In den meisten Staaten des Nordens werden Sozialleistungen und Errungenschaften des Wohlfahrtsstaats, die in der Phase des fordistischen Kapitalismus der Nachkriegszeit von starken Gewerkschaften und sozialdemokratischen Kräften ausgehandelt werden konnten, systematisch abgebaut, vorgeblich um die Konkurrenzfähigkeit der Standorte zu verbessern. Die Entwicklung in einer Reihe von Ländern des Südens und bei globalen entwicklungspolitischen Institutionen läuft angesichts wachsender sozialer Ungleichheit und neuer Armutsformen wie der working poor in die entgegengesetzte Richtung. Hatte die neoliberale (neoklassische) Doktrin spätestens seit den 1980er Jahren soziale Sicherungssysteme als marktverzerrend kritisiert, machen sich nicht nur die ILO, sondern auch prominente Stimmen selbst aus der Weltbank dafür stark, eine neue Grundsicherungspolitik einzuführen. Das Prinzip der Zielgruppenorientierung und Bedürftigkeit (targeting) wird neuerdings zunehmend durch eine Rückbesinnung auf universalistische Prinzipien in sozialpolitischen Maßnahmen in der Entwicklungspolitik abgelöst. Kritische Stimmen sehen darin keineswegs eine Revision der neoliberalen Grundprinzipien, sondern primär Unterstützungs und Entlastungsmaßnahmen für die krisenhaften Märkte.
Editorial
Sozialpolitik Global
Seit einigen Jahren wird ein neues Paradigma internationaler Politik diskutiert: „Globale Sozialpolitik“. Offensichtlich steht dahinter das Anliegen, Sozialpolitik, lange Zeit ein Stiefkind der Entwicklungszusammenarbeit, wieder mehr auf deren Agenda zu setzen. Zum einen galt sie Verfechtern neoliberaler Politik als Hindernis bei allen Strukturanpassungsmaßnahmen, zum andern wurde sie als interne Angelegenheit souveräner Staaten begriffen. Dass mit dem Drängen auf Abbau staatlicher Leistungen und Privatisierung von sozialen Diensten bereits massiv globale Sozialpolitik – im negativen Sinne – betrieben wurde, wird wenig wahrgenommen.
Fast jede Politik hat sozialpolitische Auswirkungen. Sozialpolitik umfasst – im engeren Sinne – mindestens drei Politikbereiche: a) Maßnahmen der Regulation greifen in wirtschaftliche Prozesse ein, um z.B. Menschen durch Arbeitsgesetzgebung vor übermäßiger Ausbeutung zu schützen. b) Maßnahmen der Umverteilung zwischen arm und reich sind z.B. steuerfinanzierte soziale Dienste und Sozialleistungen. c) Der dritte und wichtigste Bereich betrifft die sozialen Grundrechte für alle. Sozialpolitik soll im Geist der Menschenrechte den universellen Zugang aller Gesellschaftsmitglieder zum Lebensnotwendigen und zur Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheit, Wasser‑ und Energieversorgung usw. garantieren. Es geht dabei also um die mit staatlichen Mitteln bereitgestellte Versorgung mit Öffentlichen Gütern. Das Sozialversicherungssystem Bismarck’scher Prägung stellt hier eine auf bestimmte Personengruppen begrenzte und an formale Erwerbsarbeit gebundene besondere Form der sozialen Sicherheit im Alter und der Absicherung gegen Lebensrisiken wie Krankheit, Unfall, Tod von Angehörigen etc. dar. Die Ausgestaltung der Öffentlichen Güter und von Sozialversicherungen wiederum hat direkte Auswirkungen auf die familiäre Arbeitsteilung in den Haushalten und die Geschlechterverhältnisse. Denn ausgeprägte individuelle Ansprüche auf soziale Leistungen entlasten Familien, während andere Modelle implizit von umfangreichen familiären Leistungen ausgehen, bevor subsidiär staatliche oder Versicherungsleistungen greifen (vgl. auch Staab in diesem Heft).
Auf globaler Ebene gibt es weder Institutionen noch einen Souverän, der derartige sozialpolitische Maßnahmen durchsetzen könnte. Das gleichzeitige Beharren auf nationaler Souveränität in Fragen der Sozialpolitik hat damit bis heute eine Situation geschaffen, in der zwar die meisten Politikbereiche von internationalen Rahmenbedingungen abhängig sind, aber soziale Rechte und die Bereitstellung von sozialen Diensten sowie die Absicherung von Lebensrisiken auf nationaler Ebene zwischen Zivilgesellschaft und Staat ausgehandelt werden sollen. Letztendlich verharrt auch die Politik der EU noch weitestgehend in diesem Muster. Die historisch gewachsenen, recht unterschiedlichen sozialpolitischen Modelle der Mitgliedstaaten bleiben zunächst unangetastet, während Wirtschaft und Arbeitsmarkt weitgehend liberalisiert werden. Ähnliche Ungleichzeitigkeiten finden sich auf der globalen Ebene.
Erst allmählich etablieren sich globale zivilgesellschaftliche Institutionen, die international vernetzt und politikfähig sind, um soziale Rechte durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vor allem um regulative Maßnahmen zu Sozialstandards bei multinationalen Unternehmen, Lobbyarbeit zur Durchsetzung von Menschenrechten etc. Ihnen gegenüber stehen nach wie vor globale völkerrechtliche Institutionen (UN usw.) mit nur beschränkter Handlungsfähigkeit. Weder gegenüber den Geberländern noch in den Empfängerländern internationaler Hilfe können sie Umverteilung zugunsten der Ärmeren und verbindliche Regulierungen durchsetzen. Auch die Umsetzung der Millennium Development Goals (MDGs – vgl. Peripherie 108) bleibt weit hinter den Zielen zurück. Die Nationalstaaten pochen ihrerseits auf Souveränität und verbitten sich Einmischung in nationale Politik. Andererseits zeigt sich, – nicht zuletzt in der Dynamik internationaler Migration – wie wenig Sozialpolitik allein nationale Belange betrifft und losgelöst von globalen Einflüssen ist.
Die aktuelle Diskussion um die Entwicklung von sozialpolitischen Standards und um globale sozialpolitische Interventionen wirft auch die Frage auf, ob es sich dabei allein um die Erkenntnis dieser Ungleichzeitigkeit handelt, die zu einem Bruch mit dem neoliberalen Dogma und einer Neuformulierung internationaler Verantwortung führt, oder ob es eher um die Prävention von sozialen Unruhen und politischer Instabilität in globalem Maße geht, ob also quasi das Drängen der internationalen Gemeinschaft auf die Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Vermeidung größerer Katastrophen mit entsprechenden wirtschaftlichen Auswirkungen dient. Globale Sozialpolitiken sind daher zu untersuchen einerseits im Kontext der Spannung von globalen Interventionen und nationaler Souveränität, aber auch im je historisch gewachsenen Kontext sozialpolitischer Maßnahmen in postkolonialen Staaten.
Ingrid Wehr befasst sich in ihrem Beitrag ausführlich mit der Frage, inwieweit die Theorien des Wohlfahrtsstaates europäischer Prägung auf Länder im Globalen Süden übertragbar sind und wie sie zu bewerten sind. Ausgehend von einem theoretischen Überblick über unterschiedliche Wohlfahrtstaatstheorien stellt sie fest, dass z.B. lateinamerikanische Sozialpolitik eher eine Umverteilung von unten nach oben bewirkt. Denn Nutznießer sind hier vor allem die in die formalen Arbeitsmärkte Integrierten, während über Konsumsteuern die ganze Bevölkerung zur Finanzierung der bereits sehr traditionsreichen Sozialversicherungssysteme beiträgt. Sie fordert mehr Augenmerk auf die redistributiven Momente von Sozialpolitik.
Noch schwieriger als die Bewertung unterschiedlicher nationaler Sozialpolitiken ist die Frage danach, wie globale Sozialpolitik konzeptionell und empirisch zu fassen ist. Diese „konstituiert sich aus globalen redistributiven Mechanismen, globalen regulativen Mechanismen und Elementen der Erbringung von Leistungen und des Empowerments auf globaler Ebene“, so Bob Deacon. Brühl und Nölke untersuchen in einem Überblick, wo sich Elemente dieser dreifachen Politik global festmachen lassen. Sie sehen gewisse Ansätze sozialregulativer Politiken in den Bestrebungen der International Labour Organisation (ILO), internationale Arbeitsrechte zu verankern, sowie globaler Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs), auch Unternehmen in Prozesse des Corporate Social Responsibility (CSR) einzubinden. Ansätze für soziale Grundrechte sehen sie in den sozialen Menschenrechten verankert. Auch die MDGs interpretieren sie als globale Sozialpolitik in diesem Sinne. Zu untersuchen bleibt, warum es dennoch bisher kaum zu globalen redistributiven Maßnahmen kommt.
Im Kontext postkolonialer Staaten, in denen nur wenige Menschen in formale Arbeitsmärkte integriert sind, bekommt die Frage nach den Rahmenbedingungen für die Erbringung subsidiärer sozialer Leistungen noch einmal mehr Bedeutung. Silke Staab zeigt diesen Zusammenhang sehr deutlich auf in ihrem Versuch, die in der feministischen Wissenschaft für die Industrieländer seit langem geführte Care-Debatte auf Entwicklungsländer zu übertragen. Auch hier bestimmt die spezifische Verzahnung von Haushalt/Familie, Staat, Markt und gemeinnützigen Organisationen die Bedingungen privater Pflege, die von Frauen unentgeltlich erbracht wird. Am Beispiel der Pflege AIDS-Kranker in Tanzania wird deutlich, dass sie nicht umsonst zu haben ist, da Frauen – und Männern – die Zeit und die Ressourcen fehlen, ihre Angehörigen adäquat zu versorgen.
Angesichts des Fehlens globaler staatlicher Strukturen gibt es keine klaren Verantwortlichkeiten für eine nachhaltige Konzipierung und Umsetzung globaler Sozialpolitik. Wie diese je auf nationaler Ebene umgesetzt wird, ist immer das Ergebnis von Aushandlungsprozessen zahlreicher nationaler und internationaler Akteure. Dabei spielt mehr denn je das Zusammenspiel staatlicher und nicht-staatlicher Strukturen eine entscheidende Rolle. Gerade im Feld der globalen Sozialpolitik spielen internationale NGOs neben den internationalen Organisationen eine wichtige Rolle nicht nur als Lobbyisten, sondern auch bei der Vergabe von Mitteln, ähnlich wie in den Nationalstaaten, wo staatliche und nichtstaatliche Akteure entscheidend an der konkreten Ausformulierung und Umsetzung von Sozialpolitik mitwirken.
Katharina Lenner und Anne Tittor beschreiben zwei sehr unterschiedliche Beispiele für solche Artikulation globaler Sozialpolitik in nationalen Kontexten. Lenner untersucht am Fallbeispiel Jordanien, welche Rolle lokale politische Kräfte und Strategien gegenüber der globalen Armutsbekämpfungsagenda spielen. Sie argumentiert, dass die Entwicklung von Armutsbekämpfungspolitik in Jordanien seit den 1990ern eine Bedeutungszunahme der globalen Konzeption von Armutsbekämpfung als gezielte ‘Hilfe zur Selbsthilfe’ markiert. Diese wird allerdings entlang gewachsener Machtverhältnisse in den lokalen Kontext übersetzt und artikuliert sich mit dem etablierten Modell des paternalistischen Fürsorgestaats. Die entstehenden sozialpolitischen Formen werden als Einschreibungsprozess verschiedener Gruppen und ihrer Strategien sowie als Versuch ‘von oben’ interpretiert, politisch relevante Bevölkerungsgruppen symbolisch und teilweise materiell zu integrieren und die Bevölkerungsteile und (sozial‑)politischen Gruppen zu kontrollieren, die als potentielles Stabilitätsrisiko betrachtet werden.
Tittor analysiert die Rolle internationaler Organisationen im Gesundheitswesen El Salvadors. Angesichts der niedrigen Priorität, die die von 1989-2009 regierende rechts-konservative ARENA-Partei der Sozialpolitik zubilligte, stellt sich die Frage, ob in einem solchen nationalen Kontext Globale Sozialpolitik eine progressive Wirkung entfalten kann. Internationale Organisationen rieten dort in den 1990er Jahren zur Privatisierung des Gesundheitswesens. Nachdem die internationalen Reformvorschläge ins Parlament eingebracht wurden, regte sich der Widerstand, insbesondere bei den Beschäftigten des Sektors. Letztendlich waren es diese sozialen Basisbewegungen, die eine noch weitergehende Privatisierung des Gesundheitswesens verhinderten. Daher kommt Tittor zu einer eher skeptischen Einschätzung der Rolle internationaler Organisationen bei der Ausweitung sozial-inklusiver Sozialpolitiken.
Nicht unwesentlich bestimmt wird Sozialpolitik von der Einschätzung und Beurteilung der tatsächlichen sozialen Lage der Menschen. So basieren z.B. die MDGs auf Daten über den aktuellen Zugang zu sozialen Diensten und der Definition von Zielzahlen in bezug auf diese Datenlage. Wie aussagekräftig solche Sozialen Indices sind, wie sie zustande kommen und welche Zusammenhänge sie auch verschweigen, untersucht Kerstin Priwitzer am Beispiel des Social Protection Index (SPI) der Asiatischen Entwicklungsbank. Eine kritische Durchsicht unterschiedlicher Instrumente, die nicht nur beanspruchen, soziale Wirklichkeit darzustellen, sondern auch Handreichung für deren Veränderung zu sein, ergibt gravierende Defizite, nicht zuletzt bei der zugrundeliegenden Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit. Priwitzer weist anhand ihrer Forschungen in Vietnam gravierende Blindstellen vor allem beim SPI nach, die auch auf die Politikberatung durchschlagen.
Spezifische Perspektiven auf interkontinentale Migration, Xenophobie und deren kulturelle Ausdrucksformen eröffnen außerhalb des Schwerpunkts die Beiträge von Sina Lucia Kottmann und Kolja Lindner. Kottmanns Präsentation ethnographischen Materials von der spanischen Mittelmeerküste zeigt, dass diejenigen unter den afrikanischen Migranten, denen es gelingt, die immer stärkere hermetische Abschottung EU-Europas zu überwinden, dort auf kulturelle Register treffen, die sich auf ältere Konfrontationen mit „Afrika“ und „Arabern“ in der Form der vor mehr als einem halben Jahrtausend abgeschlossenen Reconquista auf der Iberischen Halbinsel beziehen. Diese Register verstärken zum einen bestehende, durch die Beobachtung der Migrationsprozesse aktualisierte Vorurteile. Zum andern aber werden die performativen Erinnerungsformen an die Kämpfe zwischen „Mauren“ und „Christen“ situationsspezifisch modifiziert. Die Reaktionsmuster sind daher weit komplexer, als es die Bestätigung und Aktualisierung jahrhundertealter Ängste oder essentialisierter Feindschaften nahelegen würden. An diesem Beispiel wird deutlich, wie kulturelle Inhalte und Identifikation in einer Weise verfügbar gemacht werden können, die auch die Möglichkeit zur Überwindung rigider Alteritätskonstrukte enthält.
Ausgangspunkt von Lindners Beitrag ist die Beobachtung, dass migrantische Kämpfe in Frankreich auch im 21. Jahrhundert nicht nur häufig, sondern auch relativ erfolgreich zu sein scheinen. Vor diesem Hintergrund untersucht Lindner gut 25 Jahre nach dem Ende des als „Marche des Beurs“ in die Annalen eingegangenen „Marsches für die Gleichheit und gegen den Rassismus“ Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den damaligen und heutigen Kämpfen. Die Problemlagen, die der „Marche des Beurs“ zugrundelagen, ähneln auf den ersten Blick jenen, welche die jüngeren Revolten in den banlieues auslösten. Doch haben sich die Kampfbedingungen angesichts des Agierens der verschiedenen Regierungen und des Erstarkens rassistischer Strömungen, aber auch der unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensbedingungen aufeinander folgender Generationen von ‘Beurs’ dramatisch verändert. Dies führt Lindner zu weitreichenden Schlussfolgerungen über Strategien antirassistischer Kämpfe, sollen diese sich nicht zwischen Vereinnahmung durch die Regierenden und interner Zersplitterung aufreiben, sondern die etablierten Herrschaftsverhältnisse wirksam in Frage stellen.
In einem aktuellen Diskussionsbeitrag stellt schließlich Soussan Sarkhosh die Anfang Juni 2009 angesichts offenkundiger Wahlfälschung aufgeflammte Protestbewegung im Iran in den größeren Zusammenhang der seit einem Jahrhundert immer wieder aufgenommenen Kämpfe für Freiheit in Iran. Sie verdeutlicht zudem die Infrastrukturen und Motivlagen dieses Protestes, die nicht zuletzt in der langjährigen Praxis des alltäglichen Unterlaufens religiös motivierter staatlicher Reglementierung zu suchen sind. Auch hier spielen die unterschiedlichen Erfahrungen und Praxen der Generationen eine wesentliche Rolle für die konkrete Form, die diese Bewegung angenommen hat.
Diese Ausgabe der Peripherie entstand in Kooperation mit dem internationalen Promotionskolleg Global Social Policies and Governance an der Universität Kassel. Für die gute Zusammenarbeit und die finanzielle Förderung möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken. Ferner gilt unser Dank Sarah Becklake, die als englische Muttersprachlerin die Summaries korrigiert hat.
Titel des letzten Heftes in diesem Jahrgang wird „Besatzungsregime“ sein. Für den 30. Jahrgang sind Hefte zu den Themen „Fußball peripher“, „Geschlechterpolitiken“ und „Postkoloniale Theorie und Nord-Süd-Beziehungen“ geplant. Die Calls for Papers für diese Ausgaben finden sich auf unserer Homepage. Zu diesen und anderen Themen sind Beiträge wie immer sehr willkommen.
Nach wie vor sind wir für unsere weitgehend ehrenamtlich geleistete Arbeit auf die Beiträge der Mitglieder der Wissenschaftlichen Vereinigung für Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik (WVEE) e.V., die die Peripherie herausgibt, und auf Spenden angewiesen. Wir freuen uns daher über neue Vereinsmitglieder ebenso wie über einmalige Spenden. Um die Resonanz der so wichtigen Kritik aktueller Tendenzen in der internationalen Politik zu verbessern, sind wir auch für neue Abonnentinnen und Abonnenten sehr dankbar. Alle WVEE-Mitglieder und Leserinnen und Leser unserer Zeitschrift sind daher herzlich eingeladen, sie noch besser bekannt zu machen.
Summaries
Tanja Brühl & Andreas Nölke: Tracing the Fragments of Global Social Policy. Whereas some authors argue that global social policy – defined as global redistributive policies, global social regulatory policies and elements of global provision and empowerment – does exist, other observers challenge this claim. These contradictory positions are the starting point of our article. In the first part, we investigate to what extent elements of global social policy can be found; we demonstrate that only fragments of global social policy exist, namely some norms of social justice and some weak global regulatory mechanisms. In the second part of our article, we identify reasons for the limited articulation of global social policy. We sketch social policy theories which have been developed for the national level and discuss their relevance for global social policy. In doing so, we highlight limited industrialization at the global level, the weakness of global trade unions and churches, the dominance of liberal international organizations, the veto power of powerful national governments and the weakness of (Scandinavian) welfare states in global politics as possible reasons for the rather fragmentary existence of global social policy.
Ingrid Wehr: Esping-Andersen travels South: Some Critical Remarks on the Comparative Research on Welfare. Until recently, comparative studies of welfare regimes have mainly been confined to a handful of countries in the North; thus, research on welfare regimes in the South is a rather new field. The following article presents a critical summary of the major advances and shortcomings of recent studies on welfare regimes in the South, focussing mainly on Latin American examples. Despite efforts to de-centre the comparative research agenda, analyses of welfare regimes outside the OECD-world still suffer from a euro-centric bias. In the context of a proliferation of typologies based on varieties of Esping-Andersen’s three worlds of welfare capitalism, central aspects concerning the political reproduction of social inequality, i.e. power and authority relations, have so far been neglected. In discussing the central characteristics of exclusive and fragmented welfare regimes in Latin America, this article comes to some suggestions which would help to intensify the dialogue between welfare and post-transitional studies and refocus the research agenda on the central topic of redistribution.
Silke Staab: Families, women and volunteers – the limits of unpaid care in a development context. The past decades have witnessed the emergence of a rich body of literature on the gender dimensions of welfare states, social policy and care. While feminist research on care has made important theoretical, conceptual and empirical contributions, it has also been remarkably „local“, focusing mainly on the institutionalized welfare states of the advanced capitalist economies. Given this, many of the trends, issues and policies it has documented are not universal. This article draws on feminist debates in the „North“ to (re)think care in the „South“, where states and markets often fail to create the basic conditions for decent livelihoods and care provision. In contexts of widespread poverty and inequality, precarious and informal labour markets, weak state capacity, as well as poor access to social protection and basic infrastructure, households and families assume a disproportionate share of material and social provisioning. The case of Tanzania is used to illustrate how the legacy of health sector restructuring, along with the additional care needs associated with the HIV/AIDs pandemic, are placing an increasingly unmanageable burden on families and so-called ‘community volunteers’, most of whom are women. It is argued that the residual social policies, emergency programmes and measures aimed at a more equitable distribution between men and women at the household-level are insufficient to address current care deficits. The article closes with a number of policy implications for reducing and redistributing women’s care burden in a development context.
Katharina Lenner: The local translation of global political paradigms: on the politics of poverty reduction in Jordan. This article analyses the role of local political forces and strategies in Jordan vis-à-vis the global agenda of poverty reduction. It argues that the development of poverty reduction policy, a new field of political intervention in Jordan since the 1990s, signifies the increased relevance of the global concept of poverty alleviation, which aims to target the poorest of the poor, helping them to help themselves. This global concept is being translated into the local political context, where it is articulated within the established Jordanian model of the paternalistic provider state. The emerging forms of social policy reflect the efforts of various groups who aim to have their strategies inscribed into the state’s apparatuses, as well as attempts from above to integrate politically relevant groups in symbolic and material terms and control those (socio‑)political groups regarded as a potential risk to political stability.
Anne Tittor: Privatization and social cuts as part of Global Social Policy? The role of international organizations in El Salvador´s Health Policy. This article analyses the role of international organizations in the formation of national social policy by questioning their concrete interventions in El Salvador’s healthcare policy. As El Salvador is an exclusive welfare state where traditional elites have governed for a long time, one might assume that the efforts of International Organizations have had a positive effect. In contrast to this assumption, this article argues that International Organizations have been decisively involved in the history of the country and have helped stabilize a regime that for decades gave no priority to social policy and social reforms. As in many Latin American countries, the World Bank, the Interamerican Development Bank, the World Health Organization and bilateral development agencies have pushed forward neoliberal health reforms. A strong local social movement stopped the privatization of healthcare and started a discussion about „good“ healthcare policies.
Kerstin Priwitzer: The Social Protection Index of the Asian Development Bank. A conceptual query with reference to Vietnam. In the wake of the Asian financial crisis, the Asian Development Bank (ADB) has broadened its thematic focus from economic development to social protection. One of the bank’s initiatives in this area was to design a Social Protection Index to measure and compare the social activities of member states. An analysis of the Vietnamese social protection system exemplifies two major restraints of the index: first, the index has severe conceptual shortcomings in that it leaves out questions of social rights and redistribution; secondly, the measurement of social protection in Vietnam does not take vulnerable groups such as ethnic minorities, the urban poor and women adequately into account. Given the current deficiencies, the allocation of development projects based on the index could further enhance the exclusion of certain vulnerable groups.
Sina Lucia Kottmann: ‘Moors’ on Christian shores – repelling and incorporating the ‘Other’ in Southern Spain. Since the Muslim presence on the Iberian Peninsula and the Christian (Re‑)Conquista of Al’Andalus from the beginning of the 8th century, the encounter between Muslim and Christian cultures has left visible traces in the concrete landscapes, as well as invisible traces in the collective memory, of today’s Spain. Spain’s South is still an important site of junction and fracture between the Occident and Orient, Europe and Africa. Mainly illegal, immigration from the Maghreb and Sub-Saharan countries over the Mediterranean Sea has been on the increase since the 1980s, a fact that has revitalized the old dichotomy of Moors against Christians. The attacks by Al Qaeda in Casablanca and Madrid (2003/2004), as well as the dramatic ‘sceneries of flight’ into the barbed wire embankments of the Spanish enclaves Ceuta and Melilla, have heighten social tensions and nourished new fears of foreign Muslim infiltration. In the face of current global events, ‘clash’ and dialog with the cultural, religious or ethnic ‘Other’ are a central theme in social discourse as well as in the folklore practices of Southern Spain, which are described in the article.
Kolja Lindner: 25 Years after the „Marche des Beurs“: Immigrant Struggles in France in the 1980s and Today. The present essay appears twenty-five years after the ‘Marche des Beurs’, the name given to demonstrations staged throughout France by the children of North African immigrants. It studies the social and political context of this movement, examining both its successes and its failures. By looking at the present-day conflicts in the suburbs (banlieues), it argues that the configurations that came about in the 1980s continue to influence immigrant struggles. Yet, despite this influence, today’s ‘housing-estate generation’ clearly differs from the ‘Beur Generation’. Thus, despite the tense social situation, a depoliticisation has occurred, which, in conjunction with the interventions of the French president Nicolas Sarkozy, has confronted immigrant struggles in contemporary France with new challenges. Accordingly, the essay concludes with a discussion on the anti-racist strategies that propose to take up these challenges, as well as critically assimilate the experiences of the ‘Marche des Beurs’.
INHALTSVERZEICHNIS
Editorial, S. 143
Tanja Brühl & Andreas Nölke: Spurensuche: Fragmente globaler Sozialpolitik, S. 149
Ingrid Wehr: Esping-Andersen travels South. Einige kritische Anmerkungen zur vergleichenden Wohlfahrtsregimeforschung, S. 168
Silke Staab: Familien, Frauen und „Freiwillige“: Die Grenzen unbezahlter Sorgearbeit im entwicklungspolitischen Kontext, S. 194
Katharina Lenner: Die lokale Übersetzung globaler politischer Paradigmen: Armutsbekämpfungspolitik in Jordanien, S. 215
Anne Tittor: Privatisierungen und Sozialabbau als Teil Globaler Sozialpolitik? Zur Rolle Internationaler Organisationen in der Gesundheitspolitik El Salvadors, S. 241
Kerstin Priwitzer: Der Social Protection Index der Asiatischen Entwicklungsbank. Eine konzepionelle Auseinandersetzung am Beispiel Vietnam, S. 265
Sina Lucia Kottmann: Moros en la Costa! – Mauren an christlichen Ufern. Abwehr und Inkorporation des Fremden im Süden Spaniens, S. 282
Kolja Lindner: 25 Jahre „Marche des Beurs“: Kämpfe der Migration im Frankreich der 1980er Jahre und heute, S. 304
Wolfgang Hein: Peripherie-Stichwort: Globale Sozialpolitik(en), S. 325
Diskussion
Soussan Sarkhosh: Die Situation in Iran 30 Jahre nach der Revolution – sie ändert sich doch, S. 329
RezensionsartikelWolf-Dieter Narr: Staat, Interesse und Theorie(-Bildung), S. 339
Rezensionen, S. 357
Eingegangene Bücher, S. 386
Summaries, S. 388
Autorinnen und Autoren, S. 391