Die gegenwärtig große öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber Papstrücktritt und Papstwahl verweist auf die weiterhin hohe gesellschaftliche Bedeutung von Kirche und Religion in der weitreichend säkularisierten europäischen Kultur. Die Beiträge des vorliegenden Forum Geschichtskultur Ruhr zu „Aspekten der Religiosität“ bestätigen in ihren historischen Bezügen die Kraft des Religiösen zur Gemeinschaftsbildung und – damit einhergehend – politisch-kulturellen Orientierung.
Dies zeigte sich etwa im Kulturkampf zur Zeit des Kaiserreichs der Ära Bismarck (V. Bücker), der mit zu einer stark christlich geprägten Arbeiterkultur im Ruhrgebiet vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1950/60er Jahre beitrug. Interessant ist hierzu der Beitrag zu einem vergeblichen Versuch des Ruhrbistums (F. Siepmann), die enge Verbindung von Arbeiterschaft und Kirche neu zu beleben. Kohäsionsverluste von Kirche werden auch in den Beiträgen zum Treueid auf Hitler in der evangelischen Kirche des Rheinlandes (K. Harney/C. Fuhrmann) und zum kirchlichen Umgang mit konfessionellen Mischehen (D. Owetschkin) aufgegriffen, die sowohl politisch-kulturelle als auch ethisch-moralische Konflikte im kirchlichen Raum kennbar machen und so dem Bedeutungswandel des Religiösen Ausdruck geben.
Die von B. Stambolis aufgezeigte historische Relevanz des Religiösen für das Selbstverständnis und die Selbstwahrnehmung der Region trägt sicherlich zu dem von V. Krech herausgestellten Befund bei, dass das Ruhrgebiet im deutschlandweiten Durchschnitt relativ religiös sei. Erkennbar wird an der zunehmenden Ausdifferenzierung der religiösen Gemeinschaften im Revier, wie stark auch nach 1945 Zuwanderungen die Kulturlandschaft Ruhrgebiet beeinflussten.
Die historische Beschäftigung mit dem Religiösen erhält ab diesem Jahr eine neue Zugangsform, da mit der Themenroute Sakralbauten eine neue Route der Industriekultur die sozial- und kulturgeschichtlichen Manifestationen von Religion in ihren zeitspezifischen architektonischen Ausdrucksformen zum Sprechen bringt. V. Bücker weckt mit einem lesenswerten Beitrag die Neugier.
Editorial Franz-Josef Jelich
SCHWERPUNKTAspekte von Religiosität im Ruhrgebiet
Die religiöse Lage im Ruhrgebiet Volkhard Krech
Das Ruhrgebiet – eine religiös-konfessionell geprägte Geschichtslandschaft? Barbara Stambolis
Der Kulturkampf im Ruhrgebiet Vera Bücker
Der Treueid protestantischer Pfarrer auf den Führer. Empirie und Kontext am Fall der rheinischen Landeskirche Klaus Harney, Christoph Fuhrmann
Von einer „Gefahr“ zur „Chance“ – Evangelisch-katholische Ehen und die Kirchen in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Dimitrij Owetschkin
Betriebskernarbeit und Wohnviertelapostolat als alternative Ansätze in der Seelsorge des Ruhrbistums Franziskus Siepmann
Das Centrum für Religionswissenschaftliche Studien an der Ruhr-Universität Bochum Volkhard Krech
Themenroute Sakralbauten – eine neue Route der Industriekultur Vera Bücker
Beiträge
Das Deilbachtal in Essen Kupferdreh – ein historischer Kulturlandschaftsbereich an der Ruhr Elke Janßen-Schnabel
Zwischen Urt(h)ier und Thier-Galerie – Eine Zeitreise durch ein Stadtquartier Bernhard Sicherl, Henriette Brink-Kloke
Bericht der Tagung „(Alt) Bergbau- und -Forschung in NRW“ Karsten Plewnia
30 Jahre ehrenamtliche Pflege an einem Bergbaurelikt im Bochumer Süden Margrid F. Gantenberg
30. Januar 1933: Der Staatsterror beginnt Karin Hockamp
Mitteilungen der Herausgeber: Deutsches Bergbau-Museum Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher Regionalverband Ruhr/Route der Industriekultur Ruhr Museum Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur
Museen und Ausstellungen Veranstaltungen Rezensionen Annotationen Ruhrgebietsbibliografie Adressenverzeichnis Autorinnen und Autoren Beilage zur Ausgabe 1/2013: Dokumentation Geschichtskonvent Ruhr, 21.09.2013 „Wieviel Ruhrgebiet tut gut? Das Ruhrgebiet als Thema der Institutionen regionaler Geschichtskultur“