Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 66 (2018), 4

Titel der Ausgabe 
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 66 (2018), 4
Weiterer Titel 
Geschichte 20. Jahrhudnert

Erschienen
München 2018: De Gruyter Oldenbourg
Erscheint 
vierteljährlich
ISBN
ISSN 0042-5702
Preis
Jahresabo: 59,80€, Stud.abo: 34,80€ Mitgl.abo. hist. u pol. Fachverbände: 49,80€, Online-Zugang: 49€, Print+Online-Abo 72€

 

Kontakt

Institution
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Abteilung
Redaktion Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Land
Deutschland
PLZ
80636
Ort
München
Straße
Leonrodstraße 46 B
Von
Jaroschka, Gabriele

VfZ Abstracts 4/2018

Aufsätze

Margit Reiter, Anton Reinthaller und die Anfänge der Freiheitlichen Partei Österreichs. Der politische Werdegang eines Nationalsozialisten und die „Ehemaligen“ in der Zweiten Republik

Viele ehemalige Nationalsozialisten in Österreich haben sich nach im 1949 gegründeten Verband der Unabhängigen (VdU) und seiner Nachfolgepartei, der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) politisch reorganisiert. Erster Parteiobmann der 1955/56 gegründeten FPÖ wurde Anton Reinthaller (1895–1958), der beim politischen Formierungsprozess der „Ehemaligen“ eine zentrale Rolle einnahm. Im vorliegenden Beitrag wird auf der Basis des bisher noch unbearbeiteten Nachlasses von Anton Reinthaller die politische Karriere des FPÖ-Gründers vom illegalen Nationalsozialist im Austrofaschismus über die Ernennung zum NS-Minister 1938 und seine zahlreichen Funktionen in der NS-Zeit bis hin zu seinem politischen Werdegang nach 1945 dargestellt. Die im Nachlass enthaltenen Korrespondenzen, persönlichen Aufzeichnungen und Gerichtsakten geben nicht nur einen guten Einblick in die Netzwerke und den Binnendiskurs der „Ehemaligen“ nach 1945, sondern ermöglichen auch die Untersuchung von Reinthallers Haltung zum Nationalsozialismus und seiner nachträglichen Selbstpräsentationen. In einer Verschränkung von organisationsgeschichtlichem und biografischem Ansatz wird die Frühgeschichte der FPÖ untersucht und am Beispiel von Anton Reinthaller eine bisher in der Forschung noch wenig beachtete, spezifisch „österreichische“ Täterbiografie vorgestellt, die sich im Spannungsfeld zwischen biografischen und ideologischen Kontinuitäten einerseits und Anpassungsbereitschaft beziehungsweise Anpassungsfähigkeit andererseits bewegte.

Susanna Schrafstetter, Zwischen Skylla und Charybdis? Münchner Juden in Italien 1933 bis 1945

Warum suchten Juden aus Deutschland Zuflucht im faschistischen Italien? Wann gingen sie nach Italien? Wie erlebten sie das Leben im Exil, in der Internierung und unter deutscher Besatzung? Anhand der etwa 400 Münchner Juden, die im Zeitraum von 1933 bis 1940 nach Italien flohen, zeigt Susanna Schrafstetter, dass Emigration und Flucht nach Italien eng mit der Ausweisung von polnisch-stämmigen Juden aus Deutschland zusammenhing. Ein Großteil der jüdischen Münchner die 1939/40 nach Italien kamen, hatte einen polnischen Pass. Während die meisten ausländischen Juden Italien nach dem Erlass der italienischen Rassengesetze 1938 verließen, waren nicht alle in der Lage von Italien aus in andere Länder zu emigrieren. Die meisten derjenigen, die in Italien blieben bzw. bleiben mussten, wurden mit dem italienischen Kriegseintritt im Juni 1940 interniert. Die Autorin folgt den Münchner Juden in die Internierung und kann zeigen, dass nahezu alle Internierten mit Krankheiten und Schmerzen zu kämpfen hatten. Mit der deutschen Besetzung der italienischen Halbinsel im September 1943 drohte alle Juden die Verhaftung, Deportation und Ermordung. Susanna Schrafstetter untersucht regionale Unterschiede in der Verfolgungspraxis und wirft überdies ein Schlaglicht auf das bisher noch kaum untersuchte Schicksal der jüdischen Mischehepartner im Italien unter deutscher Besatzung.

Nicolai Hannig, Georg Picht. Strategien eines Medienintellektuellen in der westdeutschen Öffentlichkeit

Georg Picht war in den intellektuellen Debatten Westdeutschlands stets präsent. Er beschäftigte sich mit Bildungs- und Friedenspolitik, Umweltschutz, Entwicklungshilfe, Bevölkerungsentwicklung und Welternährungskrise. Er schaltete sich in die Arbeit der Behörden ein und übte sich in Politikberatung. Doch der Kern des politischen Engagements Pichts war sein publizistisches Wirken. Picht war in der Medienöffentlichkeit präsent wie nur wenige andere Intellektuelle der alten Republik. Er wurde medialisiert und medialisierte sich selbst. Picht verstand es, die Öffentlichkeit, die er selbst generiert hatte, zu nutzen, um sich einerseits als Ideengeber und andererseits als kompetenter Gestalter zu empfehlen. Seine Medienpräsenz war allerdings nicht nur Strategie und Kalkül. Vielmehr bedeutete sie auch Anpassung und formte den Charakter eines sich neu entwickelnden Typus des Medienintellektuellen. Der Aufsatz zeigt am Beispiel Pichts und seines publizistischen Wirkens, wie sich Intellektuelle in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Medienlogiken anpassten und sich von ihren Produktionsmechanismen vereinnahmen ließen.

Bernd Rother, Die SPD und El Salvador, 1979 bis 1985. Linke Politik im atlantischen Dreieck von Bundesrepublik, Zentralamerika und USA

Kurz nach dem Sturz der Somoza-Diktatur durch die Sandinisten in Nicaragua im Sommer 1979, kam es Anfang der 1980er Jahren in El Salvador zu einer einmaligen politischen Konstellation: Ein Zusammenschluss von Guerillagruppen, der mit der sozialdemokratischen Partei Movimiento Nacional Revolucionario (MNR) verbündet war, versuchte den Sturz der christdemokratisch geführten Regierung, hinter der die USA standen. Über die gemeinsame Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationale wurde die SPD Teil dieses Konflikts und unterstützte den MNR. Sie wollte zeigen, dass sozialrevolutionäre Bewegungen der Dritten Welt (anders als Kuba 1959) Hilfe nicht nur in Moskau fanden, vorausgesetzt, sie bekannten sich zu demokratischen Grundsätzen. Dabei musste sich die SPD innenpolitisch und gegenüber den USA des Vorwurfs des Antiamerikanismus und der Zusammenarbeit mit Linksradikalen erwehren. Die Aktivitäten in Zentralamerika waren Teil einer neuen globalen Strategie der SPD. Im Falle El Salvadors mündete sie schließlich in Bemühungen um eine Verhandlungslösung des Konflikts, auch in Zusammenarbeit mit der christdemokratischen Internationale.

Notiz

Dokumentation der Podiumsdiskussion „Wie nah ist uns die Zwischenkriegszeit?
Geschichte und Aktualität der demokratischen Staatsgründungen
nach dem Ersten Weltkrieg“

Rezensionen
online
Abstracts
Autorinnen und Autoren
Hinweise

VfZ Abstracts 4/2018

Essays

Margit Reiter, Anton Reinthaller and the Beginnings of the Freedom Party of Austria. On the Political Formation of Former Nazis in Austria

After 1949, many former National Socialists reorganised themselves in the Federation of Independents (Verband der Unabhängigen, VdU) and its successor party, the Freedom Party of Austria (Freiheitliche Partei Österreichs, FPÖ). As the first party leader of the FPÖ since 1955/56, Anton Reinthaller (1895–1958) played a central role in the political formation of the “Ehemalige” (former Nazi Party members). On the basis of the hitherto unused papers of Anton Reinthaller, the present contribution sketches the political career of the founder of the FPÖ from his time as an illegal National Socialist during Austrofascism, his appointment as a Nazi minister in 1938 and his various positions during the Nazi period up to his political biography after 1945. The correspondence, personal notes and court documents contained in his papers not only provide a good overview of the networks and the discourse among former Nazis after 1945, but also allow for the investigation of Reinthaller’s position towards National Socialism and his retrospective self-presentations. The early history of the FPÖ is investigated by interlacing organisational history and a biographical approach: In its tension between biographical and ideological continuities on the one hand and the willingness and capability to adapt to different political circumstances on the other hand, the example of Anton Reinthaller reveals a typical “Austrian” perpetrator biography which has not been given much attention by research to date.

Susanna Schrafstetter, Between Scylla and Charybdis? Munich Jews in Italy, 1933 to 1945

Why did Jews from Germany seek refuge in fascist Italy? When did they go to Italy? How did they experience life in exile, during internment, and under German occupation? Based on the stories of 400 Munich Jews who fled to Italy between 1933 and 1940, Susanna Schrafstetter shows that emigration and flight to Italy were closely related to the expulsion of Jews of Polish background from Germany. A large percentage of the Munich Jews who arrived in Italy in 1939/40 possessed Polish passports. Whereas most foreign Jews left Italy after the promulgation of the Italian racial laws of 1938, not all of them were able to emigrate from Italy to other countries. The majority of those who remained, or were forced to remain, were interned after Italy’s entry into the war in June 1940. The author describes the internment of the Munich Jews and demonstrates that nearly all of them were confronted with illness and suffering. Upon the German occupation of the Italian peninsula in September 1943, all Jews were threatened with arrest, deportation, and murder. Susanna Schrafstetter investigates regional differences in the implementation of persecution, and additionally sheds light on the heretofore insufficiently understood fate of Jewish partners in mixed marriages in Italy under German occupation.

Nicolai Hannig, Georg Picht. Strategies of a Media Intellectual in the West German Public Sphere

In the intellectual debates of West Germany, Georg Picht was always present. He dealt with educational and peace policy, the protection of the environment, development aid, demographic development and the global food crisis. He involved himself in the activities of government agencies and engaged in political consultancy. Yet the core of Picht’s political activities was his journalistic work. Like few other intellectuals of the old West Germany, Picht was prominently present in the media. He was covered by the media and positioned himself in the media. Picht was capable of using the public attention he had created to portray himself as an idea provider on the one hand and as a competent organiser on the other hand. His media presence was not purely calculated and strategic, however. It was also a form of adaptation and shaped the character of the newly developing archetype of the media intellectual. Using Picht and his journalistic activities as an example, the article shows how intellectuals adapted to the media logic of the second half of the 20th century and were ready to let themselves be taken in by its production mechanisms.

Bernd Rother, The SPD and El Salvador, 1979 to 1985. Left-Wing Politics in the Atlantic Triangle between West Germany, Central American and the USA

Shortly after the overthrow of the Somoza dictatorship by the Sandinistas in Nicaragua in the summer of 1979, a unique political constellation emerged in El Salvador in the early 1980s. An association of guerrilla groups, which was allied with the Social Democratic Movimiento Nacional Revolucionario (MNR), attempted to overthrow the Christian Democratic led government, which was supported by the USA. Through common membership in the Socialist International, the SPD became a player within this conflict and supported the MNR. The SPD wanted to show that social revolutionary movements in the Third World could (unlike in the case of Cuba in 1959) garner help not just in Moscow, provided they were ready to acknowledge democratic principles. In doing so, the SPD was exposed to accusations of anti-Americanism and of collaborating with left-wing radicals both at home and from the USA. The activities in Central America were part of a new global strategy of the SPD. In the case of El Salvador, they finally resulted in efforts to reach a negotiated solution to the conflict, also in cooperation with the Centrist Democrat International.

Notice
Reviews
online
Abstracts
Authors
References

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Aufsätze

Margit Reiter
Anton Reinthaller und die Anfänge der Freiheitlichen Partei Österreichs
Der politische Werdegang eines Nationalsozialisten und die „Ehemaligen“ in der Zweiten Republik

Susanna Schrafstetter
Zwischen Skylla und Charybdis?
Münchner Juden in Italien 1933 bis 1945

Nicolai Hannig
Georg Picht
Strategien eines Medienintellektuellen in der westdeutschen Öffentlichkeit

Bernd Rother
Die SPD und El Salvador 1979 bis 1985
Linke Politik im atlantischen Dreieck von Bundesrepublik, Zentralamerika und USA

Wandel der Arbeitswelt – Ökonomische Transformationen, Gewerkschaften und soziale Ungleichheit seit den 1970er Jahren

Ein Graduiertenkolleg als Kooperationsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte, des Zentrums für Zeithistorische Forschung und des Instituts für soziale Bewegungen

Notiz

Dokumentation der Podiumsdiskussion „Wie nah ist uns die Zwischenkriegszeit?
Geschichte und Aktualität der demokratischen Staatsgründungen
nach dem Ersten Weltkrieg“

Rezensionen
online
Abstracts
Autorinnen und Autoren
Hinweise

Weitere Hefte ⇓
Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Weitere Informationen
Sprache
Bestandsnachweise 0042-5702