Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 66 (2018), 2

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 66 (2018), 2
Weiterer Titel 
Demokratien - Arbeitswelten

Erschienen
München 2018: De Gruyter Oldenbourg
Erscheint 
vierteljährlich
ISBN
ISSN 2196-7121
Preis
Jahresabo: 59,80€, Stud.abo: 34,80€ Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 49,80€, Online-Zugang: 49€, Print+Online-Abo 72€

 

Kontakt

Institution
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Abteilung
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
PLZ
80636
Ort
München
Straße
Leonrodstraße 46 B
Von
Jaroschka, Gabriele

VfZ Abstracts deutsch

Aufsätze

Amedeo Osti Guerrazzi, Das System Mussolini. Die Regierungspraxis des Diktators 1922 bis 1943 im Spiegel seiner Audienzen
Zwischen 1923 und 1945 hat Benito Mussolini, italienischer Regierungschef und Duce des Faschismus, Tausende von Personen empfangen und mehr als 90.000 Audienzen gewährt. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses politisch höchst bedeutenden Systems von Empfängen und Besuchen hat erst vor kurzem begonnen – und wird jetzt durch eine am Deutschen Historischen Institut in Rom erarbeitete Datenbank der Audienzen auf eine neue Grundlage gestellt. Lange Zeit hat man sich mit den Erinnerungen von zumeist hochrangigen ehemaligen Faschisten begnügt, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre persönlichen Beziehungen zu Mussolini geschildert haben, oft auch aus apologetischen Gründen. Amedeo Osti Guerrazzi zeigt auf, wie die Geschichtswissenschaft von diesen Erzählungen beeinflusst wurde, deren Wahrheitsgehalt höchst zweifelhaft ist. Es liegt auf der Hand, dass diese Autoren versuchten, das Bild eines nachgiebigen, ja „guten“ Diktators zu zeichnen, das sich in jeder Hinsicht von Adolf Hitler unterscheiden sollte. Amedeo Osti Guerrazzi dekonstruiert die faschistischen Erinnerungserzählungen und zeigt dabei Widersprüche und Verfälschungen auf. Ferner untersucht er Organisation, Zeremoniell und politischen Gehalt der Audienzen mit dem Ziel, mehr über die Arbeitsweise und den Regierungsstil des Diktators zu erfahren. So entsteht ein um zahlreiche neue Facetten ergänztes Bild vom „System Mussolini“.

Jonas Scherner, Lernen und Lernversagen. Die „Metallmobilisierung“ im Deutschen Reich 1939 bis 1945
Während des Zweiten Weltkriegs kam es in Deutschland zur sogenannten Metallmobilisierung, worunter man das Recycling von Metallprodukten verstand, die noch in Gebrauch waren, wie Haushaltsgegenstände, Kupfermünzen, Kirchenglocken oder Stromleitungen. Die Metallmobilisierung trug in einem beträchtlichen Maß zur Deckung des deutschen Verbrauchs der beiden für die Kriegswirtschaft essenziellen Rohstoffe Zinn und Kupfer bei. Ihre Durchführung war maßgeblich von den Erfahrungen der im Ersten Weltkrieg durchgeführten Metallmobilisierung geprägt. Dementsprechend versuchte das NS-Regime die Requisitionen, die zur Unzufriedenheit bei der Bevölkerung führen könnten, möglichst lange hinauszuzögern, selbst wenn dies zu Maßnahmen mit höheren kriegswirtschaftlichen Kosten führte. Dieser durchaus erfolgreiche Lernprozess verhinderte aber nicht, dass es ab 1943 als Folge des Verlusts der militärischen Initiative im Mehrfrontenkrieg zu einer Übermobilisierung kam, die ein langes Durchhalten ermöglichen sollte.

Michael Homberg, Mensch / Mikrochip. Die Globalisierung der Arbeitswelten in der Computerindustrie 1960 bis 2000 – Fragen, Perspektiven, Thesen
Die Globalisierung der Arbeitswelten in der Computerindustrie nahm in den späten 1950er Jahren ihren Ausgang. Mit der Förderung der Informations- und Kommunikationstechnologien im globalen Süden durch die Industrienationen begann in Indien eine Phase des Wissens- und Kulturaustauschs im Hochtechnologiebereich, die globale Migrationsprozesse anstieß und die An-verwandlung nationaler Innovationskulturen beförderte. Das Silicon Valley avancierte dabei zum Mekka der Computerspezialisten. Nach Dekaden des entwicklungspolitischen Engagements in Asien zeitigte ab den 1980er Jahren die Migration indischer Fachkräfte nach Europa und in die USA durchschlagende Wirkung. Die Geschichte der Computerindustrie in den Vereinigten Staaten von Amerika, der Bundesrepublik Deutschland und in Indien, liest sich daher als eine Geschichte globaler Verflechtungen. Am Beispiel der High-Tech-Branche rückt der vorliegende Beitrag den Wandel der Lebens- und Arbeitswelten in der Computerindustrie in den Fokus. Er verortet sich einerseits im Kontext neuerer Debatten zu Krise und Wandel der „Arbeitsgesellschaft“ im „digitalen Zeitalter“. Andererseits versteht er sich als ein Plädoyer für eine Wissensgeschichte der Computerisierung.

Podium

Podium Zeitgeschichte, Wie nah ist uns die Zwischenkriegszeit? Geschichte und Aktualität der demokratischen Staatsgründungen nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, Österreich, Polen, Litauen und der Tschechoslowakei
Die Zwischenkriegszeit war eine Phase der staatlichen Neugründung, des demokratischen Aufbruchs, aber auch der Krisen und des Scheiterns von Demokratien sowie der Etablierung autoritärer und diktatorialer Systeme. In der Forschung wie in der allgemeinen Öffentlichkeit war sie lange nahezu in Vergessenheit geraten. In jüngerer Zeit jedoch ist das Interesse – nicht zuletzt angesichts des Anwachsens rechtspopulistischer Strömungen und autoritärer Tendenzen in Europa – wieder spürbar gewachsen. Das zweite „Podium Zeitgeschichte“ ist deshalb der Frage gewidmet wie nah uns die Zwischenkriegszeit ist. Wie wird sie heute in verschiedenen Ländern gesehen, die sich am Ende des Ersten Weltkriegs, nach dem Untergang der Kaiserreiche als Demokratien konstituiert haben? Und welche Relevanz hat diese Geschichte für die Gegenwart? Ota Konrád (Karls-Universität Prag), Ekaterina Makhotina (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Anton Pelinka (Central European University Budapest), Thomas Raithel (Institut für Zeitgeschichte München–Berlin) und Krzysztof Ruchniewicz (Willy Brandt Zentrum der Universität Wrocław) beleuchten diese Fragen am Beispiel der Tschechoslowakei, Litauens, Österreichs, Deutschlands und Polens.
Die Diskussion wird im Mai 2018 mit einem Podiumsgespräch im Institut für Zeitgeschichte in München fortgeführt, die auf der Homepage der VfZ dokumentiert wird.

VfZ Abstracts english

Essays

Amedeo Osti Guerrazzi, Mussolini’s System of Governmental Practice as Reflected in the Dictator’s Audiences, 1922 to 1945
Between 1923 and 1945, Benito Mussolini, Italian Prime Minister and Duce of Fascism, met thousands of people and granted more than 90 000 audiences. The historiographical appraisal of this politically important system of receptions and visits only began very recently – and is now possible on a whole new level due to the development of a database of the audiences by the German Historical Institute in Rome. For a long time, research relied on the memoirs of (mostly) high-ranking former Fascists, who (after the Second World War) described their personal relationships with Mussolini, often also for exculpatory reasons. Amedeo Osti Guerrazzi shows how historiography was influenced by these narratives, even though their veracity is highly dubious. Obviously these authors tried to create the image of a lenient, even “good” dictator, who was supposed to differ from Adolf Hitler in every possible way. Amedeo Osti Guerrazzi deconstructs the Fascist memoir narratives and reveals contradictions and distortions. Further he examines the organisation, ceremonies and political content of the audiences in order to discover more about the functioning and style of government of the dictator. In this manner, an augmented view of the “Mussolini System” with many more facets arises.

Jonas Scherner, Lessons Learnt and Not Learnt. Metal Mobilisation in the German Reich, 1939 to 1945
During the Second World War, metal mobilisation was implemented in Germany, i.e. the recycling of metal products which were still in use, such as household goods, copper coins, church bells or power lines. Metal mobilisation contributed significantly to the coverage of German tin and copper usage for the war industry (both metals being essential raw materials). Its implementation was decisively shaped by the experiences with metal mobilisation during the First World War. Accordingly, the Nazi regime attempted to postpone requisitions for as long as possible, even if this entailed resorting to measures incurring higher costs for the war economy, as requestions could lead to discontent with in the population. This, by all means successful learning process, did not, however, prevent an over-mobilisation aiming at long perseverance after 1943, when Germany lost the military initiative in a war waged on many fronts.

Michael Homberg, Human / Microchip. The Globalisation of Working Environments in the Computing Industry, 1960 to 2000 – Questions, Perspectives, Theses
The globalisation of working environments in the computer industry began during the late 1950s. Due to the support of information and communication technologies in the Global South by the industrialised nations, a phase of knowledge and cultural transfer began in the Indian high-technology sector, which initiated global migration processes and supported the adaptation of national innovation cultures. In this process, Silicon Valley became the Mecca for computer specialists. After decades of developmental engagement in Asia, the migration of Indian specialists to Europe and to the United States resulted in potent effects. The history of the computer industry in the USA, the Federal Republic of Germany and India, can thus be read as a history of global interconnections. The article uses the example of the high-tech industries to highlight the changes in the living and working environments in the computing industry. On the one hand, this contribution places these developments in the context of new debates on the crisis and change of “work-centred society” in a “digital age”, on the other hand it serves as an appeal for a broader development of a history of knowledge covering the process of computerisation.

Podium

Contemporary History Podium, How Akin are We to the Interwar Period? History and Current Relevance of the Democratic State Formations after the First World War in Germany, Austria, Poland, Lithuania and Czechoslovakia
The interwar period was a phase of the formation of new states and of democratic awakening, but also a time of crises and the failure of democracies as well as the establishment of authoritarian and dictatorial systems. Until recently, it was largely overlooked by research and the general public. Given the recent increase of right-wing populist currents and authoritarian tendencies in Europe, interest has once again grown. The second “Contemporary History Podium” is thus dedicated to the question of how akin we are to the interwar period. How is it perceived in different countries which constituted themselves as democracies at the end of the First World War after the fall of the Romanov, Habsburg and Hohenzollern Empires? Also what is the relevance of this history for the present? Ota Konrád (Charles University Prague), Ekaterina Makhotina (University of Bonn), Anton Pelinka (Central European University Budapest), Thomas Raithel (Institute for Contemporary History Munich–Berlin) und Krzysztof Ruchniewicz (Willy Brandt Center, Wrocław University) look into these questions utilising the examples of Czechoslovakia, Lithuania, Austria, Germany and Poland.
The debate continues in May 2018 during a panel discussion at the Institute for Contemporary History in Munich, which will be made available on the VfZ homepage.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Aufsätze

Amedeo Osti Guerrazzi
Das System Mussolini
Die Regierungspraxis des Diktators 1922 bis 1943 im Spiegel seiner Audienzen

Jonas Scherner
Lernen und Lernversagen
Die „Metallmobilisierung“ im Deutschen Reich 1939 bis 1945

Michael Homberg
Mensch / Mikrochip
Die Globalisierung der Arbeitswelten in der Computerindustrie 1960 bis 2000 – Fragen, Perspektiven, Thesen

Podium

Podium Zeitgeschichte
Wie nah ist uns die Zwischenkriegszeit?
Geschichte und Aktualität der demokratischen Staatsgründungen nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland, Österreich, Polen, Litauen und der Tschechoslowakei
Thomas Raithel, Anton Pelinka, Krzysztof Ruchniewicz, Ekaterina Makhotina und Ota Konrád

Notiz

Von der Reichsbank zur Bundesbank: Personen, Generationen und Kon-zepte zwischen Tradition, Kontinuität und Neubeginn 1924 bis 1970
Ein neues Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte in Kooperation mit der London School of Economics and Political Science

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