Ausgabe 2016 – Geschichtsdidaktik postkolonial
Heftherausgeber: Bernd-Stefan Grewe (Freiburg)
„[…] Ist also der Kolonialismus nicht bereits hinreichend didaktisch aufbereitet – durch eine ideologiekritische Behandlung von Stoffen wie der europäischen Expansion, des atlantischen Dreieckshandels, der europäischen Kolonialherrschaft und dem deutschen Weltmachtstreben, das in den Ersten Weltkrieg mündete, sowie dem Genozid an den Herero und Nama? Hier wird Kolonialismus doch stets kritisch behandelt – worin soll dann die Herausforderung bestehen? Geht es also nur darum, mehr und auf eine bessere Weise historisches Wissen über den Kolonialismus zu vermitteln?“ (aus der Einführung von Bernd-Stefan Grewe, S. 6)
„[…] Akzentuiert man hingegen die kulturelle Dimension von Kolonialismus und begreift man ihn stattdessen als eine mentale Struktur, dann ergeben sich völlig andere Beziehungen und andere Fragen. Für die Geschichtswissenschaft: Wie tief reichte etwa der Kolonialismus als mentale Struktur in der Bevölkerung und wie beeinflusste er das Denken der Menschen in den Kolonien wie in den Metropolen? Und für die Geschichtsdidaktik: Sind diese Denkmuster und Diskurse überwunden oder dauern sie vielmehr heute noch an? Inwiefern prägen sie das Geschichtsbewusstsein einer Gesellschaft? Ist Kolonialismus in diesem kulturellen Sinne überhaupt schon zu Ende gegangen und kann er einfachheitshalber als abgeschlossenes Phänomen behandelt werden?“ (ebd., S. 9f.)
„[…] Für eine Geschichtsdidaktik, die sich mit den Fragen des Geschichtsbewusstseins und der Geschichtsvermittlung in einer heterogenen Gesellschaft befasst, stellen sich damit neue Fragen nicht nur in Bezug auf das interkulturelle Lernen, das Prinzip der Alteritätserfahrung und des Fremdverstehens, sondern auch in Bezug auf die beim historischen Denken verwendeten Kategorien. Denn heute kann deren lange unhinterfragt hingenommener Anspruch auf Universalität nicht länger vorausgesetzt werden. Mit dem Postkolonialismus stehen Fragen von (kollektiver) Identität und Identitätszuschreibungen, von Hierarchisierungen und Unterdrückung, von Widerstand, Geschlecht und Migration neu auf der Agenda. Alle Beiträge in diesem Band stellen sich dieser Herausforderung und setzen sich mit der Bedeutung (post-) kolonialen Denkens für die verschiedenen Arbeitsfelder unserer Disziplin auseinander […].“ (ebd., S. 28)
Inhaltsverzeichnis
Themenschwerpunkt
Bernd-Stefan GREWE, Geschichtsdidaktik postkolonial – Eine Herausforderung, S. 5.
Bea LUNDT: Ich bin dann mal da! Vom schwierigen Ankommen weißer Lehramtsstudierender in Ländern Afrikas und von der Aufgabe des Faches Geschichte angesichts der Agenda 2030, S. 31.
Thorsten HEESE: Die Entschlüsselung der „Szenografie des Kolonialismus“ als postkoloniales Museumsnarrativ, S. 46.
Eva BAHL und Tanja SEIDER: Audio-visuelle Repräsentationen postkolonial: Historisch-politisches Lernen mit dem Medium Dokumentar- und Essayfilm, S. 67.
Daniel BENDIX und Franziska MÜLLER: Geschichtsvermittlung im Kinderzimmer. Benjamin Blümchen postkolonial, S. 84.
Philipp BERNHARD: Postkoloniale Spurensuche in München. Geschichtsdidaktische Reflexion eines Stadtrundgangs mit einer ‚postkolonialen Initiative‘ im Rahmen einer kolonialgeschichtlichen Unterrichtseinheit, S. 101.
Uta FENSKE und Daniel GROTH: Postkoloniale Theorien als Beitrag zur Dekonstruktion innereuropäischer Hegemonial- und Verflechtungsbeziehungen, S. 116.
Felix HINZ und Johannes MEYER-HAMME: Geschichte lernen postkolonial? Schlussfolgerungen aus einer geschichtsdidaktischen Analyse postkolonial orientierter Unterrichtsmaterialien, S. 131.
Forum
Vanessa NEUMANN, Wanda SCHÜRENBERG und Jörg VAN NORDEN: Wie entwickelt sich narrative Kompetenz im Geschichtsunterricht? Eine qualitative Studie, S. 149.
Ulrich MAYER: Georg Eckert als Geschichtsdidaktiker, S. 165.
Rezensionen
Bettina Alavi (Hrsg.): Zwangsmigration im Film. Der Zweite Weltkrieg in deutscher, polnischer und tschechischer Spiegelung (Thomas Hellmuth), S. 185.
Heinrich Ammerer/Thomas Hellmuth/Christoph Kühberger (Hrsg.): Subjektorientierte Geschichtsdidaktik (Isabelle Nientied), S. 186.
Ulrich Baumgärtner: Wegweiser Geschichtsdidaktik. Historisches Lernen in der Schule (Matthias Weipert), S. 188.
Nicola Brauch: Geschichtsdidaktik (Christian Heuer), S. 190.
Wolfgang Buchberger/Christoph Kühberger/ Christoph Stuhlberger (Hrsg.): Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht (Jan Hodel), S. 192.
Kadriye Ercikan/Peter Seixas (Hrsg.): New Directions in Assessing Historical Thinking (Nicola Brauch), S. 194.
Rosa Fava: Die Neuausrichtung der Erziehung nach Auschwitz in der Einwanderungsgesellschaft. Eine rassismuskritische Diskursanalyse (Christina Brüning), S. 196.
Elke Gryglewski/Verena Haug/Gottfried Kößler/Thomas Lutz/ Christa Schikorra (Hrsg.): Gedenkstättenpädagogik. Kontext, Theorie und Praxis der Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen (Juliane Brauer), S. 199.
Wolfgang Hasberg/Manfred Seidenfuß (Hrsg.): Reform – Erfahrung – Innovation. Biographische Erfahrungen in der Region. Ein Kapitel aus der Geschichte der Geschichtsdidaktik (Wolfgang Jacobmeyer), S. 201.
Gerhard Henke-Bockschatz (Hrsg.): Neue geschichtsdidaktische Forschungen (Wolfgang Hasberg), S. 204.
Michael Maset: Bilingualer Geschichtsunterricht. Didaktik und Praxis (Martin Schlutow), S. 207.
Vadim Oswalt: Planung von Unterrichtseinheiten. Wie man Geschichte (an)ordnen kann (Holger Thünemann), S. 209.
Christoph Pallaske (Hrsg.): Medien machen Geschichte. Neue Anforderungen an den geschichtsdidaktischen Medienbegriff im digitalen Wandel (Andrea Kolpatzik), S. 211.
Jörn Rüsen: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft (Sebastian Lotto-Kusche), S. 213.
Irmhild Schrader/Anna Joskowski/Karamba Diaby/Hartmut M. Griese (Hrsg.): Vielfalt und Einheit im neuen Deutschland. Leerstellen in Migrationsforschung und Erinnerungspolitik (Christina Brüning), S. 215.
Ludger Schröer: Individuelle didaktische Theorien und Professionswissen. Subjektive Konzepte gelingenden Geschichtsunterrichts während der schulpraktischen Ausbildung (Manfred Seidenfuß), S. 217.
Holger Thünemann/Meik Zülsdorf-Kersting (Hrsg.): Methoden geschichtsdidaktischer Unterrichtsforschung (Markus Bernhardt), S. 219.
Hans Toman: Historisches Lernen in der Grundschule und in der Sekundarstufe I. Kompetenzen, Methoden, Medien und Szenarien (Jessica Kreutz), S. 222.
Monika Waldis/Béatrice Ziegler (Hrsg.): Forschungswerkstatt Geschichtsdidaktik. Beiträge zur Tagung ›geschichtsdidaktik empirisch 13‹ (Meik Zülsdorf-Kersting), S. 224.
Christian Weiss: Geschichte/n zwischen den Zeilen. Nationale Identität in Geschichtsbüchern für deutsche und französische Volksschulen (1900–1960) (Rainer Bendick), S. 226.
Marco Zerwas: Lernort ›Deutsches Eck‹. Zur Variabilität geschichtskultureller Deutungsmuster (Tobias Dietrich), S. 228.
Museumsrezension: Formen der musealen Darstellung des Ersten Weltkriegs im Vergleich: Ausstellungsbereiche zum Ersten Weltkrieg in den Dauerausstellungen des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr Dresden (2011), des Heeresgeschichtlichen Museum Wien (2014) und In Flanders Fields Museum Ypern (2012) (Daniel Groth), S. 230.
Abstracts
Autorinnen und Autoren