Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), 3

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 59 (2011), 3
Weiterer Titel 

Erschienen
München 2011: Oldenbourg Verlag
Erscheint 
vierteljährlich
Preis
Jahresabo: 66 €, Stud.abo: 38 € Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 52,80 €, Online-Zugang: 66 €, Print- und Online-Abo 66 €

 

Kontakt

Institution
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
c/o
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München, vfz@ifz-muenchen.de
Von
Jaroschka, Gabriele

Liebe Listenmitglieder,

hat sich die Einführung des Euro gelohnt oder hatten die Skeptiker recht, die dem Euro ein Debakel prophezeiten? Werner Becker, prominentes Mitglied der Deutschen Bank, äußert sich dazu im Juli-Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte.

Anregende Lektüre wünscht
Ihr Oldenbourg Wissenschaftsverlag

Inhaltsverzeichnis

VfZ 3/2011

INHALTSVERZEICHNIS

Aufsätze

Kiran Klaus Patel: Zeitgeschichte im digitalen Zeitalter. Neue und alte Herausforderungen

Die Zeitgeschichtsschreibung steht im digitalen Zeitalter vor neuen Herausforderungen. Der Beitrag beleuchtet die forschungspraktischen Implikationen, die sich aus Veränderungen im Quellenmaterial und dem Zugang zu diesem ergeben. Angesichts technologischer Innovationen, sich wandelnder Kulturpraktiken und neuer rechtlicher Rahmenbedingungen vertritt er unter anderem die These, dass das bisherige, "dekadologische" Voranschreiten für die Zeitgeschichtsschreibung des 21. Jahrhunderts veraltet ist und den Ansprüchen, die an die Geschichtsschreibung zu stellen wären, nicht mehr gerecht wird. Während flott geschriebene Synthesen zu den Gewinnern der digitalen Revolution gehören werden, müssen die Anforderungen an quellennahe Monographien neu überdacht werden. Mit seinen pointiert-provokanten Überlegungen lädt der Beitrag zur Debatte über ein Thema ein, das die Zeitgeschichte zu lange ignoriert hat.

Kiran Klaus Patel, Contemporary History in the Digital Age. New and Old Challenges

Writing about contemporary history is facing new challenges in the digital age. The article sheds light on the practical implications for research resulting from the changes in source materials and the access to them. In view of technological innovations, changing cultural practices and new legal frameworks, it proposes that the current practice of contemporary history to advance “by decades” is outdated for the 21st century and also does not meet the necessary historiographical standards. While wittily written syntheses will be among the winners of the digital revolution, there has to be a rethink regarding the requirements of monographs written close to the sources. With its trenchant and provocative considerations, the article calls for a debate on a subject ignored by contemporary history for far too long.

Frieder Günther: Ordnen, gestalten, bewahren. Radikales Ordnungsdenken von deutschen Rechtsintellektuellen der Rechtswissenschaft 1920 bis 1960

Wie reagierten führende deutsche Rechtsintellektuelle auf die tief greifenden politischen Umbrüche in der Zeit von 1920 bis 1960? Und vor allem wie arrangierten sie sich, nachdem sie 1933 die Machtergreifung der Nationalsozialisten zunächst begeistert begrüßt hatten, später mit dem Verfassungssystem und der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik? Um diese Fragen zu beantworten, wird der Blick auf drei um die Jahrhundertwende geborene Rechtswissenschaftler gerichtet: Ernst Forsthoff, Ernst Rudolf Huber und Karl Larenz. Alle drei begannen in den 1920er Jahren ihre Universitätskarriere, nach 1933 stiegen sie zu Meinungsführern ihres Faches auf und gewannen nach einem Karriereknick aufgrund der Entnazifizierung in den 1950er Jahren nochmals einen maßgeblichen Einfluss auf die wissenschaftlichen und intellektuellen Debatten ihrer Zeit. Der Aufsatz macht deutlich, dass sich ihr Weltbild zwischen den 1920er und den 1950er Jahren kaum änderte und sich durchgehend mit dem Begriff des radikalen Ordnungsdenkens erfassen lässt. In ihren Arbeiten gewann vor allem das auf Carl Schmitt zurückgehende konkrete Ordnungs- und Gestaltungsdenken eine zentrale Bedeutung, um den einschneidenden politischen und rechtlichen Wandel, den sie erlebten, intellektuell zu verarbeiten.

Frieder Günther, Ordering, Shaping, Preserving. Ideas of Radical Order in German Right-Wing Intellectual Debates of Scholars of Law, 1920-1960

How did leading German right-wing intellectuals react to the deep political ruptures between 1920 and 1960? And mostly, after at first enthusiastically welcoming the seizure of power by the Nazis in 1933, how did they come to terms with the new constitutional and social order of the Federal Republic of Germany? In order to answer these questions, the article focuses on three scholars of law who were born around the turn of the century: Ernst Forsthoff, Ernst Rudolf Huber, and Karl Larenz. All three began their academic careers in the 1920s and, after 1933, ascended to the position of star professors in their field. Despite an interruption due to denazification they again asserted leading positions in the academic and intellectual debates of the 1950s. This article shows that, in the period between the 1920s and 1950s, their thinking continuously focused on the ideas of radical order and, therefore, resisted fundamental breaks. By referring to Carl Schmitt’s “concrete order and formation thinking” (konkretes Ordnungs- und Gestaltungsdenken), all three right-wing intellectuals endeavoured to make sense of the political and legal changes which deeply shaped their life experience.

Sebastian Stopper: „Die Straße ist deutsch.“ Der sowjetische Partisanenkrieg und seine militärische Effizienz

Der sowjetische Partisanenkrieg war lange ein Mythos. Mittlerweile gibt es jedoch genügend Quellen, die einen sehr viel differenzierteren Blick auf diesen Teil des deutsch-sowjetischen Kriegsschauplatzes ermöglichen. Damit stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach dem militärischen Nutzen dieser Form der sowjetischen Kriegführung. Die sowjetische und auch die postsowjetische Historiografie hat daran nie einen Zweifel gelassen; sie hat die Wirkung des Partisanenkampfes weit überhöht. Eine Detailuntersuchung über das Brjansker Gebiet, also das Hinterland der Schlacht von Kursk im Jahr 1943, ergibt freilich ein ganz anderes Bild. Die Angriffe der Partisanen auf die deutsche Eisenbahn im rückwärtigen Gebiet der deutschen Armeen wurden bisher deutlich überschätzt, da die sowjetischen Quellen viele Fehlinformationen enthalten. Ein systematischer Vergleich zwischen den sowjetischen und deutschen Akten ergibt für den räumlichen und zeitlichen Ausschnitt eine minimale Beeinflussung der Nachschubführung aufgrund von Partisaneneinwirkung.

Sebastian Stopper, „The Road is German.“ Soviet Partisan Warfare and its Military Efficiency. A Case Study of the Logistics of the Wehrmacht in the Bryansk Area, April to July 1943

Soviet partisan warfare has long been surrounded by myths. By now we have sufficient sources that allow for a much more nuanced look at this part of the German-Soviet war theatre. A question that inevitably also comes up is the military utility of this form of Soviet warfare. Soviet and even post-Soviet historiography never left this matter in doubt: it has overemphasised the effectiveness of partisan warfare. A case study of the Bryansk region, i.e. the hinterland of the Battle of Kursk in 1943, provides a quite different picture. The attacks of the partisans on the German railway lines in the rear area of the German armies have hitherto been considerably overestimated due to an abundance of false information in Soviet sources. A systematic comparison between the Soviet and the German files covering this sector in space and time reveals only minimal influence on supply lines due to partisan activity.

Benjamin Gilde: Keine neutralen Vermittler. Die Gruppe der neutralen und nicht-paktgebundenen Staaten und das Belgrader KSZE-Folgetreffen 1977/78

Während die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte am 1. August 1975 in Helsinki den Höhepunkt der Entspannungspolitik markiert hatte, entging das erste KSZE-Folgetreffen in Belgrad nur knapp einem Scheitern und stand geradezu sinnbildlich für die wieder gewachsenen Spannungen. Die neutralen und nicht-paktgebundenen Staaten (N+N) versuchten, wie schon bei den Verhandlungen über die KSZE-Schlussakte als Vermittler zwischen Ost und West zu einem erfolgreichen Konferenzverlauf beizutragen. Zwar gelang es ihnen, eine wichtige, zeitweise sogar dominierende Rolle zu spielen, den Verhandlungen aus Verfahrensschwierigkeiten zu helfen und an der Formulierung des Schlussdokumentes mitzuwirken. Trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass man sich in Belgrad nur auf einen Minimalkonsens einigte. Dieser sah ein weiteres Folgetreffen, aber keinerlei neue Maßnahmen vor - weder im humanitären noch im wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Bereich. Die Bemühungen der Neutralen scheiterten keineswegs an ihrer Unterstützung westlicher Forderungen, sondern an der mangelnden Kompromissbereitschaft des Ostens und dem unüberwindbaren Grundkonflikt zwischen den USA und der UdSSR über Menschenrechtsfragen, welche die sowjetische Seite systematisch zu negieren suchte.

Benjamin Gilde, No Neutral Intermediaries. The Group of Neutral and Non-Aligned States and the Belgrade CSCE Follow-Up Meeting in 1977/78

While the signing of the CSCE Final Act on 1 August 1975 in Helsinki marked the zenith of the policy of détente, the first CSCE follow-up meeting in Belgrade almost failed and became a potent symbol of once again increasing tensions. The neutral and non-aligned states (N+N) tried to contribute to the success of the conference by serving as intermediaries between East and West, as they had done during the negotiations concerning the CSCE Final Act. While they succeeded in playing an important, sometimes even dominating role in helping the negotiations during procedural difficulties and in contributing towards the wording of the final document, they could not prevent the fact that only a minimal consensus was agreed upon in Belgrade. Parties agreed on another follow-up meeting, but not on any new measures – neither humanitarian nor economic nor measures in the field of security policy. The efforts of the neutral states failed not due to their support for Western demands, but because of a lack of readiness to compromise by the East and the insurmountable fundamental conflict between the United States and the USSR about human rights, which the Soviet side sought to systematically negate.

Werner Becker: 12 Jahre Euro. Aus ruhigen Gewässern in stürmische See

Nach zwölf Jahren ist der Euro eine Erfolgsgeschichte. Allerdings gab es neben vielen positiven Entwicklungen (z.B. Preisstabilität, Handelsverflechtung) auch Enttäuschungen wie etwa die Staatsschuldenkrise 2010/11. Bei dieser Krise handelte es sich aber nicht um ein Währungsproblem des Euro, sondern um Staatsschulden- bzw. Bankenprobleme einzelner Euroländer. In der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) kommt es auf Solidität an, um Vertrauen zu schaffen. Mit Solidarität allein lassen sich Krisen wie die im Mai 2010 nicht lösen. Eine Kernaufgabe der vier Problemländer wäre daher, im Rahmen eines gestrafften Stabilitäts- und Wachstumspaktes ihre Staatsfinanzen zu sanieren und durch Strukturreformen ihr Wachstum zu stärken. Die EZB sollte sich nach erfolgreichem Krisenmanagement auf die Preisstabilisierung konzentrieren. Wirksame Budgetdisziplin braucht keinen dauerhaften Rettungsschirm, wohl aber das Damoklesschwert eines geordneten Umschuldungsverfahrens für Budgetsünder und Planungssicherheit für die Gläubiger mit Blick auf künftige Schuldenrestrukturierungen. Sollte die Wiederherstellung tragfähiger Staatsfinanzen in den Problemländern nicht gelingen, so wäre es besser, die Währungsunion beizubehalten und eine Art Schuldenunion mit dem wachsenden Risiko einer Transfergemeinschaft zu bilden.

Werner Becker, The Euro at Twelve: From a Calm Sea into Troubled Waters

After twelve years the Euro can be seen as a success story given its numerous favourable features such as price stability and closer trade ties. There are, however, also some disappointments, in particular the government debt crisis in 2010/11. This crisis does not signal a currency crisis of the Euro; instead it points to severe government debt as well as banking problems in individual Euro area countries. The European Monetary and Economic Union (EMEU) is based on solidity in order to secure confidence. Consequently solidarity cannot in itself solve crises such as the one in May 2010. Therefore it is essential to restore a sustainable budgetary position in all four problem countries by reinforcing the stability and growth pact and strengthening growth through structural reforms. Following successful crisis management the ECB should focus on the aim of price stability. Ensuring budgetary discipline does not require a permanent rescue package but rather the threat of the Damocles sword of an orderly debt rescheduling for budgetary offenders and planning reliability for creditors regarding the rules of a possible future debt rescheduling. Should the Euro area problem countries fail to restore sustainable budgetary positions, the preferable outcome would probably not be a collapse of monetary union, but instead a sort of debt union with the growing risk of becoming a transfer union.

Notiz

Hans Maier, Amtswechsel im Institut für Zeitgeschichte. Nach 19 Jahren scheidet Horst Möller aus dem Amt

Hans Maier, A Leadership Change at the Institute of Contemporary History. After 19 years, Horst Möller Retires as Director

Rezensionen online (April - Juni 2011)
Reviews online (April - June 2011)

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