Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), 4
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2008: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 58 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 58 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Abteilung
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
PLZ
80636
Ort
München
Straße
Leonrodstraße 46 B
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

das Oktober-Heft der VfZ ist ausgeliefert. Lesen Sie u.a. den spannenden Erfahrungsbericht über die Aufarbeitung von NS-Verbrechen durch die Zentrale Stelle in Ludwigsburg in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten.
Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze

Kurt Schrimm und Joachim Riedel: 50 Jahre Zentrale Stelle in Ludwigsburg. Ein Erfahrungsbericht über die letzten zweieinhalb Jahrzehnte.

Die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen“ in Ludwigsburg wird in Kürze 50 Jahre alt. Dennoch ist ihre Tätigkeit noch immer nicht beendet. Aus diesem Anlass geben ihr derzeitiger Leiter und sein ständiger Vertreter zunächst einen gerafften Überblick über die Geschichte dieser Behörde. Im Anschluss an die 1982/84 erschienene Schrift des früheren Leiters der Zentralen Stelle Adalbert Rückerl „NS-Verbrechen vor Gericht“ stellen sie dann die Schwerpunkte der seitherigen Entwicklung dar. Bereits mehrmals wurde das Ende der Zentralen Stelle prophezeit; unvorhergesehene Ereignisse – wie etwa die Beschaffung der UNWCC-Fahndungsunterlagen, der politische Umbruch in Osteuropa und die Wiederentdeckung des „Schranks der Schande“ in Italien – gaben der Zentralen Stelle jedoch immer neue Impulse und Aufgaben, so dass ihr Auftrag, alles erreichbare Material über NS-Verbrechen im In- und Ausland zu sichten, zu sammeln und auszuwerten, bis heute noch nicht beendet ist. Im Vordergrund ihrer Tätigkeit steht heute die Sichtung von Archivbeständen im Ausland, die bisher nicht zugänglich waren oder auf deren Relevanz man erst jetzt aufmerksam wurde. Fraglos wird die „biologische Lösung“ der Tätigkeit der Zentralen Stelle demnächst ein Ende setzen; denn ihre Aufgabe hat sich spätestens dann erledigt, wenn nicht mehr damit gerechnet werden kann, einen noch lebenden NS-Täter auf die Anklagebank zu bringen. Zur Veranschaulichung der bisherigen Tätigkeit der Zentralen Stelle werden ferner vier markante NSG-Prozesse aus den beiden letzten Jahrzehnten näher dargestellt, in deren Vorbereitung die Zentrale Stelle eingebunden war. Der Beitrag schließt mit einem kritischen aber doch positiven Resümee über die strafrechtliche Aufarbeitung des NS-Unrechts durch die west- und bundesdeutsche Justiz.

Reinhard Otto, Rolf Keller und Jens Nagel: Sowjetische Kriegsgefangene in deutschem Gewahrsam 1941–1945. Zahlen und Dimensionen.

Die Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs in deutsche Gefangenschaft gerieten, ist nach wie vor unbekannt. Dabei gab es keine Gruppe von Kriegsgefangenen die so viele Opfer zu beklagen hatte, wie die sowjetische. Um die Zahl dieser Menschen zu ermitteln, wählte dieser Aufsatz einen anderen Weg. Da sowjetische Soldaten ebenso wie die Kriegsgefangenen anderer Nationen, sowie es das Völkerrecht vorsah, individuell registriert wurden, ist es möglich, über die Anzahl der in deutschen Kriegsgefangenenlagern vergebenen Erkennungsmarkennummern die Gesamtzahl der erfassten sowjetischen Soldaten zu ermitteln. Auf der Basis neu erschlossener personenbezogener Quellen, die zumeist im Archiv des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation in Podolsk sowie in den Archiven der Sicherheitsdienste Russlands und Weißrusslands sowie in der Deutschen Dienststelle Berlin aufgewahrt werden, weisen die Autoren nach, dass eine Registrierung nicht nur im Deutschen Reich erfolgte, sondern ebenso in den besetzten Gebieten, dem Generalgouvernement, Skandinavien sowie den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine. Insgesamt hat die Wehrmacht wenigstens 2,8 Millionen Angehörige der Roten Armee als Kriegsgefangene individuell erfasst. Die historische Forschung hat dies meist bestritten, weil sie der Wehrmacht von vornherein unterstellt, auf eine Registrierung verzichtet zu haben, um ein von Anfang an geplantes Massensterben zu verschleiern. Dem war aber nicht so. Vielmehr lässt sich ein individueller Nachweis für etwa die Hälfte aller in deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen Rotarmisten zu führen. Das schließt die Möglichkeit zur Feststellung der Todesfälle mit ein. Für die andere Hälfte der Gefangenen hat ein solcher Nachweis nie existiert; diese wurden allenfalls statistisch, nicht jedoch individuell erfasst. Der Aufsatz diskutiert verschiedene Möglichkeiten, wie die Zahl der im Operationsgebiet gebliebenen sowjetischen Soldaten zu ermitteln wäre.

Angela Hermann: Hitler und sein Stoßtrupp in der "Reichskristallnacht".

Die Frage nach der Urheberschaft der Novemberpogrome 1938 gegen die im Deutschen Reich lebenden Juden beschäftigte Zeitgenossen, Gerichte und Historiker gleichermaßen. Lange wurde Reichspropagandaminister Joseph Goebbels die Hauptverantwortung zugeschrieben. Erst die Veröffentlichung seiner Tagebücher in den 90er Jahren ermöglichte in diesem Fall eine eindeutige Klärung. Die Autorin beleuchtet die unmittelbare Vorgeschichte der reichsweiten Pogrome und insbesondere die Rolle Hitlers während der Ausschreitungen. Darüber hinaus stellt sie einen weiteren, bislang völlig unbekannten Akteur der antijüdischen Gewalt vor: den 1923 gegründeten „Stoßtrupp Adolf Hitler“. Dieser war infolge des gescheiterten Putschversuchs vom 8./9. November 1923 verboten worden und entschwand somit aus dem Gedächtnis der Nachgeborenen. Wie die Autorin nachweist, bestand er jedoch als Traditionsverband fort. Die Beteiligung des Stoßtrupps erlaubt interessante Rückschlüsse auf die Rolle der NS-Führung während dieses Pogroms.

Andreas Eichmüller: Die Strafverfolgung von NS-Verbrechen durch westdeutsche Justizbehörden seit 1945. Eine Zahlenbilanz"

Die meisten Forschungsarbeiten zur strafrechtlichen Verfolgung von NS-Verbrechen in Westdeutschland beziehen sich auf erstmals 1978 veröffentlichte und dann fortgeschriebene Zahlen. Jüngste, auf einer Auswertung umfangreicher Quellenbestände basierende Forschungen im Institut für Zeitgeschichte haben aber gezeigt, dass nahezu alle bislang genannten Zahlen korrekturbedürftig sind. So liegt sowohl die Zahl der durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren als auch die der in diesen Verfahren beschuldigten Personen erheblich höher als früher angenommen. Erstmals sind nun auch zuverlässige Aussagen über die zeitliche Entwicklung der Strafverfolgung, die Verteilung der Verfahren auf verschiedene Verbrechenskomplexe, die Zahl der Einstellungen, der Anklagen und Prozesse sowie der Freisprüche und Verurteilungen möglich. Der Umstand, dass die letztere Zahl nicht wesentlich über dem bisher genannten Wert liegt, macht die Gesamtbilanz aber nicht besser – im Gegenteil. Mit Blick auf die Opfern erscheint die Bilanz dieser Strafverfolgung noch unbefriedigender.

Dokumentation

Rüdiger Bergien: Staat im Staate? Zur Kooperation von Reichswehr und Republik in der Frage des Grenz- und Landesschutzes.

Zu den zentralen Zielen der Reichswehr gehörte die Vergrößerung ihres Personals in einem Verteidigungsfall. Zu diesem Zweck suchten militärische und zivile Dienststellen ein „Ersatzheer“ zu organisieren, die Landesschutzorganisation. Die sozialdemokratisch geführte preußische Staatsregierung wollte diese Kooperation verrechtlichen, um die Landesschutzorganisation auf diesem Weg zu „republikanisieren“. Dieser Ansatz scheiterte nicht allein an der Reichswehr, welche den „Richtlinien“ zum Trotz, fortfuhr, Angehörige des „nationalen Lagers“ für diese Landesschutzorganisation zu rekrutieren. Wichtiger war, dass die Kodifizierung dieser Kooperation von der preußischen Staatsregierung wie von der Reichswehrführung auf die nachgeordneten Ebenen delegiert wurde, die diese „Richtlinien“ in ihrem Sinn interpretierten. Bei den hier präsentierten Dokumenten handelt es sich um zwei Fassungen dieser regionalen Vereinbarungen zwischen einem preußischen Oberpräsidium und einem Wehrkreiskommando, vor allem aber die verschollen geglaubten „Richtlinien“ vom 26. April 1929 nebst ihren Ausführungsbestimmungen, den „Weisungen vom 23.5.1929 für den Grenz- und Landesschutz“.

Rezensionen online (Juli–September 2008)

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