Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), 1

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), 1
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2013: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 69,80€, Stud.abo: 39,80€ Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 54,80€, Online-Zugang: 66€, Print+Online-Abo 69,80€

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Hoppe, Florian

Die aktuelle Ausgabe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (61.1) ist erschienen. Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre!

Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Tim Szatkowski,
Von Sihanouk bis Pol Pot. Diplomatie und Menschenrechte in den Beziehungen der Bundesrepublik zu Kambodscha (1967–1979)

Die Entscheidung der Regierung Kiesinger/Brandt vom Juni 1969, die diplomatischen Beziehungen zu Kambodscha nicht abzubrechen, sondern ruhen zu lassen, obwohl das südostasiatische Land unter seinem Staatschef Norodom Sihanouk kurz zuvor die DDR völkerrechtlich anerkannt hatte, ist weithin bekannt. Unter dem negativ konnotierten Begriff „kambodschieren“ ist dieser Beschluss in die Geschichte eingegangen. Weniger bekannt ist dagegen, wie sich das bilaterale Verhältnis nach dem auf Betreiben Sihanouks wenig später dann doch erfolgten Abbruch der diplomatischen Beziehungen entwickelte. Vor allem wurde bis heute kaum erforscht, wie die sozial-liberale Bundesregierung auf die massenmörderische Herrschaft der Roten Khmer von April 1975 bis Januar 1979 reagierte. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die Regierung Schmidt/Genscher ihre Menschenrechtspolitik relativierte, als sie es unter realpolitischen Erwägungen für notwendig hielt. Ihre Entscheidung vom September 1979, im Rahmen der Vereinten Nationen die Delegation des ehemaligen Machthabers Pol Pot zu unterstützen, richtete sich gegen die Anfang 1979 in Kambodscha etablierte Herrschaft Vietnams und damit gegen die hinter den Vietnamesen stehende Weltmacht UdSSR. Unter menschenrechtlichen Aspekten wurde dieses Verhalten der Bundesregierung schon damals als höchst fragwürdig angesehen.

Tim Szatkowski,
From Sihanouk to Pol Pot. Diplomacy, Human Rights and the Relations between the Federal Republic of Germany and Cambodia (1967-1979)

In 1969 the Kiesinger/Brandt cabinet made the decision not to break off, but rather to suspend diplomatic relations with Cambodia. Shortly before, the Southeast Asian country under head-of-state Norodom Sihanouk had recognised the GDR. This German decision became widley known under the negatively connoted term “kambodschieren”. Less well-known is how bilateral relations developed after diplomatic relations had actually been broken off shortly afterwards at Sihanouk's instigation. To this day research is mostly lacking on how the Social-Liberal coalition reacted to the mass-murderous rule of the Khmer Rouge between April 1975 and January 1979. The present investigation shows that the Schmidt/Genscher government relativised its human rights policy when it saw it as necessary under Realpolitik. Their decision to support the delegation of the former ruler Pol Pot at the United Nations in September 1979 was directed against the rule of Vietnam in Cambodia established in early 1979 and thereby against the USSR who supported the Vietnamese. Even at the time, this behaviour by the Federal Government was seen as highly questionable from a human-rights perspective.

Malte Thießen,
Vom immunisierten Volkskörper zum „präventiven Selbst“. Impfen als Biopolitik und soziale Praxis vom Kaiserreich zur Bundesrepublik

Beim Impfen geht es nie nur um Gesundheit, sondern ebenso um die Ordnung der Gesellschaft. Mit der Einführung und Umsetzung von Impfungen werden gegenwärtige Risiken und zukünftige Bedrohungen verhandelt. Es geht damit um das Verhältnis zwischen der Sicherung des Allgemeinwohls und dem Schutz des Einzelnen, zwischen staatlichen Aufgaben und staatsbürgerlichen Bedürfnissen, zwischen Politikern, Medizinern und Unternehmern. Der Beitrag untersucht die unterschiedlichen Antworten, die in Deutschland zwischen Kaiserreich und der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf die „Impf-Frage“ gegeben wurden. Auseinandersetzungen um den „Impfzwang“, um „Seuchenherde“ und „Seuchenträger“ werden als soziale Sonde verstanden, mit der sich zeitgenössische Risiko-Wahrnehmungen, Schutz-Strategien und Spannungsfelder erkunden lassen. Eine Zeitgeschichte des Impfens spürt insofern der Geschichte gesellschaftlichen Wandels im „Zeitalter der Extreme“ nach: vom Interventionsstaat, der eine Immunisierung des „Volkskörpers“ notfalls mit Polizeigewalt durchsetzte, bis in die Postmoderne, in der Appelle an das persönliche Verantwortungsgefühl das „präventive Selbst“ mobilisieren sollten. Inwiefern die Wurzeln dieses präventiven Selbst im „Dritten Reich“ zu suchen sind, wird in dem Beitrag ebenso zu diskutiert wie der Zusammenhang zwischen „totalem Krieg“ und neuen Vorsorge-Strategien.

Malte Thießen,
From the Immunised Volkskörper to the “Preventive Self”. Vaccination as Bio-Policy and Social Practice From the German Empire to the Federal Republic

Vaccination is never just about health, but equally about the organisation of society. Present risks and future dangers are negotiated by means of the introduction and implementation of vaccinations. They are about the relationship between the securing of the public good and the protection of the individual, between state functions and the needs of its citizens, between politicians, physicians and entrepreneurs. The article investigates the different answers given to the “vaccination question” between the German Empire and the period after the Second World War. The disputes about “compulsory vaccination”, “plague zones” and “Typhoid Marys” are understood as social probes which allow for the investigation of contemporary perceptions of risk, protection strategies and areas of tension. Inasmuch a contemporary history of vaccination explores a history of social change in the “Age of Extremes”: from the intervention state, which pursued the immunisation of the Volkskörper [body politic] with police power if necessary, to the post-modern era, in which appeals to personal responsibility were supposed to mobilise the “preventive self”. The article both discusses whether the roots of this preventive self can be found during the Third Reich as well as the connection between “total war” and new preventive strategies.

Annette Hinz-Wessels,
Antisemitismus und Krankenmord. Zum Umgang mit jüdischen Anstaltspatienten im Nationalsozialismus

Jüdische Anstaltspatienten waren als Juden und psychisch Kranke gleich in zweifacher Hinsicht den nationalsozialistischen Ausgrenzungs- und Vernichtungsstrategien gegenüber „Minderwertigen“ ausgesetzt. Trotzdem hat ihr Schicksal bis heute nur geringes öffentliches – und auch wissenschaftliches – Interesse gefunden. Der Beitrag untersucht auf der Grundlage von mehr als 230 Krankenakten und zahlreicher weiterer Dokumente die Lebensbedingungen jüdischer Psychiatriepatienten zwischen 1933 und 1945 und die Auswirkungen der NS-Rassenhygiene und antijüdischen Gesetzgebung auf die in geschlossener Fürsorge untergebrachten Menschen jüdischer Herkunft. Ein Schwerpunkt der Analyse liegt auf der Sonderaktion gegen jüdische Anstaltsinsassen im Rahmen der „Aktion T4“. Diese nahm im Sommer 1940 in Berlin ihren Ausgang und stellt den ersten planmäßig organisierten Massenmord an Juden im Deutschen Reich dar. Der Aufsatz erörtert die Motive der Sonderaktion und ordnet die systematische Verfolgung jüdischer Psychiatriepatienten im Zuge der NS-Krankenmorde in die allgemeine Genese des Holocaust ein.

Annette Hinz-Wessels,
Antisemitism and the Murder of the Sick. On the Treatment of Jewish Psychiatric Patients during National Socialism

Jewish psychiatric patients were simultaneously exposed to National Socialist exclusion and extermination strategies against the “inferior” in two ways: as Jews and as psychiatric patients. Despite this, their fate has not met with much public or research interest to date. By analysing more than 230 case files and numerous other documents, the article exposes the living conditions Jewish psychiatric patients faced between 1933 and 1945 as well as the repercussions of Nazi “racial hygiene” and anti-Jewish legislation on persons of Jewish origin in closed institutions. The analysis focusses on the special action against Jewish patients within “Aktion T4”. This began in Berlin in the summer of 1940 and was the first systematically organised mass murder of Jews within the German Reich. The article debates the motives behind the special action and places the systematic persecution of Jewish psychiatric patients in the context of the Nazi murder of the sick into the general genesis of the Holocaust.

Peter Hoeres,
Von der „Tendenzwende“ zur „geistig-moralischen Wende“. Konstruktion und Kritik konservativer Signaturen in den 1970er und 1980er Jahren

Die sogenannte „Tendenzwende“ der 1970er Jahre und die „geistig-moralische Wende“ der 1980er Jahre erweisen sich bis heute in Forschung und öffentlicher Erinnerung als gängige Signaturen für die 1970er Jahre und die Kohl-Ära der 1980er Jahre. Beide Begriffe wurden von ihren vermeintlichen Protagonisten freilich nur zögerlich oder in dieser Wortverbindung gar nicht verwandt. Während die „Tendenzwende“ durch viel beachtete Kongresse zum Synonym für – keineswegs homogene –„neokonservative“ Wortergreifungen wurde, entstand die „geistig-moralische Wende“ eher beiläufig als Bezeichnung für eine politische Kurskorrektur und für den Anspruch auf geistige Führung. Wesentlich zur Karriere dieser Schlagwörter beigetragen haben die Gegner der mit den Wende-Begriffen verbundenen Entwicklungen. Die linksliberalen und linken Kritiker aus den Universitäten, Medien und Parteien konstruierten ein konservatives rollback, während konservative Journalisten, Politiker und Intellektuelle bald nach der schwarz-gelben Regierungsbildung das Ausbleiben einer echten Wende beklagten. Wesentlich gespeist wurden die Befürchtungen vor und die Erwartungen an eine Wende durch die angelsächsischen Vorbilder der Thatcher- und Reagan-Revolutionen. Trotz politischer und intellektueller transnationaler Zusammenarbeit konnten und sollten die Entwicklungen in Großbritannien und in den USA in der Bundesrepublik aber nicht kopiert werden. Dafür fehlten gerade der CDU und ihrem Umfeld der politische Wille sowie die personellen und organisatorischen Voraussetzungen.

Peter Hoeres,
From the “Tendenzwende” to the “geistig-moralischen Wende”. Construction and Critique of Conservative Signatures of the 1970s and 1980s

The watchwords Tendenzwende [trend change] and geistig-moralische Wende [intellectual and moral change] are considered as allegories for the 1970s and the era of Chancellor Helmut Kohl in the 1980s respectively both in research and public history. Yet both terms were actually only used hesitantly or not in this exact phrasing by their supposed proponents. While Tendenzwende became the synonym for expressions of – hardly homogeneous – “neo-conservatism” through noted conferences, the term geistig-moralische Wende instead arose incidentally as a label for a political course correction and the claim to intellectual leadership. The careers of these terms were substantially launched by the opponents of the connected developments. Left-liberal and leftist critics in the universities, the media and political parties feared a conservative roll-back, whereas conservative journalists, politicians and intellectuals began complaining about the lack of a true turnaround soon after Kohl’s forming of the conservative-liberal coalition government. The fears and expectations of a Wende were fed substantially by the Anglo-Saxon models of the Thatcher and Reagan revolutions. Yet despite political and intellectual transnational cooperation, it was not possible to copy the developments in Britain and the United States. The required political will as well as the human and organisational resources were lacking, especially in the CDU and its milieu.

Notizen

Eine Institution – Zu Hans-Peter Schwarz‘ Abschied von den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte
An Institution – Hans-Peter Schwarz and the Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte

Siebte Aldersbacher Schreib-Praxis. Ein anwendungsorientiertes Schreibseminar des Instituts für Zeitgeschichte und des Oldenbourg-Verlags (9. bis 13. September 2013)
The Seventh Aldersbach Practical Writing Seminar Organised by the Institute of Contemporary History and Oldenbourg Publishers (9 to 13 September 2013)

Weitere Hefte ⇓
Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
rda_languageOfExpression_z6ann
Bestandsnachweise 0042-5702