Aufsätze
Jan Gerber, W.E.B. Du Bois und der Aufstand im Warschauer Getto. Eine Urszene „multidirektionaler Erinnerung“?
W.E.B. Du Bois’ erstmals 1952 erschienener Text „The Negro and the Warsaw Ghetto“ wird gern in den Debatten über die Besonderheit des Holocaust, sein Verhältnis zu anderen Genoziden des 20. Jahrhunderts und ein angemessenes Erinnern an die Massenverbrechen der Moderne bemüht. Michael Rothberg bezeichnete ihn sogar als zentrale Inspiration seines Konzepts der „multidirektionalen Erinnerung“. Eine solche Indienstnahme geht jedoch in erster Linie auf die Erwartungen, Wünsche und Projektionen der Gegenwart zurück. Du Bois’ Text ist stattdessen vor allem vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs, der Strategien der Kommunistischen Partei der Vereinigten Staaten und der Akkulturationsgeschichte der amerikanischen Juden zu verstehen.
Jan Gerber, W.E.B. Du Bois and the Warsaw Ghetto Uprising. A Primal Scene of “Multidirectional Memory”?
W.E.B. Du Bois’ text “The Negro and the Warsaw Ghetto”, first published in 1952, is often made use of in debates about the uniqueness of the Holocaust, its relationship to other genocides of the 20th century and a suitable form of commemoration for the mass atrocities of modernity. Michael Rothberg even called it a central inspiration for his concept of “multidirectional memory”. However, such a usage mostly stems from expectations, desires and projections of the present. Du Bois’ text is rather to be understood against the background of the Cold War, the strategies of the Communist Party of the United States of America and the history of acculturation of the American Jews.
Meral Avci/Christian Franke, Zwischen Pandemiebekämpfung und ökonomischen Interessen. Das Chinin-Kartell und die Malariapolitik des Völkerbunds
Der Beitrag untersucht, wie die Malariakommission des Völkerbunds in der Zwischenkriegszeit im Spannungsfeld (nationaler) unternehmerischer wie wissenschaftlicher Interessen und der transnationalen Verantwortung konkrete Empfehlungen zur Eindämmung von Malariaepidemien aushandelte. Am Beispiel des dritten Malariaberichts von 1933 wird diskutiert, warum trotz sehr unterschiedlicher Forschungsmeinungen hinsichtlich der Wirksamkeit von Chinin und synthetischen Wirkstoffen (Plasmochin und Atebrin) ein klares Urteil für Chinin gefällt wurde. Der Beitrag zeigt so auch, wie die Malariakommission ihre in den 1920er Jahren erworbene internationale Autorität sukzessive einbüßte und mit dem Rückzug der deutschen und 1937 auch der italienischen Malariaforschung wichtige wissenschaftliche Standbeine verlor.
Meral Avci/Christian Franke, Between Fighting the Pandemic and Economic Interests. The Quinine Cartel and the Malaria Policy of the League of Nations
The article investigates how the interwar Malaria Commission of the League of Nations negotiated concrete recommendations to contain the Malaria epidemic while torn between (national) entrepreneurial as well as scientific interests on the one hand and transnational responsibility on the other hand. Using the example of the Third Malaria Report of 1933, it discusses why – despite highly diverging scientific opinions regarding the effectiveness of Quinine and synthetic substances (Plasmochin and Atebrine) – there was a clear decision in favour of Quinine. The article also shows how the Malaria Commission successively lost the international authority it had gained during the 1920s. This decline was exacerbated by the withdrawal of Germany and (in 1937) Italy, both of which were pillars of Malaria research.
Podium Zeitgeschichte: Zeitgeschichte als Aufgabe im 21. Jahrhundert. Themen, Konzepte, Perspektiven
Was Zeitgeschichte als Forschungsfeld und historische Teildisziplin ausmacht, ist Gegenstand des siebten Podiums Zeitgeschichte. Ausgehend von Hans Rothfelsʼ wegweisenden Überlegungen im ersten Aufsatz der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte setzt sich Julia Angster mit dem Thema „Zeitgeschichte zwischen nationaler und globaler Geschichte“ auseinander, während Kiran Klaus Patel die Frage „Zeitgeschichte Europas als supranationale Geschichte?“ erörtert. Eckart Conze befasst sich anschließend mit einem lange Zeit fast vergessenen Aspekt, nämlich „Krieg, Frieden und Sicherheit als Perspektiven zeithistorischer Forschung“. Martin Rempe dagegen diskutiert die Chancen einer zeitgeschichtlichen Globalisierungsforschung ebenso wie ihre Probleme, und Frank Bösch richtet den Fokus in seinem abschließenden Beitrag auf ein anderes, aber mit der Globalisierung eng verbundenes Themenfeld: die „Zeitgeschichte im digitalen Zeitalter“.
Contemporary History Podium: Contemporary History as a Task for the 21st Century. Themes, Concepts, Perspectives
Our seventh Contemporary History Podium is dedicated to what constitutes contemporary history as a field of research and as a subfield of historiography. Starting from Hans Rothfels’ groundbreaking reflections in the first article of Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Julia Angster covers the topic “Contemporary History between National and Global History”, while Kiran Klaus Patel debates the question “The Contemporary History of Europe as Supranational History?” Subsequently Eckart Conze deals with an aspect which has almost been forgotten for quite some time, “War, Peace and Security as Research Perspectives for Contemporary History”, while Martin Rempe discusses the rewards as well as the risks of a contemporary history of globalisation. Finally, Frank Bösch draws attention to another topic closely connected to globalisation: “Contemporary History in the Digital Age”.
Grzegorz Rossoliński-Liebe, Aus den Aufzeichnungen eines Attentäters. Der KGB-Agent Bogdan Staschinski und die Morde an Lew Rebet und Stepan Bandera in München
Die Dokumentation präsentiert zentrale Ausschnitte aus den Erinnerungen des KGB-Agenten Bogdan Staschinski, die im Archiv des Bundesnachrichtendiensts verwahrt werden. Staschinski war ein begabter, aber innerlich zerrissener Attentäter, der wegen seiner Mordanschläge auf die Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) Lew Rebet und Stepan Bandera in die Geschichte der Geheimdienste und des Kalten Kriegs einging. In seinen Aufzeichnungen, die er nach seiner selbst gewollten Verhaftung verfasste, berichtete er – um milde Richter zu finden –, was ihn dazu bewog, sich dem KGB anzuschließen, den nationalistischen Untergrund in der Westukraine erfolgreich zu infiltrieren, Anführer der OUN in München zu ermorden und anschließend dem wohl brutalsten Geheimdienst schlechthin den Rücken zu kehren.
Grzegorz Rossoliński-Liebe, From the Notes of an Assassin. The KGB Agent Bohdan Stashynskyi and the Murders of Lev Rebet and Stepan Bandera in Munich
The documentation presents central passages of the memoirs of the KGB agent Bohdan Stashynskyi, which are held by the Archives of the Bundesnachrichtendienst (Foreign Intelligence Service of Germany). Stashynskyi was a talented but internally torn assassin, who went down in the history of the intelligence services and the Cold War because of his assassinations of the leaders of the Organisation of Ukrainian Nationalists (OUN), Lev Rebet and Stepan Bandera. In his notes, which he wrote after his intentional arrest in order to seek judicial leniency, he reported what made him join the KGB, successfully infiltrate the nationalist underground in western Ukraine, murder OUN leaders in Munich and finally turn his back on probably the most brutal of all intelligence services.
Notiz
Confronting Decline: Challenges of Deindustrialization in Western Societies since the 1970s
Ein neues Forschungsprojekt
VfZ-Online
Neu: Ein weiteres Interview in der Rubrik „VfZ Hören und Sehen“, das „Podium Zeitgeschichte“ 2024 und ein neuer Jahrgang im Offenen Heftarchiv
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