Invertito 13 (2011)

Titel der Ausgabe 
Invertito 13 (2011)
Weiterer Titel 

Erschienen
Hamburg 2011: Männerschwarm Verlag
Erscheint 
ISBN
978-3-86300118-6
Anzahl Seiten
220 S.
Preis
€ 15 pro Band im Abo / € 19 im Buchhandel
ISSN

 

Kontakt

Institution
Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten
Land
Deutschland
c/o
Invertito c/o Centrum Schwule Geschichte Köln Postfach 270308 50509 Köln Telefon: 0221 / 98558348
Von
Micheler, Stefan

Liebe Leserinnen und Leser,

leider gestaltet es sich zunehmend schwierig, das Jahrbuch im ursprünglich geplanten Rhythmus herauszugeben. So erscheint, wie bereits die letzte Ausgabe, auch Invertito 2011 mit mehrmonatiger Verspätung. Das hat verschiedene Gründe, u.a. die Schwierigkeit vieler AutorInnen, ihre Beiträge fristgerecht abzugeben, vor allem aber die Tatsache, dass sich der Eingang an Beiträgen in engen Grenzen hält. Sicherlich ist es heute – und das ist eigentlich positiv zu vermerken – leichter, Aufsätze zur Geschichte der Homosexualitäten in etablierten Fachpublikationen unterzubringen und damit eine breitere akademische Öffentlichkeit zu erreichen. Möglich auch, dass heute insgesamt seltener zur einschlägigen Thematik geforscht wird und Invertito unter HistorikerInnen zu wenig als Plattform für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten bekannt oder, aus welchen Gründen auch immer, zu wenig attraktiv ist. Zumindest letzteres zu ändern, geben wir uns alle Mühe.

Trotz all dieser Schwierigkeiten, die uns wohl auch in Zukunft begleiten werden, ist es unserer Meinung nach einmal mehr gelungen, zumindest für die LeserInnen mit der aktuellen Ausgabe des Jahrbuches eine breite und „attraktive“ Palette von spannenden und informativen Beiträgen zu bieten: Christiane Leidinger wirft einen kritischen Blick auf die schwule Forschung zur Bewegungsgeschichte, die die Existenz und Rolle der Lesben zu Beginn der Emanzipationsbewegung in den 1970er Jahren weitgehend negiert und mit dieser Form der Geschichtsbemächtigung ihrer Meinung nach zu einer Perpetuierung der Gegensätze und Konflikte zwischen Lesben und Schwulen beiträgt. Hans-Peter Weingands Aufsatz zur Kriminalstatistik in Österreich ist, anders als es der Titel vielleicht vermuten lässt, keine trockene Zahlenwüste. Vielmehr präsentiert und kommentiert der Autor die in dieser Vollständigkeit bisher nirgends publizierten Zahlen in sehr differenzierter und eloquenter Form. Ohne Zweifel ist sein Beitrag Grundlage und Anstoß für weitere Forschungen in diesem Bereich. Ingeborg Boxhammer zeigt anhand der Presseberichterstattung zu einem Prozess wegen Unterschlagung aus den 1930er Jahren in Köln, wie die lesbische Beziehung der beiden angeklagten Frauen wesentlich zur Skandalisierung des Falles beigetragen hat. Um Skandale geht es auch im Beitrag von Gottfried Lorenz. Er richtet seinen Blick dabei auf den bisher kaum beachteten „provinziellen“ Rand der Metropole Hamburg und stellt mehrere Fälle aus Harburg dar, in denen Homosexuelle, aber auch Pädophile während der NS-Zeit vor Gericht standen. Auch Claudia Schoppmann bewegt sich in ihrem biographisch orientierten Beitrag in dieser Zeit. Sie schildert eindrücklich das Schicksal lesbischer Jüdinnen, die meist dank der Hilfe ihrer Freundinnen untertauchen und so, allerdings unter schwierigsten physischen und psychischen Bedingungen, der Verfolgung durch die Nazi-Schergen entkommen konnten. Franco Battels Beitrag führt in die Schweizer Provinz der 1950er und 60er Jahre. Dabei zeigt sich, dass in dieser bäuerlich geprägten Welt, der das Konzept einer modernen homosexuellen Identität noch weitgehend fremd war, durchaus Freiräume existierten, um gleichgeschlechtliches Begehren ausleben zu können. Rüdiger Lautmann schließlich greift mit seinem Beitrag in die aktuelle Diskussion um die Entschädigung jener Homosexuellen ein, die nach dem Ende des Nationalsozialismus wegen des Paragrafen 175 auch in der Bundesrepublik verfolgt und inhaftiert wurden. Den Abschluss des Beitragsteils bildet ein kurzer Reisetipp von David Streiff für die nächsten Sommerferien. In Minusio nahe Locarno ist eine Ausstellung zu Leben und Werk Elisar von Kupffers und seines Lebensgefährten Eduard von Mayers zu sehen.

Wie immer bietet das Jahrbuch auch diesmal eine kleine Auswahl von Besprechungen aktueller Publikationen aus dem Bereich der Geschichte der Homosexualitäten.

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS

Hauptbeiträge

Christiane Leidinger
Gründungsmythen zur Geschichtsbemächtigung? Die erste autonome Schwulengruppe der BRD war eine Frau, in: Invertito 13 (2011), S. 9–39

Hans-Peter Weingand
Homosexualität und Kriminalstatistik in Österreich, in: Invertito 13 (2011), S. 40–87

Ingeborg Boxhammer
„Lesbische Liebe und Kleptomanie“. Presseberichte über Kölner Unterschlagungen um 1930, in: Invertito 13 (2011), S. 88–114

Gottfried Lorenz
Sündenbabel Harburg? Homosexuellen- und Pädophilen-Skandale in Hamburg-Harburg während der NS-Zeit, in: Invertito 13 (2011), S. 115–141

Kleinere Beiträge

Sprung ins Nichts. Überlebensstrategien lesbischer Jüdinnen in NS-Deutschland, in: Invertito 13 (2011), S. 142–160

Franco Battel
Schwule in der Provinz. Der Schweizer Ruedi S. (1920-2006), in: Invertito 13 (2011), S. 161–172

Rüdiger Lautmann
Historische Schuld. Der Homosexuellenparagraf in der frühen Bundesrepublik, in: Invertito 13 (2011), S. 173–184

Ausstellungen

David Streiff
Das Elisarion und seine Ursprünge – eine Ausstellung in Minusio/Locarno, in: Invertito 13 (2011), S. 185–190

Rezensionen

Bernd-Ulrich Hergemöller (Hg.): Mann für Mann. Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum
(Ulf Bollmann), in: Invertito 13 (2011), S. 191–193

Andreas Mohr: Eheleute, Männerbünde, Kulttransvestiten. Zur Geschlechtergeschichte germanischsprachiger gentes des ersten bis siebten Jahrhunderts
(Andreas Niederhäuser), in: Invertito 13 (2011), S. 193–197

Ralf Jörg Raber: Wir sind wie wir sind. Ein Jahrhundert homosexuelle Liebe auf Schallplatte und CD
(Herbert Potthoff), in: Invertito 13 (2011), S. 197–201

Elke Amberg: Schön! Stark! Frei! Wie Lesben in der Presse (nicht) dargestellt werden
(Sabine Puhlfürst), in: Invertito 13 (2011), S. 201–203

Alexander Zinn: „Das Glück kam immer zu mir“. Rudolf Brazda – Das Überleben eines Homosexuellen im Dritten Reich
(Friedrich-H. Schregel), in: Invertito 13 (2011), S. 204–206

Heike Schader: Gigi Martin – ihr Leben erzählt zwischen Fiktion und Realität / Gigi Martin: Mauern aus Schleiern der Einsamkeit
(Jillian Suffner), in: Invertito 13 (2011), S. 206–209

Erwin In het Panhuis: Aufklärung und Aufregung: 50 Jahre Schwule und Lesben in der BRAVO
(Hans-Peter Weingand), in: Invertito 13 (2011), S.210–212

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