Zeitschrift für Genozidforschung 5 (2004), 1

Titel der Ausgabe 
Zeitschrift für Genozidforschung 5 (2004), 1
Weiterer Titel 
Tschetschenien

Erschienen
Paderborn 2004: Wilhelm Fink Verlag
Erscheint 
halbjährlich
Anzahl Seiten
176
Preis
€ 34,90

 

Kontakt

Institution
Zeitschrift für Genozidforschung. Zeitschrift des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung der Ruhr-Universität Bochum
Land
Deutschland
c/o
Dr. Medardus Brehl (verantwortlich), Institut für Diaspora- Genozidforschung an der Ruhr-Universität Bochum, D-44801 Bochum Tel.: +49 (0)234/32 29702, Fax: +49 (0)234/32 14770
Von
Jutta Dämmer

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das neue Heft der Zeitschrift für Genozidforschung ist soeben erschienen. Sie können die Zeitschrift über den Buchhandel oder direkt über den Verlag (www.fink.de) beziehen. Die Zeitschrift für Genozidforschung erscheint halbjährlich. Der Jahresbezugspreis beträgt 34,90 Euro, für Studierende 27,90 Euro. Das Einzelheft kostet 21,00 Euro, incl. MWst., zzgl. Versandkosten. Die Redaktion lädt zur Einsendung von Manuskripten ein, über die Veröffentlichung entscheidet ein peer-review Verfahren. Weitere Informationen zur Zeitschrift finden Sie auf unserer Homepage www.ruhr-uni-bochum.de/idg/zeitschrift/index.shtml

Inhaltsverzeichnis

EDITORIAL:

Zeitungsberichte kommentieren regelmäßig die Vielzahl der »ethnischen Konflikte«, mit denen wir durch das globale »Zusammenrücken« der Welt konfrontiert seien: doch zugleich ist es erstaunlich, wie weit wir uns bereits durch die spezifische Wortwahl von den Orten des Geschehens entfernen, wie konsequent es uns gelingt, die Prozesse des Geschehens trotz des »Nahblicks« auszublenden.
Diese Ausblendung ist in bezug auf die Gewalt im Sudan nur als systematisch, vielleicht sogar als strategisch zu kennzeichnen. Dabei fallen unter den Beschreibungen der gegenwärtigen Situation (die wenigstens seit 1998 andauert) am häufigsten die Begriffe von der »Humanitären Katastrophe« oder dem »blutigen Konflikt« auf, manchmal ist sogar die Rede von dem »Stammeskonflikt der ‘hellen’ gegen die ‘dunklen’ Stämme« des Sudans.
Mit erstaunlicher Ruhe sehen wir auf die Kurzberichterstattungen und verzichten angesichts der scheinbaren Unmittelbarkeit der Bilder auf die notwendigen Nachfragen: warum in den Flüchtlingslagern vor allem Frauen und Kinder unter 14 Jahren sind, welche Ziele hinter der systematischen Zerstörung der Dörfer in der Region Darfur stehen, wie die Janjawed Milizen in die sudanesische Politik eingebunden sind, wie die Strukturen des sudanesischen Staates zu kennzeichnen sind.
Wie ist die Zurückhaltung der internationalen Politik zu erklären?
Wie läßt sich, außerhalb der strategischen Motivationen der politischen Entscheidungsträger, unsere eigene Trägheit erklären? Wie das Desinteresse, die Bilder, die wir sehen, in einen Zusammenhang zu setzen und das Geschehen als Völkermord zu deuten?
Was ermöglicht die allgemeine Übereinkunft in das – nicht einmal in semantischer Hinsicht stimmige – Muster der »Humanitären Katastrophe«?
Dort, wo das Recht zur »humanitären Intervention« kontrovers diskutiert wird, anstatt es als einzige unbestreitbare Pflicht internationaler Politik als höchste Aufgabe zu setzen, ist detaillierter nachzufragen: nicht nur nach Abhängigkeiten internationaler Politik, sondern auch nach den Gültigkeiten dieser Politik und den Definitionen des Normativen und des Moralischen; nicht zuletzt nach Diskursmustern, die uns selbst enger in die Strukturen der gegenwärtigen Gewalt in Afrika einbeziehen werden, als es uns lieb ist.
Mit solchen Fragen und einer thematischen Analyse zum Sudan wird sich aus aktuellem Anlaß in diesem Jahr die zweite Ausgabe der Zeitschrift für Genozidforschung beschäftigen.

Den Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe bildet die detaillierte Auseinandersetzung mit Strategien der Legitimation kollektiver Gewalt.
Dabei analysiert Josias Semujanga diskursive Muster, die zur Mobilisierung während des Genozids in Ruanda dienten. So diskutiert er binäre Codierungen zwischen Hutu und Tutsi, die spätestens seit der Kolonialzeit politische Hierarchisierungen vorgaben. Den zweiten Schwerpunkt seines Artikels bildet die detaillierte Nachzeichnung der Rituale der traditionellen Jagd, der sowohl vergemeinschaftende Funktionen zukommen als auch eine Verschiebung der Gewalthandlung: eine Einbindung in ein wichtiges Handeln für das Überleben einer Gemeinschaft. Nicht zufällig wurden diese Rituale der traditionellen Jagd im Genozid rekonstruiert.
Helga Amesberger, Katrin Auer und Brigitte Halbmayr zerstören mit ihrem Beitrag eine zentrale Illusion, denn sie machen es in der Analyse sexualisierter Gewalt im Nationalsozialismus unmöglich, von einer unpersönlichen, angesichts einer »allgemeinen Atmosphäre« von Terror und Lager »generellen« Gewalt zu sprechen. Die vorgestellten Typisierungen erlauben nicht nur, den Begriff der sexualisierten Gewalt als sowohl sozialhistorisches und sozialpsychologisches Analysekonzept zu verwenden. Sie erlauben auch Erklärungen für die Gewaltbereitschaft der Täter aufgrund der Berücksichtigung spezifischer Einbindungen in sexualisierte Strukturen und Diskurse.
Krikor Beledian fragt nach den Möglichkeiten, die Erfahrung von Verfolgung und Völkermord in der Literatur der Überlebenden zu analysieren, um diese Frage bewußt von der Literatur selbst beantworten zu lassen: er stellt Spuren, Themen und Allegorien der nie wirklich anwesenden und doch auch nicht abwesenden Völkermorderfahrungen in der armenischen Literatur vor.
Martin Malek diskutiert unter Heranziehung aktuellster Materialien Strategien der russischen Politik in Tschetschenien und ihre legitimatorischen Erklärungsmuster in Politik und Öffentlichkeit. Präzise analysiert er nebeneinander zwei dichte Netze: jenes der Argumentation gegen die Gewalt der »Separatisten«, die jede Einmischung von außen aufgrund der Argumente »Krieg«, »Islamismus« und »innere Angelegenheit« erfolgreich verhindert, und jenes der russischen Gewaltpolitik gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung.

INHALT:

ARTIKEL:

Josias Semujanga:
Von Propagandaerzählungen und Jagderzählungen im Genozid in Ruanda
S. 8-39

Helga Amesberger, Katrin Auer, Brigitte Halbmayr:
Sexualisierte Gewalt im Kontext nationalsozialistischer Verfolgung
S. 40-65

Krikor Beledian:
Spuren, Themen und Allegorien der Katastrophe in der modernen armenischen Literatur
S. 66-99

FOKUS:
Tschetschenien

Martin Malek:
Rußlands Kriege in Tschetschenien. »Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung«, »Antiterror-Operation« oder Völkermord?
S. 101-129

REZENSIONEN:

Andrej Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941-1943, Hamburg: Hamburger Edition 2003

Ariane Eichenberg: Zwischen Erfahrung und Erfindung. Jüdische Lebensentwürfe nach der Shoah, Köln u.a.: Böhlau 2004

Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn/München: Schöningh 2003

Josef Kopperschmidt (hrsg.): Hitler der Redner, München: Wilhelm Fink Verlag 2003

Mathias Rösch: Die Münchener NSDAP 1925-1933. Eine Untersuchung zur inneren Struktur der NSDAP in der Weimarer Republik, München: R. Oldenbourg Verlag 2002

Tullia Santin: Der Holocaust in den Zeugnissen griechischer Jüdinnen und Juden, Berlin: Duncker und Humblot 2003 (=Zeitgeschichtliche Forschungen; 20)

Rainer F. Schmidt: Die Außenpolitik des Dritten Reiches 1933-1939, Stuttgart: Klett-Cotta 2002

Michel Wieviorka: Kulturelle Differenzen und kollektive Identitäten. Aus dem Französischen von Ronald Voullié, Hamburg: Hamburger Edition 2003

FORSCHUNGSBIBLIOGRAPHIE:
Schwerpunkt: Neuerscheinungen vom Januar 2003 bis März 2004

Kontakt:
Kristin Platt
Institut für Diaspora- und Genozidforschung
Ruhr-Universität Bochum
Universitätsstr. 150
44780 Bochum

Tel.: +49 (0)234 3229702
Fax.: +49 (0)234 32214770
Mail: idg@rub.de
Web: www.rub.de/idg

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