Als avantgardistische Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist der Expressionismus in verschiedener Hinsicht dem ‚Neuen‘ und ‚Zeitgemäßen‘ verpflichtet. Zahlreiche Manifeste fordern explizit die Aufkündigung der Orientierung an traditioneller Kunst, vor allem der Antike. Stattdessen sollen dezidiert neue – und insofern ‚innovative‘ – künstlerische Ausdrucksformen entwickelt werden, um dem noch jungen 20. Jahrhundert zu entsprechen.
Dies gilt für die künstlerische Produktion in allen Bereichen: Während die Literatur z.B. die traditionelle Syntax und zusammenhängende Narrationen verabschiedet, bricht die bildende Kunst mit dem Anspruch auf Realitätsabbildung bzw. -nachahmung zugunsten ausdrucksstarker abstrakterer Darstellungsmodi, die ihre Motive entweder sehr stark verfremden oder sich ganz vom Figurativen entfernen.
Doch nicht nur auf dieser formal-gestalterischen Ebene ist der Expressionismus dem Moment der Innovation verpflichtet. Er setzt auch dazu an, andere Inhalte zu präsentieren, und entwirft Utopien für die Zukunft wie den „neuen Menschen“. Schließlich schlägt sich die Beschäftigung mit neuen technischen Erfindungen wie wissenschaftlichen Theorien direkt oder indirekt in der expressionistischen Kunst nieder und wird gerade dort genutzt, um ästhetische Innovation zu signalisieren bzw. zu flankieren.
Das dreizehnte Heft von Expressionismus beschäftigt sich mit den diversen Formen und ästhetischen Ansätzen des Innovativen im Expressionismus, die sowohl an Fallbeispielen aufgezeigt als auch interdisziplinärtheoretisch diskutiert und kritisch beleuchtet werden.
Inhalt
Editorial
Innovative Menschen- und Weltbilder
Mandy Dröscher-TeilleAbstraktion und Autonomie bei Wassily Kandinsky und Arnold Schönberg
Tobias ThanischKritik am Fortschrittsoptimismus der Avantgarden in Georg Kaisers Gas I
Innovation in der Literatur
Sophie-C. HartischRe-Vision. Kosmische Schau in expressionistischer Lyrik
_Nina Tolksdorf Innovation einer Tradition. Else Lasker-Schülers Mein Herz
Anleihen aus fremden Kulturen
Eva WiegmannÄsthetische Modernisierung im Modus des Interkulturellen. Am Beispiel von Alfred Döblins Die drei Sprünge des Wang-lun
Stefan BorchardtErstes Sehen. Ursprünglichkeit als Innovationskonzept in der expressionistischen Kunst
Innovationen im Alltag von Schreiben und Leben
Torben DannhauerWerke des Hamburger Expressionismus in Zeiten des Umbruchs aus dem Verlag Konrad Hanf
Insa BrinkmannExpressionistisch wohnen. Alltagsflucht und Zackenstil
Rezensionen Abbildungsverzeichnis Call for Papers: Politik