Der Mythos vom „Schmelztiegel Ruhrgebiet“, wonach „das Ruhrgebiet vielfältige Zuwanderungen gewissermaßen aufgesaugt hat und aus diesen Zuwanderungen eine liebenswert offene und ,bunte‘ Region und Kulturlandschaft“ (C. Seidel, S. 11) entstanden ist, bröckelt derzeit – nicht zuletzt bedingt durch die auch an Rhein und Ruhr seit 2017 nicht unerheblichen Wahlerfolge der fremdenfeindlichen Alternative für Deutschland (AfD). Unbestreitbar handelte es sich um eine erhebliche Integrationsleistung des „Melting Pot“ Ruhrgebiet, seit Mitte des 19. Jahrhunderts zahlenmäßig bedeutsame unterschiedliche Migrationsbewegungen (s. den Beitrag von C. Nonn) zwar nicht konfliktfrei aber zumeist erfolgreich gesellschaftlich und kulturell einzubeziehen. Hatte dies wesentlich mit den industriellen Konstitutionsbedingungen des Wirtschafts- und Arbeitsraums Ruhrgebiet zu tun, so greifen die traditionellen, vorwiegend an großbetriebliche Arbeit gebundenen Integrationsfaktoren im Strukturwandel der Region gegenwärtig nur noch bedingt, worauf S. Demiriz und S. Goch in ihrem Beitrag hinweisen.
Neben einer Zuwanderung, die aufgrund von konjunkturellem Arbeitskräftebedarf erfolgte, gab es Migrationsbewegungen deren Hintergründe u. a. kriegsbedingte Zwangsarbeit (C. Seidel), Flucht und Vertreibung (D. Kift) oder Aussiedlung waren. Hier stellen sich Fragen des Umgangs mit ausgegrenzten, häufig diskriminierten Bevölkerungsgruppen, deren „Zuwanderung“ nicht einfach in der Integrationsperspektive zu diskutieren ist. Vielmehr ist mit der historischen Erarbeitung von gesellschaftlichem Unrecht eine komplexe demokratische Erinnerungskultur zur Integrationsgeschichte zu befördern, die auch im Gegensatz zum aktuellen populistischen Fremdenhass einen Beitrag für eine offene partizipative Zivilgesellschaft leistet.
Nicht unerwähnt bleiben soll der Beitrag zu den „Gastarbeiterinnen“ im Ruhrgebiet, mit dem A. Finzi und A. Mazzara ein bislang noch wenig beachtetes Feld der Ruhrgebietsgeschichte eindrucksvoll in den Blick nehmen.
Den Schwerpunkt des letzten Heftes zur „Moderne im Ruhrgebiet der 1920er Jahre“ finden Sie sowohl in den Veranstaltungen als auch in den historischen Ausstellungen weiterhin als wichtigen thematischen Bezug im auslaufenden Jahr repräsentiert. Besonderes Interesse verdient die Ausstellung „Pest!“, die sich mit den dramatischen gesellschaftlichen Folgen dieser Krankheit über alle Epochen rund um den Globus befasst. Sie ist seit September im LWL-Museum für Archäologie Herne zu sehen.
Angezeigt werden die Bücher „Die Stadt der Städte. Das Ruhrgebiet und seine Umbrüche“ sowie „Zeit-Räume Ruhr. Erinnerungsorte des Ruhrgebiets“, die den Umgang mit der Geschichte des Ruhrgebiets neu fundieren.
Editorial von Franz-Josef Jelich
Zuwanderung und politische Kultur im Ruhrgebiet
05 – Fremd bleiben – heimisch werden. Arbeitsmigration in verschiedenen Phasen der Ruhrgebietsgeschichte – Christoph Nonn
11 – Kein „Melting Pot(t)“ – Zwangsarbeit im Ruhrgebiet in den beiden Weltkriegen – Hans-Christoph Seidel
17 – Flüchtlinge und Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg – eine ‚vergessene‘ Migrationsgeschichte? – Dagmar Kift
21 – War die Arbeitsmigration nur männlich? „Gast“arbeiterinnen im Ruhrgebiet – Anissa Finzi, Alice Mazzara
25 – Schon immer und immer weiter ein Schmelztiegel – das Ruhrgebiet ein Vorreiter von Integrationspolitik? – Sara-Marie Demiriz, Stefan Goch
33 – Rechtspopulismus im Meltingpot? Erklärungsansätze für den Erfolg der AfD im Ruhrgebiet – Jan Dinter
Beiträge
38 – Architektur, Städtebau und Landesplanung: die Ruhrmoderne zur Zeit der Weimarer Republik – Renate Kastorff-Viehmann
42 – Von hier. Oder: Warum es sich lohnt, aufs Land zu fahren, und die neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum Westfalen zu entdecken – Ralf Piorr
44 – Den Pott spielen? Bilder vom Ruhrgebiet in digitalen Spielen des 21. Jahrhunderts – Angela Schwarz und Jan Pasternak
47 – Geocaching Oberhausen – Daniel Sobanski und Magnus Dellwig
Mitteilungen der Herausgeber
49 – Deutsches Bergbau-Museum Bochum
53 – Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher
55 – Regionalverband Ruhr / Referat Industriekultur
57 – Ruhr Museum
60 – Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets
63 – Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur
68 – Aufgelesenes
70 – Personen
Museen und Ausstellungen
72 – Neue Heimat finden. Auf Vielfalt vertrauen. Im Revier leben. Migration und Religionen im Ruhrgebiet
72 – Essen sein Schatz – die Goldene Madonna
72 – Berührte Landschaften. Fotografien von Udo Kreikenbohm
73 – „BOOM!“ Die Hütte zwischen Abbruch und Aufbruch
73 – Fabrik. Denkmal. Forum. 40 Jahre Industriemuseum fotografiert von Berthold Socha
73 – Vom Streben nach Glück. 200 Jahre Auswanderung aus Westfalen nach Amerika
74 – Raubbau. Rohstoffgewinnung weltweit „nützlich & schön“. Produktdesign von 1920 bis 1940
74 – Entspannt Euch! Freizeit im Ruhrgebiet
75 – Die Reichskanzler der Weimarer Republik – Zwölf Lebensläufe in Bildern
75 – Poesie, Prosa und Protest. Literarische Überlieferung in Archiv und Bibliothek
75 – Revierfolklore. Zwischen Heimatstolz und Kommerz
76 – PEST!
76 – Prost Mahlzeit! Ein Blick über den Tellerrand
77 – „Und im Fenster der Himmel“. Die Überlebensgeschichte der Johanna Reiss
Veranstaltungen
78 – Jüdisches Museum Westfalen
78 – IndustrieFilm Ruhr ’19. Filmschätze aus Ruhrgebietsarchiven
78 – Heimatbund Gelsenkirchen e. V.
79 – Arbeitskreis „Mensch und Tier im Ruhrgebiet“
79 – Mercator Matinéen im Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg
80 – Reihe „Poesie, Prosa und Protest. Literarische Überlieferung in Archiv und Bibliothek“ im Landesarchiv Rheinland
80 – Institut für Stadtgeschichte
80 – Kulturwissenschaftliches Institut
80 – Reihe zur Mülheimer Geschichte 2019
81 – Werkstatt Geschichtsarbeit und historisch-politisches Lernen zum Nationalsozialismus 2019
Rezensionen
82 – Michael Farrenkopf, Stefan Goch, Manfred Rasch, Hans-Werner Wehling (Hg.): Die Stadt der Städte. Das Ruhrgebiet und seine Umbrüche
83 – Arne Hordt: Kumpel, Kohle und Krawall. Miners‘ Strike und Rheinhausen als Aufruhr in der Montanregion
84 – LWL-Medienzentrum für Westfalen (Hg.): PROSPER/EBEL. Chronik einer Zeche und ihrer Siedlung (1979-1998)
85 – Patrick Bormann, Joachim Scholtyseck: Der Bank- und Börsenplatz Essen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart
86 – Stephanie Heimgartner u. a.: Literarische Orte im Ruhrgebiet. Wegweiser zu Schauplätzen der Literatur
88 – Peter Brdenk, Wolfgang Kleber: In Weiß. Essener Architektur zwischen Bauhaus und Gegenwart
Annotationen
89 – Stefan Berger, Ulrich Borsdorf, Ludger Claßen, Heinrich Theodor Grütter, Dieter Nellen (Hg.): Zeit-Räume Ruhr. Erinnerungsorte des Ruhrgebiets
89 – Wilfried Reininghaus: „Darum wählt!“. Die ersten demokratischen Kommunalwahlen in Westfalen und Lippe 1919
90 – Klaus Wisotzy: Unruhige Zeiten. Politische und soziale Unruhen im Raum Essen 1916–1919, Veröffentlichungen des Hauses der Essener Geschichte/Stadtarchiv, Band 1
90 – LWL-Medienzentrum für Westfalen (Hg.): Weimar im Westen. Rheinland und Westfalen 1918 bis 1933
90 – Viktoria Waltz, Verein für internationale Freundschaft e.V. (Hg.): Oma. Woher kommst du? Du singst so schön. Dortmunder Einwanderinnen aus der ehemaligen Sowjetunion berichten
91 – Georg Almus für das FORUM KUNST/ Kunstverein Lünen (Hg.): Orte für Worte. Vom Bücherbehälter zum Medienzentrum
91 – Johann Rainer Busch (Autor), Bürgerschaft Kupferdreh e.V., AK Heimatkunde und Archiv (Hg.): Das Kupferdreher Brückenbuch. 125 Jahre Kampmannbrücke
91 – Arbeitsgemeinschaft „Geschichte des Bergbaus im Hattinger Raum“ (Hg.): Der Gahlensche Kohlenweg vom Gericht Stiepel bei Hattingen an der Ruhr nach Gahlen an der Lippe, Auf alten Kohlenwegen, Bd. 3
92 – Barbara Kloubert und Klaus Ellenbeck: Straßen in Gelsenkirchen. Entstehung und Geschichte. Deutung ihrer Namen
92 – Verein für Heimatkunde Schwelm e.V.: Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung, 67. Heft
92 – Karlheinz Rabas: Gaswerke in Gelsenkirchen zur Geschichte der Gaswirtschaft, Reihe „Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit“, Heft 19
92 – Hans-Joachim Koenen: Josef Seithe. Erster Direktor der Bergschädenversicherung, Gelsenkirchen, Reihe „Gelsenkirchen in alter und neuer Zeit“, Heft 20
93 – Verein für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark (Hg.): Märkisches Jahrbuch für Geschichte 118
93 – Emscher-Zeitung. Magazin des Heimatbundes Gelsenkirchen
94 – Interessante Weblogs
95 – Ruhrgebietsbibliografie
106 – Zeitschriftenrundschau
107 – Adressenverzeichnis
111 – Autorinnen und Autoren