Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), 3

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60 (2012), 3
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2012: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 69,80€, Stud.abo: 39,80€ Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 54,80€, Online-Zugang: 66€, Print+Online-Abo 69,80€

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

im September jährt sich zum vierzigsten Mal das Olympia-Attentat 1972 von München. Eva Oberloskamp geht in der neuesten Ausgabe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte umsichtig der Frage nach, ob der Anschlag, der die Welt erschütterte, auch politische Konsequenzen hatte.

Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Eva Oberloskamp,
Das Olympia-Attentat 1972. Politische Lernprozesse im Umgang mit dem transnationalen Terrorismus

Der Anschlag auf die israelische Herrenmannschaft der während der Münchner Olympiade 1972 traf die Bundesrepublik gänzlich unvorbereitet; das improvisierte Krisenmanagement konnte den katastrophalen Ausgang der Geiselnahme mit 17 Todesopfern und vielen Verletzten nicht verhindern. Eva Oberloskamp geht in ihrem Aufsatz der Frage nach, inwieweit der Schock des Olympia-Attentats in der Bundesrepublik Lernprozesse in Gang setzte. Sie zeigt, dass die kurzfristigen politischen Reaktionen teilweise unter Rückgriff auf ältere Erfahrungen und Handlungsmuster erfolgten – etwa im Rekurs auf eine restriktivere Ausländerpolitik und in der Bereitschaft zur Freilassung der Attentäter. Längerfristig jedoch stieß das Olympia-Attentat die Suche nach neuen Möglichkeiten zur Abwendung terroristischer Bedrohungen an. Eine wichtige Folge war die Gründung polizeilicher Spezialeinheiten wie der GSG 9 oder den SEK’s. Darüber hinaus war der Anschlag wesentlicher Auslöser für bundesdeutsche Bemühungen um eine internationale Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung.

Eva Oberloskamp,
The 1972 Munich Olympics Massacre. Political Learning Processes in Dealing with Transnational Terrorism

The attack on the Israeli men's team during the 1972 Munich Olympics caught the Federal Republic of Germany completely unprepared; improvised crisis management measures did not prevent the catastrophic outcome of the hostage taking, which resulted in 17 casualties and many wounded. In her article, Eva Oberloskamp pursues the question to what extent the shock of the Munich Massacre launched learning processes in the Federal Republic. She shows that short-term political reactions partially reverted to previous experiences and patterns of behaviour – for instance a more restrictive policy towards foreigners and the readiness to release the attackers. In the long term, however, the Munich Massacre initiated a search for new possibilities to avert terrorist threats. An important consequence was the foundation of special police units such as the GSG 9 and the SEKs. Additionally the attack was an essential cause for increasing West German endeavours towards international cooperation regarding the fight against terrorism.

Thies Schulze,
Antikommunismus als politischer Leitfaden des Vatikans? Affinitäten und Konflikte zwischen Heiligem Stuhl und NS-Regime Jahr 1933

Papst Pius XI. äußerte Anfang März 1933 zu verschiedenen Gelegenheiten, Hitler sei der einzige Staatsmann, der etwas gegen den Kommunismus unternehme. Seine Aussagen waren keinesfalls spontan und unbedacht, wie einige seiner Gesprächspartner vermuteten. Vielmehr gaben sie der Hoffnung Ausdruck, mit der neuen Regierung in Deutschland einen Bündnisgenossen gegen die kommunistische Bedrohung – und gegen einen mit ihr angeblich einhergehenden sittlichen Verfall – gewinnen zu können. Obwohl die Phase der Annäherung an Deutschland, die der Papst nach dem Reichstagsbrand einleitete, nur wenige Wochen dauerte und Pius XI. seit Ende April 1933 merklich von seinem eher wohlwollenden Blick auf die deutsche Politik abrückte, war sie durchaus wichtig für das Verhältnis von Kirche und Staat im Dritten Reich. Denn in ihr wurden wesentliche Weichenstellungen vorgenommen, insbesondere die Aufnahme der Verhandlungen für das Reichskonkordat. Der Aufsatz untersucht die Motive, die dem päpstlichen Deutschland-Bild zugrunde lagen, und geht insbesondere der Frage nach, welche innen- und außenpolitischen Zielvorstellungen sich damit verbanden. Er erörtert die Gründe für die erneute Revision der päpstlichen Politik seit Mai 1933. Schließlich gibt er einen Ausblick auf die späteren Jahre des NS-Regimes und diskutiert, ob und inwiefern antikommunistische Motive die päpstliche Politik auch nach 1933 beeinflussten.

Thies Schulze,
Anti-Communism as a Political Guideline? Affinities and Conflicts between the Holy See and the Nazi Regime in 1933

On a number of occasions in early March 1933, Pope Pius XI voiced the opinion, that Hitler was the only statesman doing something against Communism. His utterances were in no way spontaneous or thoughtless, as some of his interlocutors suspected. Rather they expressed his hope that the new government in Germany could be won as an ally against the Communist threat and the alleged accompanying moral decline. Even though the period of rapprochement towards Germany, which the Pope initiated after the Reichstag fire, only lasted for a few weeks and even though Pius XI noticeably moved away from his rather benevolent view of German politics since late April 1933, this phase was certainly important for the relationship between church and state during the “Third Reich”. During this time, essential decisions were made, including the commencement of negotiations about the Reich Concordat. The article examines the motives on which the papal view of Germany was based, and in particular investigates the question which domestic and foreign policy aims it was connected with. It discusses the reasons why papal policy was once again revised as of May 1933. Finally it provides a perspective on the later years of the Nazi regime and discusses whether and to what extent anti-communist motives influenced papal policy even after 1933.

Tal Bruttmann, Laurent Joly, and Barbara Lambauer,
Der Auftakt zur Verfolgung der Juden in Frankreich 1940: ein deutsch-französisches Zusammenspiel

Warum veröffentlichten der deutsche Militärbefehlshaber in Frankreich und die französische Regierung in Vichy fast zeitgleich im Herbst 1940 antijüdische Verordnungen? Welche Einflüsse wirkten auf beiden Seiten? Agierte jede Seite unabhängig von der anderen? Eine Überprüfung der vorhandenen Quellen zeigt, dass die deutsche Militärverwaltung eine Sonderbehandlung der jüdischen Bevölkerung nicht von Anfang an ins Auge fasste und dass ihre ersten Maßnahmen nicht ohne Zögern erfolgten. Im unbesetzten Gebiet verfolgten französische Regierungsmitglieder im Sommer 1940 ihre eigenen Pläne einer antisemitischen Gesetzgebung. Die Ankündigung der deutschen Schritte störte dies eher. Im Endeffekt führten diese verschiedenen Initiativen aber zur Beschleunigung der Maßnahmen gegen Juden auf dem gesamten französischen Staatsgebiet.

Tal Bruttmann, Laurent Joly, Barbara Lambauer,
The Beginning of the Persecution of the Jews in France in 1940: A Case of German-French Interaction

Why did both the German Military Commander in France and the French Government in Vichy publish anti-Jewish decrees almost simultaneously in autumn 1940? Which influences affected both sides? Did each side act independently from one another? A review of the available sources shows, that the German military administration had not initially envisaged special treatment of the Jewish population and that its first measures did not proceed without hesitation. In the unoccupied area, French government officials were pursuing their own plans of antisemitic legislation in the summer of 1940. The announcement of German steps was more of an obstacle than an advantage to these efforts. Ultimately these different initiatives led to an acceleration of the measures against Jews throughout the whole of France.

Stephan Lehnstaedt,
Die deutsche Arbeitsverwaltung im Generalgouvernement und die Juden

Die deutsche Arbeitsverwaltung war im Generalgouvernement Polen von Sommer 1940 bis Mitte 1942 auch für jüdische Arbeit zuständig. Sie etablierte ein System der Erfassung, Vermittlung und Entlohnung der Juden, das nach gewissen Anlaufschwierigkeiten umfassend Anwendung fand. Die Arbeitsämter setzten auf freiwillige Beschäftigungsverhältnisse, die gezielt die Notlage der ghettoisierten Juden ausnutzten. Gleichzeitig wurde Zwangsarbeit abgelehnt, ihr ökonomischer Nutzen erschien zu gering. Von der Jahreswende 1940/41 bis Mitte 1942 waren deshalb 80 bis 90 Prozent der arbeitenden Juden weitgehend aus eigenem Willen und gegen Entlohnung (in Form von Bargeld oder Nahrungsmitteln) tätig. Die Löhne waren indes weder angemessen noch ausreichend. Trotzdem wurde ihre Arbeitskraft halbwegs erhalten und vor allem eine maximale Ausbeutung erreicht. Die deutsche Arbeitsverwaltung erwies sich dabei als eine Art systeminterner „Agent” der jüdischen Arbeitskräfte, der wenn auch nicht deren Rechte, so doch ihre Belange aus Eigeninteresse wahrte. Für die nationalsozialistische Kriegswirtschaft war diese Ausbeutung der Juden die effizienteste Methode. Dennoch zeigte sich im Sommer 1942 einmal mehr der Primat der Ideologie über die Ökonomie, denn trotz der umfangreichen und nutzbringenden Arbeit der polnischen Juden begann deren Vernichtung.

Stephan Lehnstaedt,
The German Labour Administration in the General Government and the Jews

The German Labour Administration in the General Government of Poland was also responsible for Jewish labour between the summer of 1940 and mid-1942. It established a system of registration, placement and remuneration of the Jews, which – after certain initial difficulties – came into universal use. The Labour Offices favoured “voluntary” employment, which specifically took advantage of the desperate situation that the ghettoised Jews found themselves in. Simultaneously forced labour was dismissed as its economic benefit seemed too minimal. For this reason, 80 to 90 percent of the working Jewish population were working voluntarily and for remuneration (in cash or foodstuffs) from the turn of the year 1940/41 to mid-1942. Wages were however neither adequate nor sufficient. Even so their manpower was preserved to a certain degree and, most importantly, their exploitation was total. The German Labour Administration proved to be a sort of “agent” of the Jewish labourers inherent to the system, which, while not protecting their rights, still offered preservation out of self-interest. For the National Socialist war economy, this form of exploitation of the Jews was the most efficient method. In the summer of 1942, however, the primacy of ideology over economic considerations asserted itself, as the extermination of the Polish Jews began despite their extensive and useful labour.

Dokumentation

Dieter Neitzert,
Das Amt zwischen Versailles und Rapallo. Rückschau des Staatssekretärs Ernst von Simson

In seinen jüngst bekannt gewordenen Erinnerungen berichtet Ernst von Simson kurz vor seinem Tod 1941 über seine Tätigkeit als Leiter der Rechtsabteilung und als Staatssekretär für wirtschaftliche Angelegenheiten im Auswärtigen Amt während der Jahre 1918-1922. Dabei spricht er über die internationalen Spannungen, die vor allem aus dem Versailler Vertrag resultierten, und seine Politik gegen die Auslieferung deutscher Offiziere. Ihm fiel es zu, als deutscher Vertreter die Ratifikationsurkunde des Versailler Vertrags zu unterzeichnen. Seine Erinnerungen an die Konferenzen in Spa 1920 und London 1921 veranschaulichen die kalte Atmosphäre der ersten Nachkriegsverhandlungen und enden mit der detaillierten Darstellung der Wirtschaftskonferenz von Genua 1922. Dabei bekennt sich von Simson zu seiner persönlichen Beteiligung am Zustandekommen des deutsch-russischen Vertrags von Rapallo, den er fast zwanzig Jahre nach dem Abschluss weiterhin positiv beurteilt.

Dieter Neitzert,
The German Foreign Office between Versailles and Rapallo. The Retrospective Account of State Secretary von Simson

In his recently discovered memoirs written shortly before his death in 1941, Ernst von Simson reports about his activities as head of the legal department and as State Secretary for economic issues in the German Foreign Office between 1918 and 1922. He speaks about the international tensions, which mostly resulted from the Treaty of Versailles, and his opposition to the extradition of German officers. It was his duty to sign the ratification of the Treaty of Versailles as the German representative. His memories of the conferences in Spa in 1920 and in London in 1921 illustrate the cold atmosphere of the first post-war negotiations and end in a detailed description of the economic conference in Geneva in 1922. In this context von Simson avows his personal role in the conclusion of the German-Russian Treaty of Rapallo, which he still saw as positive almost twenty years after its signing.

Notiz

„Expertengespräch Nachlässe“ im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte

An Expert Discussion on Personal Papers at the Institute of Contemporary History

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Bestandsnachweise 0042-5702