„Gras drüber …“, so nähert sich der Titel des Aufsatzes von M. Farrenkopf dem Umgang mit den landschaftlichen und ökologischen Belastungen des Bergbaus im innerdeutschen Vergleich. Kritisch bezogen auf die „grüne“ Metropole Ruhr könnte „Gras drüber …“ auch bedeuten, dass hier mit der Grünflächengestaltung ehemaliger Industrieareale sowie mit dem ungeordneten Überwuchern brachgefallener Industrieflächen dem Prinzip „Aus den Augen, aus dem Sinn“ folgend, eine nur oberflächliche ökologische Transformation postindustrieller Industrielandschaften erfolge. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird in den Beiträgen des Heftschwerpunkts zur IndustrieNatur das auf einer Versöhnung von Region und Umwelt fußende postindustrielle Renaturalisierungsnarrativ im Ruhrgebiet aufgenommen, wobei neben diskursgeschichtlichen Aspekten (R. Kastorff-Viehmann, P. Eiringhaus) an den Beispielen des Umbaus der Hauptabwasserkloake Emscher(D. Bleidick, H. T. Grütter), des Kampfs um den ‚blauen‘ Himmel an der Ruhr (C. Möller) und den Veränderungen in der Landschafts- und Parkgestaltung (M. Farrenkopf, W. Gaida, D. Bessen) Konkretionen einer zukunftsfähigen IndustrieNatur diskutiert werden. Ob mit der IndustrieNatur eine neue Landschaftsästhetik entsteht, die sich mit veränderten Urbanitätskonzepten großstädtischer Regionen verbindet, bleibt nach der Lektüre der vorliegenden Texte offen.
Hinzuweisen ist ferner auf den Text von K. Wisotzky zu Otto Hue, der die wichtige – durchaus widersprüchliche – Rolle der Bergarbeiterbewegung in der deutschen Demokratiegeschichte des 20. Jahrhunderts aufzeigt. Die Produktivität von Erinnerung als historisch-politische Selbstvergewisserung wird in der Auseinandersetzung mit der Biografie von Otto Hue deutlich. Eine nach wie vor hohe Bedeutung von Geschichtsinitiativen für eine historisch kritische Aufarbeitung der NS-Geschichte im Ruhrgebiet zeigt der knappe Beitrag von S. Wycisk zum Zwangsarbeiterlager Bergener Straße in Bochum auf.
Das vorliegende Heft erscheint mit einer Beilage zum Thema „Digitale Geschichtskultur im Ruhrgebiet“. Ausgehend von der durch Corona intensivierten Dynamisierung digitaler Angebotsstrukturen von historischen Institutionen (Museen, Archive, Vereine …) fragte der 9. Geschichtskonvent Ruhr im Oktober 2021 nach neuen digitalen (partizipativen) Ansprachen für bereits etablierte Angebote sowie nach der Entwicklung genuin digitaler, über analoge Sichtweisen hinausreichender historisch argumentierender Realitätstransformationen (Virtual Reality, Augmented Reality).
Editoral Fran-Josef Jelich
INDUSTRIENATUR UND DAS RUHRGEBIET
„Grüne“ Stadt und postindustrielle Stadtnatur. Zum sich wandelnden Verständnis von „Natur“ und „Grün“ in den Urbanitätskonzepten des Ruhrgebiets Renate Kastorff-ViehmannS. 5
Grüne Metropole Ruhr – ein Versöhnungsnarrativ gegenüber industriellem Raubbau und dessen Hinterlassenschaften? Pia EiringhausS. 14
Industrie und Umwelt im Ruhrgebiet. Überlegungen zum Wandel der Emscher-Flusslandschaft Dietmar BleidickS. 18
Die Emscher – Schicksalsfluss des Ruhrgebietes Heinrich Theodor GrütterS. 22
Gras drüber ... Eine Ausstellung zu Bergbau und Umwelt im deutsch-deutschen Vergleich Michael FarrenkopfS. 27
Bürger für einen blauen Himmel über der Ruhr. Clemens Schmeck und die Interessengemeinschaft gegen Luftverschmutzung Christian MöllerS. 34
Gartenschauen in der Metropole Ruhr. Vom Sammeln und Ausstellen fremdartiger Pflanzen bis zur Konversion von Industriebrachen Wolfgang GaidaS. 37
Die GRUGA in Essen Dorothea BessenS. 44
BEITRÄGE
Der „ungekrönte König“ der deutschen Bergarbeiterschaft. Zum 100. Todestag von Otto Hue Klaus WisotzkyS. 48
Wie Eyvind Olov Verner Johnson aus Nordschweden 1922 das Revier betrachtete Manfred DammeyerS. 52
Das Lager Bergener Straße – Ein vergessener Ort im Ruhrgebiet Susanne WyciskS. 54
MITTEILUNGEN DER HERAUSGEBERS. 56 - Deutsches Bergbau-Museum Bochum - Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e. V. - Regionalverband Ruhr / Team Industriekultur - Ruhr Museum - Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets - Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur
Personen (S. 78) Aufgelesenes (S. 80) Museen und Ausstellungen (S. 82) Rezensionen (S. 92) Annotationen (S. 103) Ruhrgebietsbibliografie (S. 109) Adressenverzeichnis (S. 119) Autorinnen und Autoren (S. 120)