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Geschichte im Westen 28 (2013) – History sells. Stadt, Raum, Identität
Editorial
„History sells. Stadt, Raum, Identität“ lautet das diesjährige Schwerpunktthema, mit dem der besonderen Bedeutung des Stadt- und Regionenmarketings vor dem Hintergrund einer Angewandten Geschichte bzw. der Public History Rechnung getragen wird. Zum History Marketing gehören historische Festivals, Stadtfeste und Stadtführungen genauso wie Stadtgeschichten, Bildbände, Ausstellungen und Stadtfilme. Kaum eine Stadt verzichtet heute noch auf eine aktive und professionelle Imagepolitik. Stadtmarketing, Imagekampagnen und Identitätspolitik zeichnen sich durch das Bemühen aus, möglichst viele Menschen für eine Stadt oder Region zu begeistern. Sie richten sich unter anderem an die Einwohner einer Kommune selbst. Über das Stadtbild bzw. durch städtische Repräsentationen wird versucht, den Einwohnern attraktive und sinnfällige Identifikationsangebote zu präsentieren. Die Menschen, die in einer Stadt leben, sollen sich auch mit dieser identifizieren.
Die produzierten Stadtbilder sind jedoch nicht nur binnenorientiert, sondern es geht vielmehr auch darum, Menschen von außerhalb für die Stadt zu gewinnen, sei es als Besucher oder als Neubürger. Es sollen z.B. Wirtschaftsunternehmen in der Stadt oder Region gehalten und neue Industrie- und Gewerbebetriebe von außerhalb gewonnen werden. Die Städte stehen untereinander im Wettbewerb um Einwohner, Arbeitskräfte, Gewerbebetriebe, Steuerzahler oder Fördergelder. Über ihre Repräsentationen wird die Stadt, ihre Bedeutung und Rolle, in die Region oder das Land eingeordnet.
Selbst- und Fremdbilder müssen nicht zwangsläufig mit der strukturellen und sozioökonomischen Realität einer Stadt übereinstimmen. Stadtrepräsentationen sind vielmehr medial und kulturell beeinflusste Deutungen, die interessengeleitet und historisch veränderbar sind. Sie stehen für den Versuch, komplexe Gegebenheiten einer Stadt oder Region auf wenige Aussagen, Schlagworte und Symbole zu reduzieren. Das Image einer Stadt versteht sich hier als Summe der Vorstellungen, Zuschreibungen und Gefühle, die mit dieser verbunden sind. Das über Fotografien, Reiseführer, Museen oder Bauwerke transportierte Image ist damit Ergebnis und Ziel einer Politik, die das Bild einer Stadt bestätigen, verstärken oder verändern will. Es wird durch reale Fakten, objektive Gegebenheiten, subjektive Eindrücke und konkretisierte Wunschvorstellungen geprägt.
Gleichzeitig werden damit auch Ankerpunkte für eine inszenierte Identität geliefert. So können Bildpostkarten oder Stadtbildbände z.B. als Mittel zur Produktion einer urbanen oder ländlichen Identität fungieren. Identität ist hier im Sinne einer individuellen und gemeinschaftlichen (Selbst-)Verortung der Menschen in ihren Räumen und Zeiten zu begreifen. Geschichte gilt als wichtiger Kristallisationskern für (raumbezogene) Identität. Entsprechend ist der Rückgriff auf die Geschichte und Traditionen sowohl für die Herausbildung von Stadtbildern als auch als Werbefaktor im Stadt- und Regionenmarketing eine wichtige Größe. Die Inszenierung des Historischen wird dabei an die jeweiligen Erwartungen und Wünsche der Gegenwart angepasst. Stadtstrategische Geschichtsbilder basieren somit auf historischer Rückbesinnung und (!) Zukunftsorientierung. Um überhaupt ein Thema bzw. eine Stadt als Marke erfolgreich vermarkten zu können, muss das Markenthema historisch gewachsen sein, eine aktuelle Stärke besitzen und auch zukünftig im Trend liegen. Entsprechend knüpfen Imagekampagnen und Marketingstrategien häufig sowohl an zeitgenössische Zuschreibungen als auch an historische Traditionen an, wie dem Praxisbericht von Franz-Josef Jakobi und Bernadette Spinnen zum Stadtmarketing in Münster zu entnehmen ist.
Dass Städte ihr Image „aufpolieren“, ist allerdings kein neues Phänomen. Bereits seit mehr als hundert Jahren gibt es städtische Werbe- und Verkehrspolitik. Die Städte des ausgehenden 19. Jahrhunderts bedienten sich wie selbstverständlich stadtprofilbildender Imagekampagnen. Eine Überschreibung bzw. Neucodierung der bestehenden Selbst- und Fremdbilder durch neue Zuschreibungen und Repräsentationen spielt insbesondere in strukturpolitischen oder wirtschaftlichen Umbruch- oder Krisenzeiten eine Rolle. Während sich die sozioökonomischen Verhältnisse einer Stadt in der Regel nur langsam ändern lassen, kann vergleichsweise schnell über Perspektivwechsel bzw. neue Repräsentationen Einfluss auf das Bild einer Stadt genommen werden. Wie sich städtische Imagepolitik in Zeiten der Strukturkrise im Ruhrgebiet präsentierte, zeigt Daniela Fleiß in ihrem Beitrag am Beispiel der Städte Bottrop, Duisburg und Essen. Hierfür wertet sie Bildbände, Imagebroschüren und Postkarten aus. Dass urbane Identität bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts durchaus ambivalent heraufbeschworen wurde, macht Rolf Sachsse an den Medien der Fotografie deutlich. Er legt dar, wie Stadtfotografien, illustrierte Zeitschriften und Stadtbildbände als Mittel der Produktion von städtischer Identität sowohl positive Hervorhebungen als auch kritische Reflexionen hervorbrachten. Ralf Springer rückt das Genre Stadtfilm in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Am Beispiel der filmischen Portraits über Castrop-Rauxel und Gelsenkirchen in der „Wirtschaftswunderzeit“ wird das Spannungsverhältnis dieser Filme analysiert, die zugleich Kulturfilm und Stadtwerbung sein wollten.
Fragt man nun nach den Akteuren der städtischen Image- und Identitätspolitik, so zeigen die Beiträge, wie sehr diese Politik durch bürgerliche Kräfte geprägt war und ist. Die vermittelten Bilder und Wertvorstellungen entstammen in der Regel der bürgerlichen Lebenswelt und zielen auf Konsum und Kultur ab. Es sind vor allem Vertreter der Stadtverwaltung, Unternehmen, Vereine oder Aktionsgruppen, die langfristig aktiv das vermittelte Stadtbild prägen, so dass die Deutungshoheit den lokalen Führungseliten und -schichten obliegt. Die städtischen Repräsentationen sind Abbilder und Ankerpunkte einer nach außen gekehrten bürgerlichen Identität. Es bleibt zu fragen, welche Stadt- und Geschichtsbilder entstehen, wenn weniger Aufklärung und Information, sondern vornehmlich Werbung oder Unterhaltung den Antrieb zur Auseinandersetzung mit Geschichte bilden.
SCHWERPUNKTTHEMA: HISTORY SELLS. STADT, RAUM, IDENTITÄT
Sabine MeckingEditorial (S. 7–9)
Rolf SachsseUrbanes Flair im Bild. Städtische Identität zwischen Werbung, Dokumentation und Kritik in fotografischen Publikationsformen des 20. Jahrhunderts (S. 11–27)
Ralf SpringerFilmische Stadtporträts als Instrumente des Stadtmarketings am Beispiel von Gelsenkirchen und Castrop-Rauxel (S. 29–55)
Daniela Fleiß„Wir sind ganz anders“. Imagewerbung im Ruhrgebiet zur Zeit des Strukturwandels (S. 57–80)
Franz-Josef Jakobi und Bernadette SpinnenStadtmarketing und Erinnerungskultur in Münster am Beispiel des Gedenkens an den Westfälischen Frieden – ein Praxisbericht (S. 81–90)
BEITRÄGE AUSSERHALB DES SCHWERPUNKTES
Thomas Handschuhmacher„Volksgemeinschaft“ als Gegenstand sozialer Praktiken. Eine Untersuchung am Beispiel der NSDAP-Ortsgruppe Lohmar (S. 91–117)
Ulrich EumannNach Francos Sieg. Leidenswege Kölner Spanienkämpfer (S. 119–139)
Jens Niederhut„Es ist besser zu sein als nicht zu sein“. Arnold, Heinemann, Sträter und die Todesstrafe in Nordrhein-Westfalen (S. 141–160)
Kazuki OkauchiWem gehört der Wald? Die Entwicklung der modernen Forstgesetzgebung in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung Nordrhein-Westfalens, 1940–1975 (S. 161–182)
Christoph NonnDie Integration von „Gastarbeitern“ in Nordrhein-Westfalen. Eine historische Perspektive (S. 183–199)
TAGUNGSBERICHTE
Agnes WeichselgärtnerHistory sells. Stadt, Raum, Identität“ – Wissenschaftliche Jahrestagung des Brauweiler Kreises für Landes- und Zeitgeschichte e.V., Münster 14. –15. März 2013 (S. 201–205)
Viktoria Durnberger, Stefan Grüner und Sabine MeckingRäume, Ressourcenzugang und Lebenschancen – Wahrnehmung und strukturpolitische Steuerung von sozialökonomischem Wandel in Deutschland (1945–1975), Augsburg 7. –8. März 2013 (S. 207–212)
AUTORINNEN UND AUTOREN (S. 213)
ABBILDUNGSNACHWEISE (S. 215–216)