Vor kurzem schien es noch, dass der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien, die beispielsweise in Frankreich um ein Haar die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatten, in ganz Europa unaufhaltsam weitergehe. Inzwischen ist eine gewisse Ernüchterung bei den einen und Erleichterung bei den anderen eingetreten. Doch die Analysen im vorliegenden Heft der INTERNATIONALEN POLITIK zeigen, dass der Rechtspopulismus, genährt aus diffusen Ängsten vor Globalisierung und Islam, bis auf weiteres eine nicht zu vernachlässigende Größe in der politischen Landschaft Europas bleiben werden.
April 2003 -- Nr. 4 -- 58. Jahr E 10,00 -- H 2728
RECHTSPOPULISMUS
Steffen Angenendt Feindbild Zuwanderer
Claus Leggewie Globalisierungskritik von rechts und links
Daniel Vernet Le Pen und die Krise der Demokratie
Charles E. Ritterband Der entzauberte Haider
Ulrike Guerot EU: Konvent in Zeitnot
Editorial Zum Wechsel in der Chefredaktion 1 von Werner Weidenfeld
ANALYSEN / ESSAYS / STANDPUNKTE / DEBATTEN
Einwanderung und Rechtspopulismus. Eine Analyse im europäischen Vergleich 3 von Steffen Angenendt Rechtspopulistische Parteien sind zu festen politischen Größen geworden. Der Autor untersucht die Entwicklungen in Frankreich, Österreich, Italien, Dänemark, Norwegen, in den Niederlanden, der Schweiz und Ungarn und kommt zu dem Schluss, dass es keinen direkten Zusammenhang zwischen Rechtspopulismus und Einwanderung gibt. Vielmehr nutzen die Rechtspopulisten das Versagen der etablierten Parteien bei dem "Tabuthema Einwanderung" aus und schüren die Ängste der Menschen vor den angeblichen Gefahren der Globalisierung und des Islams.
Insel der Seligen? Warum deutsche Rechtspopulisten oft scheitern 13 von Frank Decker In Frankreich hat Jean-Marie Le Pen um ein Haar die Präsidentschaftswahlen gewonnen, in Italien, Österreich und Dänemark sitzen Rechtspopulisten in der Regierung, nur Deutschland scheint diesem Trend nicht zu folgen. Der Bonner Politikprofessor Frank Decker weist jedoch nach, dass der relative Misserfolg von Rechtspopulisten und Rechtsextremen in Deutschland auch von zufälligen Faktoren bestimmt wird. Er fordert dazu auf, sich schon jetzt darauf vorzubereiten, dass sich auch die deutschen Rechtspopulisten einen "Platz an der Sonne" erobern könnten.
Kärntner Chamäleon. Jörg Haiders Auf- und Abstieg in Österreich 23 von Charles E. Ritterband Von manchen Beobachtern fast als neuer Hitler verteufelt, von anderen als der frische Wirbelwind im bleiernen Österreich der Großen Koalition gepriesen: der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider beschäftigt seit Jahren Medien und Öffentlichkeit. Charles E. Ritterband, Wiener Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, schildert das Phänomen Haider, das nur in enger Symbiose mit den Medien eine derartige Größe erreichen konnte, und sagt ihm voraus, dass es wohl seine Zukunft hinter sich hat.
Krise der Demokratie. Der Vormarsch des Rechtspopulismus in Frankreich 29 von Daniel Vernet Mit dem unerwartet hohen Wahlerfolg von Jean-Marie Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen im April 2002 schlug, so der Directeur des Relations Internationales bei Le Monde, eine "Sternstunde" des französischen Rechtspopulismus. Der Autor untersucht die Gründe für diesen Erfolg: Er sieht in diesem nicht nur einen einfachen "Unfall" in der politischen Geschichte Frankreichs, sondern das Symptom für eine schwer wiegende Krise der repräsentativen Demokratie in seinem Land.
Rechts gegen Globalisierung 33 von Claus Leggewie Auch die Rechten in Europa und Amerika haben sich der gemeinhin dem "linken"Lager zugeschriebenen Globalisierungskritik angeschlossen. Die Nationalpopulisten und Rechtsextremisten diesseits und jenseits des Atlantiks nutzen die Ängste der Bevölkerung für ihre Zwecke. Dennoch scheinen sie bislang weder in der Lage, die Affekte in direkte Wählerstimmen umzumünzen noch die etablierten Mitte-Rechts-Parteien zu weit reichenden Zugeständnissen ans rechte Lager zu zwingen.
Europa wird neu verfasst. Schafft der Konvent den Durchbruch? 41 von Ulrike Guérot Mehr als 1000 Änderungsvorschläge zum Vorentwurf für eine europäische Verfassung sind bei Konventspräsident Valéry Giscard d’Estaing eingegangen. Wenn diese Vorschläge alle berücksichtigt werden sollen und der Konvent seinen Zeitplan einhalten will, muss fast ein Wunder geschehen. Der Teufel liegt im Detail der Formulierungen, und wenn nicht bis Dezember 2003 ein verabschiedungsreifer Entwurf präsentiert werden kann, wird eine Einigung nach Beitritt der neuen Mitglieder noch schwieriger.
Kanada und die ESVP. Mittlerrolle zwischen Europa und den USA 49 von Markus Kaim Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) bietet Kanada eine Gelegenheit, seine sicherheitspolitische Rolle in Europa neu zu definieren. Als direkter Nachbar des sicherheitspolitischen Riesen USA befürchtet die kanadische Regierung, mit ihrer Politik im Rahmen der NATOan den Rand gedrängt zu werden. Dies sollte auf jeden Fall verhindert werden, meint der Autor:Ziel müsse sein, Kanada als europäische Macht zu stützen und als Mittler zwischen amerikanischen und europäischen Interessen zu nutzen.
BUCHKRITIK
Tabubruch als Tugend. Rechtspopulismus in Europa 55 von Manuela Glaab Eine Reihe von rechtspopulistischen Wahlerfolgen in Europa hat das Interesse für die Ursachen und Erscheinungsformen dieses Phänomens wachsen lassen. Manuela Glaab stellt zwei Veröffentlichungen vor, die den höchst unterschiedlichen rechtspopulistischen Strömungen in Europa nachgehen und deren Gedankenwelt, Personen und Praktiken beschreiben.
Neue Bücher zur internationalen Politik 56 Schabert, Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit; Smyser, How Germans Negotiate. Logical Goals, Practical Solutions; Castells, Das Informationszeitalter. Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Die Macht der Identität, Jahrtausendwende.
DOKUMENTATION
Dokumente zur deutschen Außenpolitik 63
Nicht erst seit den Bundestagswahlen vom September 2002 scheint Irak zum beherrschenden Thema der deutschen Außenpolitik geworden zu sein. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest angesichts von Reden, Erklärungen und Interviews des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers und des Außenministers. Letzterer versuchte mit einer beispiellosen Reisediplomatie, den inzwischen tobenden Krieg gegen Irak in letzter Minute zu verhindern. Dokumentiert werden daneben die Beziehungen der Bundesrepublik zu Russland, zu Südostasien und Lateinamerika sowie Deutschlands Rolle im europäischen Einigungsprozess.
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 20. Januar 2003 in New York 66
Gemeinsame deutsch-französische Erklärung zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags, veröffentlicht am 22. Januar 2003 67
Rede des deutschen Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, auf der gemeinsamen Sitzung des Deutschen Bundestages und der Französischen Nationalversammlung zum 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags am 22. Januar 2003 in Versailles (gekürzt) 74
Tischrede des deutschen Bundespräsidenten, Johannes Rau, bei einem Abendessen, gegeben aus Anlass des Staatsbesuchs des mexikanischen Präsidenten, Vincente Fox, am 29. Januar 2003 in Berlin 80
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, in der öffentlichen Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen über die Situation in Irak am 5. Februar 2003 in New York 82
Regierungserklärung des deutschen Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, zur aktuellen internationalen Lage vor dem Deutschen Bundestag am 13. Februar 2003 in Berlin 83
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, in der Debatte über die aktuelle internationale Lage vor dem Deutschen Bundestag am 13. Februar 2003 in Berlin (gekürzt) 88
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, zur Lage in Irak/Kuwait vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 14. Februar 2003 in New York 92
Rede des Staatssekretärs im Auswärtigen Amt, Klaus Scharioth, zum 10. Jahrestag der Gründung des Deutsch-Russischen Forums am 17. Februar 2003 in Berlin (gekürzt) 93
Namensartikel der CDU-Vorsitzenden, Angela Merkel, erschienen in der "Washington Post" am 20. Februar 2003 97
Ansprache des deutschen Bundespräsidenten, Johannes Rau, anlässlich eines Abendessens, gegeben vom indischen Staatspräsidenten, APJ Abdul Kalam, am 3. März 2003 in Neu-Delhi 99
Interview des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, mit dem Magazin "Stern", erschienen am 5. März 2003 (gekürzt) 100
Gemeinsame Erklärung Russlands, Deutschlands und Frankreichs zu Irak, veröffentlicht am 5. März 2003 in Paris 103
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, zur Situation in Irak und Kuwait vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 7. März 2003 in New York 104
Dankesrede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, aus Anlass der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille am 9. März 2003 in Münster (gekürzt) 106
Rede des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, vor der Konrad-Adenauer-Stiftung am 10. März 2003 in Berlin (gekürzt) 110
Rede des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Hans Martin Bury, vor dem Deutschen Bundestag am 13. März 2003 in Berlin 116
Regierungserklärung des deutschen Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, vor dem Deutschen Bundestag am 14. März 2003 in Berlin (Auszüge zur Außen- und Europa-Politik) 118
Gemeinsame Erklärung der Außenminister Russlands, Frankreichs und Deutschlands zu Irak, abgegeben in Moskau, Paris und Berlin am 15. März 2003 119
Erklärung des deutschen Bundespräsidenten, Johannes Rau, im Anschluss an ein Gespräch mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden über den Irak-Krieg am 19. März 2003 in Berlin (gekürzt) 120
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 19. März 2003 in New York 122
Fernsehansprache des deutschen Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, nach dem Beginn des Krieges gegen Irak am 20. März 2003 124
Rede des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages am 20. März 2003 in Berlin (gekürzt) 125
Interview des deutschen Außenministers, Joschka Fischer, mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", erschienen am 24. März 2003 128