 1968 and 1976.

Dieser Beitrag untersucht die These, dass eine medialisierte Medienpolitik mit ganz besonderen Abwehroptionen für die regulierten Medienorganisationen einhergeht und ihnen zugleich Thematisierungsmöglichkeiten zur Verfolgung eigener Interessen eröffnet. Das Fallbeispiel liefern der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und die Pressepolitik der 1970er Jahre in der Bundesrepublik, als Pressekonzentration und innere Pressefreiheit gesetzlich geregelt werden sollten. Der Beitrag skizziert zuerst, mit welchen Regulierungsplänen der BDZV konfrontiert war, beschreibt, dass vor allem SPD und Gewerkschaften diese Pläne verfolgten und welche Kommunikationsprobleme sie (auch) dazu veranlassten. Die qualitative Dokumenten- und Inhalts- analyse wird von dem Ansatz der Akteur-Struktur-Dynamiken geleitet. Sie arbeitet heraus, welche Gelegenheiten der Regulierungsabwehr entstanden sind. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verleger die Kommunikationsprobleme von SPD und Gewerkschaften nutzten, um Medienpolitik zu delegitimieren und dass eine Presseberichterstattung stattfand, die diese Strategie (zum Teil unbeabsichtigt) stützte.

This contribution conceives media policy as a product of mediatization. It deals with the thesis that media organizations have specific opportunities to oppose regulatory interventions due to mediatization. The publishers’ association and the press policy of the 1970s in the Federal Republic of Germany provide the case that was studied. Press concentration and the internal freedom of the press were major issues of press policy at that time. The article first describes the regulatory plans the publishers were confronted with. It then explains that Social Democratic Party and labor unions were the ones that pursued these plans and that these plans were connected with problems these organizations had with representation in the press. The qualitative document and content analysis was guided by a structure-agent-framework. The findings’ section shows that the publishers used the communication problems of Social Democratic Party and of the labor unions in order to delegitimize media policy. The fact that press coverage (in part unintentionally) supported the publishers’ strategies is another result of this study.

Sandra Zawrel (Erfurt):
Papierhandel im Europa der Frühen Neuzeit. Ein Forschungsbericht / Paper Trade in Early Modern Europe. A Research Report.

Der Bericht bietet einen Überblick über die Literatur und Desiderata im Forschungs- feld des europäischen Papierhandels während der Frühen Neuzeit. Die Bearbeitung dieses interdisziplinären Themas steht bislang noch am Anfang. Sie präsentiert sich in einer äußerst disparaten Forschungstätigkeit, die von thematischer Heterogenität und perspektivischer Pluralität geprägt ist. Ziel des Beitrags ist es, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden Forschungstendenzen in Hinblick auf Themen und Zugangsperspektiven zu systematisieren.

This research report presents and analyses literature on the paper trade in Early Modern Europe and draws attention to significant research gaps as well. Since the end of the 19th century scholars deal with the Early Modern paper trade, however, existing research is characterised by a variety of different topics and a plurality of perspectives. Accordingly, the report aims to give an overview of subject areas and methodical aspects.

Bernd Sösemann (Berlin):
Hitlers »Mein Kampf« in der Ausgabe des »Instituts für Zeitgeschichte«. Eine kritische Würdigung der anspruchsvollen Edition
OPEN ACCESS: http://www.steiner-verlag.de/uploads/tx_crondavtitel/datei-datei/9783515119757_p.pdf

Die Bemühungen der Herausgeber um ein »editorisches Konzept sui generis« gehen von einem plausiblen Ansatz aus. Die Qualität der Informationen und deren Koordination ist hoch. Die äußere Gestaltung der Edition und die Präsentation der Vielzahl von Einzelergebnissen sind gelungen. Die Herausgeber haben aber die von ihnen formulierten hohen Standards nicht uneingeschränkt zu erreichen vermocht. Die Erstausgaben von »Mein Kampf« liegen nicht vollständig vor; die Auslassungen wiegen schwer. Die Begründungen können im Textbereich und im Bildprogramm nicht voll überzeugen. Textkritik und Sachapparat erreichen nicht durchgehend die erforderliche Genauigkeit. Der Kommentierungsspagat ist fehlgeschlagen: Die Erläuterungen enthalten für den Wissenschaftler zu viel Entbehrliches, für den Laien fallen sie häufiger zu voraussetzungsreich aus.

The efforts of the editors to develop up an editorial concept »sui generis« are based on a plausible projection. The quality of the provided information and coordination is high. Design and the presentation of the manifold research results are working well. Nonetheless, the self-set high standards were not kept thoroughly in the entire edition. The first editions of »Mein Kampf« are not presented completely. The text contains too may omissions. The explanations in the text section and picture selection are not entirely convincing. The critique of the text and fact-based commentary are lacking the required accuracy. The attempted balancing act in the explanatory section failed: For professional historians, it contains a lot of dispensable information, for the interested reader however the provided information many times requires a lot of special knowledge.

Buchbesprechungen
Im Besprechungsteil werden 79 Neuerscheinungen zur Kommunikationsgeschichte rezensiert.

Bibliografie
(Wilbert Ubbens, Bremen)
Die Bibliographie verzeichnet darüber hinaus mehr als 1800 kommunikationshistorische Aufsätze aus internationalen Zeitschriften.

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